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CDU/FDP-Klage: Karlsruhe erwägt Vorgaben zur Schuldenbegrenzung

Das Bundesverfassungsgericht will der Bundesregierung voraussichtlich strengere Regeln im Zusammenhang mit künftigen Schulden auferlegen. Anlass ist eine Klage von Union und FDP gegen den "rot-grünen" Bundeshaushalt 2004.

Karlsruhe - Das Bundesverfassungsgericht wird voraussichtlich strengere Vorgaben für eine wirksame Schuldenbegrenzung in künftigen Bundeshaushalten machen. Das deutete Gerichtsvizepräsident Winfried Hassemer in Karlsruhe in der Verhandlung über die Klage der damaligen Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und FDP gegen den rot-grünen Bundeshaushalt des Jahres 2004 an.

Die Politik habe sich bei der Verschuldung staatlicher Haushalte "mit großer Kontinuität entwickelt, vielleicht in die falsche Richtung", sagte er. "Ich habe den Eindruck, dass sich das politische System an dieser Stelle verselbständigt hat", betonte der Gerichtsvizepräsident. Auch die Berichterstatterin in dem Verfahren, Lerke Osterloh, sagte: "Für die Politik gilt offenkundig: Geben ist leichter als Nehmen."

Kampeter will "Verschuldung Einhalt gebieten"

Die damaligen Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und FDP halten den Haushalt des Jahres 2004 für verfassungswidrig, da laut Grundgesetz die Neuverschuldung grundsätzlich nicht die Investitionssumme übersteigen dürfe. Es sei unzulässig gewesen, das Überschreiten der Verschuldungsgrenze damit zu rechtfertigen, dass eine "Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts" vorliege. Auf diese in der Verfassung nur für Ausnahmefälle vorgesehene "Konjunkturklausel" habe sich die rot-grüne Bundesregierung damals aber "zum vierten Mal in Folge" berufen, rügte der CDU-Abgeordnete Steffen Kampeter. Er forderte Vorgaben, um der "überbordenden Verschuldung Einhalt zu gebieten".

Der Streit ist insofern kurios, als sich drei Jahre nach Einreichung der Klage die Kräfteverhältnisse im Bundestag verschoben haben. Die damals klagende Unions-Fraktionschefin Angela Merkel (CDU) ist heute Bundeskanzlerin. Vor dem Verfassungsgericht musste nun die jetzige Bundesregierung auf die Klage der Fraktionen antworten.

Der - damals wie heute zuständige - Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Karl Diller (SPD), verteidigte den Bundeshaushalt 2004. Dieser sei "haushaltspolitisch geboten und rechtlich einwandfrei gewesen". Die Bundesregierung sei 2003 und 2004 "ständig bemüht gewesen, auf die schwierige konjunkturelle Lage angemessen zu reagieren", betonte der Staatssekretär. Rechte des Parlaments seien nicht verletzt worden.

Eichel: Schwarz-Rot verhält sich nicht anders

Der ehemalige Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) warf der Union in einem Zeitungsinterview vor, sich mit ihrer Klage gegen seinen Haushalt 2004 in Widersprüche zu verstricken. "Die Klage der Union passt ganz und gar nicht zu ihrer Regierungspraxis", sagte Eichel. Denn auch die schwarz-rote Koalition habe 2006 mehr Schulden aufgenommen als investiert, "obwohl man schon bei der Haushaltsaufstellung wusste, dass die Konjunktur nicht schlecht lief".

Der Wirtschaftssachverständige Bert Rürup trat dafür ein, die im Grundgesetz-Artikel 115 verankerte Konjunkturklausel zu streichen. Der Begriff der "Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts", der "ausnahmsweise" das Überschreiten der Verschuldungsgrenze erlaubt, könne zu weit interpretiert werden. Ausnahmen sollten nur bei einer "nationalen Krise" oder einer "schweren Rezession" erlaubt werden, schlug Rürup vor. Auch Gerichtsvizepräsident Hassemer hatte die Konjunkturklausel als "außerordentlich unscharfen Begriff" bezeichnet. (tso/ddp)

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