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Deutschland: Kein Anlass für veränderte Nahostpolitik

Deutschland schaut mit Sorge auf die Entwicklung in Israel nach dem Ausfall von Ministerpräsident Ariel Scharon, sieht aber keinen Anlass für eine Änderung der Nahostpolitik.

Berlin - Noch ist ungewiss, ob Bundeskanzlerin Angela Merkels erster Israel-Besuch wie geplant Ende Januar stattfinden kann. Die Bundesregierung betont, dass sich die Grundkonstanten der deutschen Nahostpolitik nicht ändern werden. In die Genesungswünsche für den Premier mischen sich aber auch Zweifel von Parteipolitikern und Nahostexperten, ob ein anderer außer Scharon in der Lage wäre, den so schwierigen Friedensprozess noch voran zu bringen.

Merkel war erst wenige Tage im Amt, als sie mit der Ankündigung ihrer Reise bewusst Signale in Richtung Israel aussandte. Ihr Vorgänger Gerhard Schröder (SPD) war als Bundeskanzler in seiner siebenjährigen Amtszeit nur einmal in Israel - im Jahr 2000 im Rahmen einer Nahost-Reise. Merkel hatte kurz nach ihrem Amtsantritt rasch und unmissverständlich auf die jüngsten iranischen Drohungen gegen den Staat Israel reagiert.

Die Kanzlerin setzt große Hoffnungen in die jüngsten Friedensbemühungen in der Region. Scharon galt dabei als Schlüsselfigur. Bundespräsident Horst Köhler war bei seinem Besuch in Israel im Februar 2005 beeindruckt von Scharons Mut, nach neuen Wegen zu mehr Frieden im Nahen Osten zu suchen. Scharon ermunterte die Bundesregierung, ihm zu vertrauen.

Früher wurde Scharon von vielen in Deutschland als «Falke» gesehen, der einer Friedenslösung eher im Wege stand. Scharon wiederum kritisierte an den Europäern eine zu palästinenserfreundliche Haltung. So waren auch Vorbehalte zu spüren, als er im Juli 2001 zu seinem bisher einzigen offiziellen Besuch nach Deutschland kam. Der damalige Außenminister Joschka Fischer (Grüne) war anschließend als Reisediplomat immer wieder in Sachen Nahost- Frieden unterwegs.

Der Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik, Volker Perthes, fürchtet nach Scharons schwerem Schlaganfall eine weitere Destabilisierung im Nahen Osten. «Einen Friedensprozess, den es schon jetzt nicht gibt, wird es sicherlich auch nicht in den nächsten Monaten geben», sagt Perthes der dpa. Es sei unwahrscheinlich, dass auf israelischer Seite jemand den Platz Scharons in Kürze ausfüllen könne.

Ähnlich urteilt der FDP-Außenpolitiker Werner Hoyer. «Es sieht so aus, dass Scharon der einzige war, der dem israelischen Volk so nachhaltige Konzessionen abringen konnte», sagt Hoyer mit Blick auf den Gaza-Rückzug. Einen solchen Kurswechsel habe nur jemand durchsetzen können, der als «Hardliner» bekannt war. Er wünsche sich von der Bundesregierung auf jeden Fall weiterhin ein aktive Nahostpolitik, sagt der Oppositionspolitiker.

Die deutsch-israelischen Beziehungen sind außergewöhnlich. «Zwischen Deutschland und Israel kann es nicht das geben, was man Normalität nennt», hatte Köhler unter Hinweis auf den Holocaust in seiner Rede vor der Knesset gesagt.

Nach Ansicht des außenpolitischen Sprechers der SPD-Fraktion, Gerd Weisskirchen, ist es eine Stärke der Bundesrepublik, dass sie sich mehr als viele andere Länder Europas immer unmissverständlich für das Existenzrecht Israels eingesetzt habe. Deutschland und Europa müssten alles tun, damit im Nahen Osten die Gemäßigten die Oberhand gewännen. Allerdings seien die Einwirkungsmöglichkeiten auf die Entwicklung in Israel begrenzt. «Das wird in der israelischen Gesellschaft entschieden. Die ist stark genug, mit solchen Turbulenzen fertig zu werden», sagt Weisskirchen. (Von Klaus Blume und Frank Rafalski, dpa)

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