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Pläne für den Brexit: Die britische Premierministerin Theresa May

© AFP/Kirsty Wigglesworth/Pool

Mays Grundsatzrede zum Brexit: Keine schmutzige Scheidung, please

Die britische Regierungschefin Theresa May will für ihr Land einen möglichst weit gehenden Zugang zum EU-Binnenmarkt. Ob sie ihn bekommt, steht auf einem anderen Blatt. Ein Kommentar.

Nach der Grundsatzrede der britischen Regierungschefin Theresa May hat sich der Nebel etwas gelichtet. Bei den bevorstehenden Brexit-Verhandlungen will sich May zwar weiterhin nicht in die Karten schauen lassen. Eines hat sie im Lancaster-Herrenhaus doch deutlich gemacht: Die britische Regierungschefin will keine schmutzige Scheidung von der EU.

Ein verräterischer Lapsus

Nach ihrer Rede gab es noch einige Fragen von Journalisten – darunter aus Frankreich und Spanien –, und in ihrer letzten Antwort leistete sich May einen Freudschen Versprecher, den die britischen Anhänger einer kompletten Loslösung von der EU nicht gerne gehört haben dürften. Man werde, sagte die Chefin der britischen Tories, bei den Verhandlungen keineswegs nur die Interessen der Europäischen Union in den Vordergrund stellen. Sofort korrigierte sich May: Sie hatte natürlich die Interessen des Vereinigten Königreichs gemeint.

Der Lapsus verrät, dass die Verhandlungsposition der EU-27 der britischen Regierungschefin offenbar sehr wohl bewusst ist: Die verbliebenen EU-Staaten wollen verhindern, dass die Briten am Ende einen Deal aushandeln, der für London derart viele Vorteile hat, dass sich Austrittsbefürworter zur Nachahmung ermuntert fühlen könnten.

Notfalls will die Regierungschefin die Verhandlungen platzen lassen

Dass May keine schmutzige Scheidung will, muss aber noch lange nicht heißen, dass es am Ende nicht doch eine für beide Seiten schmerzhafte Trennung gibt. Denn May machte den (Noch)-EU-Partnern am Dienstag auch reichlich unverblümt deutlich, dass sie notfalls die Gespräche über die künftige wirtschaftliche Verflechtung zwischen dem Vereinigten Königreich und den EU-27 platzen lassen könnte, wenn dabei die Nachteile für Großbritannien überwiegen. Das Kalkül der Premierministerin: Der zollfreie Austausch von Gütern und Dienstleistungen mit dem Kontinent, den Großbritannien weiter anstrebt, ist nicht nur im Interesse Großbritanniens, sondern auch im Sinne der Exporteure auf dem Kontinent. „Wir wollen Ihre Güter und Dienstleistungen kaufen, Ihnen unsere verkaufen, mit Ihnen so frei wie möglich Handel treiben“, sagte May an die Adresse der EU-Partner.

Ein "harter Brexit" zeichnet sich ab

Allerdings hat sich inzwischen auch im Brexit-Lager die Erkenntnis durchgesetzt, dass Großbritannien beim Brexit auch auf den bisher ungehinderten Zugang zum Binnenmarkt wird verzichten müssen. Es ist gut, dass May am Dienstag ein für allemal mit der britischen Wunschvorstellung aufgeräumt hat, dass London einerseits die EU-Einwanderung begrenzen, aber gleichzeitig vollständig beim Binnenmarkt dabei bleiben könne. Der Brexit bedeute das Ende der Mitgliedschaft im europäischen Binnenmarkt, lautet die logische Schlussfolgerung Mays.

Damit zeichnet sich trotz aller diplomatischen Freundlichkeiten, welche die britische Regierungschefin über die Wertegemeinschaft mit den „Freunden und Nachbarn“ der Europäischen Union abgab, ein harter Brexit ab. Großbritannien kann dabei nach Belieben die EU-Einwanderung steuern und den Einflussbereich des Europäischen Gerichtshofs verlassen. Andererseits bleibt es dem Geschick von Theresa May (oder ihrer Nachfolger) überlassen, welche Art von Zugang sich das Vereinigte Königreich auf dem EU-Binnenmarkt herausverhandelt.

Das Ziel gab May dabei am Dienstag gleich schon einmal vor: Das von ihr angestrebte Freihandelsabkommen zwischen Großbritannien und der EU solle „kühn und ehrgeizig“ sein, forderte die Premierministerin. Bis es steht, dürften viele Jahre vergehen – Jahre, in denen sich auch entscheiden wird, ob der Verbund der verbliebenen EU-Staaten zusammenwächst oder weiter zerfällt.

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