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Thomas Kemmerich (FDP), früherer Ministerpräsident von Thüringen, bei einer Kundgebung von Beschäftigten aus der Kosmetik-Branche in Erfurt.

© Martin Schutt/dpa-Zentralbild

Krisensitzung nach Auftritt bei Corona-Demo: Kemmerich verliert den Rückhalt der FDP

Thüringens FDP-Chef und Ex-Ministerpräsident Kemmerich trat bei einer auch von Neonazis organisierten Kundgebung auf. Nun wird es eng für ihn.

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Dass die Sache ein Nachspiel haben würde, war klar. Als der Thüringer FDP-Vorsitzende und ehemalige Kurzzeit-Ministerpräsident Thomas Kemmerich am Samstag in Gera an einer auch von Rechtsextremen organisierten Demonstration teilnahm, war das Entsetzen bei den Liberalen groß. „Kein Verständnis“ für die Aktion zeigte Parteichef Christian Lindner.

Die FDP-Bundestagsabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann forderte Kemmerich zum Parteiaustritt auf. „Wir werden das auf der Bundesvorstandssitzung besprechen“, sagte sie dem Tagesspiegel. „Wenn wir jetzt keine Konsequenzen ziehen, kommt das immer wieder.“

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Wie es in der Causa Kemmerich weitergeht, will der FDP-Vorstand an diesem Mittwoch in einer eigens vorgezogenen Sitzung beraten. Damit reagiert die Parteispitze auf den wachsenden Druck, sich von Kemmerich zu distanzieren. Er gilt als drohende Belastung auch für den nächsten Landtagswahlkampf - vorzeitig soll im April 2021 ein neues Landesparlament bestimmt werden. Die nächste FDP-Bundesvorstandssitzung war eigentlich erst für den 18. Mai anberaumt.

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Kemmerich verteidigt indes weiterhin seine Teilnahme an dem als „Spaziergang“ deklarierten Protest gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung, bei dem er vor rund 750 Menschen eine Rede hielt – unter ihnen AfD-Politiker und -Anhänger, Rechtsextremisten und Verschwörungstheoretiker. Er wolle nicht, „dass Teile der Mittelschicht mit ihren Sorgen von der AfD vereinnahmt werden“, rechtfertigte der FDP-Mann seinen Auftritt.

Kemmerich bedauert bloß, dass er keinen Mundschutz trug

Mittlerweile entschuldigt hat er sich für die Tatsache, dass er bei der Demo zeitweise keinen Mundschutz trug. „Dies würde ich beim nächsten Mal anders machen.“

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Von dem rechtsextremen Netzwerk, das hinter dem „Spaziergang“ steht, will Kemmerich hingegen nichts gewusst haben. Er selbst sowie der Veranstalter der Demo, der Geraer Geschäftsmann Peter Schmidt, hätten im Vorfeld „keine Vorstellung“ von Dynamik und Größenordnung des Protests gehabt.

Was Kemmerich nicht sagt: Schmidt ließ sich bei der Mobilisierung für die bei den Behörden angemeldete Versammlung von stadtbekannten Rechtsradikalen helfen.

Ein Helfer sammelt Spenden für einen verurteilten Reichsbürger

Eine zentrale Rolle spielt dabei das Paar Vanessa P. und David S. aus Gera. Sie ist selbsternanntes „Krawallmädchen“. Er sammelt nach eigenen Angaben Spenden für den Reichsbürger und früheren Mister Germany Adrian Ursache, der im April 2019 nach einem Schuss auf einen SEK-Beamten vom Landgericht Halle an der Saale zu sieben Jahren Haft verurteilt wurde.

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Am Samstag reihte sich Vanessa P. mit einem großen umgehängten Davidstern in den Protestzug ein. David S. dokumentierte den „Spaziergang“ in einem Video. Beide liefen ganz vorn im Demonstrationszug mit, ebenso wie Kemmerich und Schmidt.

Aus seiner Gesinnung macht David S. keinen Hehl. Auf Facebook teilt er Beiträge, die im Kriegsende 1945 keine „,Befreiung', sondern die totale Niederlage und Unterwerfung“ sehen. Er verbreitet Videos der NPD-Parteizeitung „Deutsche Stimme“ und Appelle des AfD-Bundestagsabgeordneten Stephan Brandner gegen eine „Zwangsimpfung“.

David S. soll nach Berichten von Antifa-Beobachtern zum Umfeld der rechtsextremen Thügida-Bewegung gehören. Namens seiner Organisation „Wir sind Thüringen“ hat er demnach bei einem rechten Aufmarsch im September 2016 in Gera den Hitlergruß gezeigt.

Wirtschaftsrat der CDU geht auf Distanz

Beide, Vanessa P. und David S., stehen bei all dem sehr eng zu Unternehmer Schmidt, der Kemmerich zu der Demo eingeladen hat. Schmidt ist im Vorstand des Thüringer Wirtschaftsrats der CDU. Der von der Partei unabhängige Verein hat sich inzwischen von seinem Funktionär und dessen Demo distanziert – insbesondere von „den dort getätigten Äußerungen“, wie Sprecher Klaus-Hubert Fugger dem Tagesspiegel sagte.

Für die Freidemokraten ist der Fall Kemmerich ein Déja Vu. Schon einmal fiel der FDP-Mann durch eine mangelnde Abgrenzung nach rechts auf, als er sich im Februar mit AfD-Stimmen zum Thüringer Ministerpräsidenten wählen ließ. Der „Tabubruch“ stürzte die gesamte FDP in eine schwere Krise, Kemmerich trat nach drei Tagen zurück.

Sein Bekannter Schmidt steht jedoch weiter fest zu Kemmerich. Für ihn, so begrüßte er ihn bei der Demo am Samstag, bleibe der Thüringens „einziger legitimer Ministerpräsident“.

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