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Politik: Klima mit Profit

Von Clemens Wergin

Es gibt Momente, in denen ein neues Muster auftaucht oder mindestens alte Fragen in neuem Licht erscheinen. Und es könnte sein, dass wir das gerade im Hinblick auf die Klimapolitik erleben. Da legt ein hochangesehener ehemaliger Chefvolkswirt der Weltbank für die britische Regierung einen Bericht vor, in dem die katastrophalen Folgen des Klimawandels auf die weltweite Wirtschaft beschrieben werden. Der deutsche Umweltminister Sigmar Gabriel erklärt grüne Technik zum neuen Job- und Wirtschaftsmotor. Und in den USA wird der hohe Energiepreis zum Wahlkampfthema.

Warum, so fragen immer mehr Amerikaner, finanzieren wir mit unserem Energiehunger eigentlich die schlimmsten Regime dieser Welt und ihre antiwestliche Politik? Sei es nun den Iran Achmadinedschads, das Venezuela von Chavez, Saudi-Arabiens wahhabitische Ideologie, den völkermordenden Sudan oder Putins neoimperiale Ambitionen? Alles zusammengenommen zeigt: Klimapolitik wächst aus einer parteigrünen Ecke heraus. Energie zu sparen und alternative Energieträger zu entwickeln, ist Moral- und Realpolitik in einem geworden.

Viele werden zugunsten des Klimas umdenken müssen. So löst sich zum Beispiel der alte Widerspruch zwischen Wirtschaft und Umweltschutz auf. Konzernchefs, die noch stets über strikte Umweltgesetze klagten, tun gut daran, sich heute aktiv um diese Zukunftsindustrie zu bemühen. Grüne Energie, saubere Technik – das wird die Wachstumsindustrie des 21. Jahrhunderts sein.

Was aber keiner weiß: Wer wird diese Industrie dominieren? Bei der IT-Revolution und dem Biotechnik-Boom ist die alte Industrienation Deutschland nur hinterhergehumpelt. Nun stellt sich die Frage, wo die Microsofts, Googles und YouTubes der grünen Revolution entstehen und für Wachstum sorgen: in Boulder im US-Bundesstaat Colorado, in Buxtehude oder im indischen Bangalore? Denn ob es die erhöhten Forschungsinvestitionen der Bush-Regierung sind oder die vielen Initiativen auf Ebene der US-Bundesstaaten, Amerika setzt an zum grünen Techniksprung. Und wenn die Amerikaner erst einmal eine Vision aus diesem Thema machen und die Märkte viel Geld in dieses Gebiet pumpen, dann werden auch technische Innovationen nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Es geht also um nichts weniger als die Frage, ob deutsche Unternehmen ihre Technologieführerschaft in vielen Gebieten der Umweltwirtschaft behalten. Oder ob sie den Trend verpassen, wie es den deutschen Autobauern erging, die niemals mit dem Erfolg des hybridbetriebenen Autos Toyota Prius gerechnet hatten und nun viel Geld einsetzen müssen, um den Vorsprung der Japaner aufzuholen. Der Wettbewerb um die besten Ideen im Bereich grüner Industrie ist eröffnet – und die gute Nachricht ist, dass man mit Umweltmoral heute auch gutes Geld verdienen kann.

Aus alten Denkmustern auszubrechen ist aber nicht nur eine Herausforderung für die Wirtschaft und die in Klimafragen gern gescholtenen Amerikaner, sondern auch für altgediente Klimapolitiker. Der ehemalige Umweltminister Jürgen Trittin etwa macht erste vorsichtige Versuche, Energieabhängigkeit als geostrategisches Problem zu definieren und vielleicht schwärmt seine Parteichefin Claudia Roth ja bald vom Shareholder Value in der Windkraftbranche. Wer die Umwelt schützen möchte, sollte sich zusätzlicher Argumente bedienen. Vor allem dann, wenn er weltweit Mehrheiten für seine Politik gewinnen will.

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