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Französische Soldaten patrouillieren in Gao im Nordosten Malis.

© Foto: AFP/Thomas Coex

Klima, Krieg und Krisen: Was die Lage in der Sahelzone so gefährlich macht

Der Sahel ist ein 6000 Kilometer großes Konfliktgebiet in Afrika. Jetzt zieht Paris seine Soldaten aus Mali zurück. Welche Folgen könnte das für Europa haben?

Von Johannes Dieterich

Die Kapitulationserklärung war in einer Demonstration der Stärke versteckt. Vor zwei Kampfhubschraubern im Marinestützpunkt Toulon platziert, gab Frankreichs Präsident Emmanuel Macron vergangene Woche an der Côte d’Azur das Ende der französischen Militäroperation Barkhane in der Sahelzone bekannt.

Dabei waren in den meisten westlichen Sahelstaaten bis vor Kurzem noch französische Fremdenlegionäre stationiert. Das unrühmliche Ende der französischen Militärintervention in Westafrika versteckte Macron in einer allgemeinen Grundsatzrede über die neue Militärpolitik seines Landes.

Auf diese Weise fiel es offenbar leichter, die Niederlage der einstigen Kolonialmacht in ihrem traditionellen „Hinterhof“ einzuräumen. Die Militärpräsenz begann vor über zehn Jahren zur Bekämpfung des islamistischen Terrorismus in der Region, mit dem Abschluss wird heute für viele Beobachter auch das Ende der „Francafrique“, des postkolonialen Einflusses Frankreichs in Afrika besiegelt.

Der Landstrich der Sahelzone zieht sich über 6000 Kilometer von Mauretanien im Westen bis nach Eritrea im Osten und gehört zu den kompliziertesten Konfliktzonen der Welt.

Geopolitisch kommt ihm gleich in dreifacher Hinsicht außerordentliche Bedeutung zu: als Bodenschatztruhe für Gold und Uran, als Aufmarschgebiet islamistischer Extremisten und als Ziel europäischer Migrationspolitik.

Wenn es hier brennt, wird es auch auf dem europäischen Nachbarkontinent heißer. Auch deshalb waren hier zwischenzeitlich so viele europäische Soldaten wie nirgends sonst in Afrika stationiert. 

Verheerende Sandstürme in Niger: Die Klimaschwankungen in der Sahel-Zone nehmen zu.
Verheerende Sandstürme in Niger: Die Klimaschwankungen in der Sahel-Zone nehmen zu.

© Argus/ Hartmus Schwarzbach

Jetzt brennt es lichterloh. Allein in der ersten Hälfte dieses Jahres forderten Gewalttaten in der westlichen Sahelzone mehr als 2200 Tote. Blutige Konflikte, miserable Regierungsführung, extremistische Umtriebe, ausländische Einflussnahme und die Folgen der Klimaerwärmung hätten sich zu einem „perfekten Sturm“ zusammengeballt, sagen Experten. 

Der Klimawandel ist hier besonders sichtbar: Die Sahelzone gehört zu den trockensten Regionen Afrikas, die Sahara wird gleichzeitig unbarmherzig größer. Viehhirten sehen gezwungen, Richtung Süden auszuwandern. Dort kommt es dann vermehrt zu Konflikten mit lokalen Ackerbauern. Viele bringen die Wehen in der Region mit den klimatischen Veränderungen in Verbindung.

2200
Menschen kamen allein im ersten Halbjahr 2022 durch Gewalt ums Leben.

Die jeweiligen Regierungen zeigten sich machtlos. Bisher unterstützten sie vor allem die Landwirte, weil diese für Nahrungsmittelsicherheit sorgten und besteuert werden konnten. Als anachronistische Überbleibsel konnten die nomadischen Viehhirte sehen, wo sie blieben.

Sieben Staatstreiche in drei Jahren

Nicht wenige von ihnen schlossen sich deshalb der fundamentalistischen Erweckungsbewegung an, die gegen die Vorherrschaft des christlichen Westens in der islamischen Welt entstand. Geld dafür kam aus Saudi-Arabien, Waffen aus den Ruinen des mit Nato-Bomben zerstörten libyschen Gaddafi-Reichs.

Neben den Ackerbauern waren vor allem die urbanen Eliten als Hauptfeinde der Fundamentalisten. Sie galten als korrupte, vom Westen geführte Marionetten.

Zunächst konnte sich die Regierungselite im Kampf gegen die islamistischen Extremisten noch auf ihre Armeen verlassen. Bald sahen sich die Soldaten jedoch verheizt und wandten sich schließlich gegen ihre politischen Auftraggeber: Die Saison der Militärcoups brach an.

Russische Söldnergruppe mit 1000 Kämpfern in Mali

In den vergangenen drei Jahren kam es in der Sahelzone zu sieben Staatsstreichen. Frankreich operierte bei der „Terroristenjagd“ zusätzlich unglücklich – bald konnte die ehemalige Kolonialmacht deshalb nicht mehr auf die Gunst des Militärs setzen.

Diese warfen Paris allen Ernstes die Finanzierung der islamistischen Extremisten vor. Sich dermaßen unverfroren gegen die ehemaligen Verbündeten zu stellen, konnten sich die Putschisten nur leisten, weil sich inzwischen neue Freunde angedient hatten.

Seit Beginn dieses Jahres ist die russische Söldnergruppe „Wagner“ mit etwa 1000 Kämpfern in Mali stationiert. Burkina Faso heuert wohl als nächstes an, in der Zentralafrikanischen Republik und im Sudan sind sie bereits. Die Präsenz der russischen Söldner besiegelte den Abzug der französischen Soldaten endgültig: Für französische und russische Soldaten war in Mali kein Platz.

Doch auch Bundeswehrsoldaten sind im Rahmen der UN-Mission „Minusma“ noch in Mali stationiert. Allerdings dürfen sie ihre Drohnen nur noch dann fliegen lassen, wenn Malis Militärregierung grünes Licht gibt – was in Deutschland einmal mehr die Frage nach dem Sinn ihrer Mission aufwirft. Haben die Franzosen mit ihrem Abzug also die einzig richtige Entscheidung getroffen?

Außenministerin Annalena Baerbock widerspricht: Im Gegensatz zum Auftrag der Fremdenlegionäre, Extremisten zu jagen, sei die Mission der Bundeswehrsoldaten, die malische Bevölkerung zu schützen. Ihre Erfolgsbilanz sieht allerdings auch nicht besser aus.

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