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Hubertus Heil (SPD) ist Bundesminister für Arbeit und Soziales.

© Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Nachfolger von Hartz IV: Vermittlungsausschuss einigt sich beim Bürgergeld

Die Einigung zwischen Ampelparteien und Union ist nun offiziell: Der Vermittlungsausschuss hat bestätigt, was am Dienstag vorab verkündet worden war.

Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat hat den Bürgergeld-Kompromiss von Ampelparteien und Union formal beschlossen. Damit kann das Gesetz am Freitag in Parlament und Länderkammer verabschiedet werden.

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) gab sich nach der Sitzung zufrieden. „Sie sehen hier einen Bundesarbeitsminister, der sich freut, dass das Bürgergeld kommt“, sagte er. Ihm gehe es darum, Menschen aus der Bedürftigkeit herauszuholen.

Unbefriedigend für die Linkspartei

Vertreterinnen und Vertreter der Ampelparteien und der Opposition stellten nach der Sitzung des Vermittlungsausschusses noch einmal ihre Standpunkte dar. Interpretation der Regierungskoalition ist, das Bürgergeld mit seinem Fokus auf berufliche Qualifizierung sei im Kern unverändert. Von der Union hingegen heißt es, Kernbestandteile seien gestrichen worden.

Erklärtermaßen unbefriedigend ist der Kompromiss zwischen Ampelparteien und Union für die Linkspartei. „Hartz IV überwinden“ ist einer ihrer Kernslogans. In dieser Hinsicht ging ihr schon der ursprüngliche Gesetzentwurf der Ampel nicht weit genug, und dann hat die Union das Gesetz aus Sicht der Linkspartei noch einmal deutlich verschlechtert.

Der Ministerpräsident Thüringens, Bodo Ramelow, unterbreitete deshalb in der Sitzung einen eigenen Vorschlag – der natürlich von vornherein chancenlos war. Er wollte die Änderungen beim Schonvermögen akzeptieren, dafür aber die Vertrauenszeit retten.

Gesine Lötzsch, die für die Bundestagsfraktion der Linken Mitglied im Vermittlungsausschuss ist, sagte nach der Sitzung, sie werde ihrer Fraktion empfehlen, das Gesetz am Freitag im Bundestag abzulehnen. Es ist aber damit zu rechnen, dass die Länder, in denen die Linkspartei mitregiert, dem Gesamtpaket im Bundesrat zustimmen. Final entschieden wird das am Donnerstagabend.

Maximal unaufgeregt waren die Vertreterinnen und Vertreter aller politischen Lager, bevor es im Vermittlungsausschuss losging. Denn inhaltlich war alles vorbesprochen. Höchstens anderthalb Stunden werde die Sitzung dauern, so lautete eine Schätzung. Sie stimmte ziemlich genau.

AfD-Abgeordneter spricht von Farce

Der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner, der ebenfalls Mitglied im Vermittlungsausschuss ist, kritisierte die Vorabsprachen nach der Sitzung. Er sprach von einer Farce, das Vorgehen sei intransparent gewesen.

Die Union hatte mit ihrer Blockademehrheit im Bundesrat Verhandlungen mit der Ampel erzwungen. Bereits am Dienstag, einen Tag vor der Sitzung des Vermittlungsausschusses, war die Einigung zwar formal unverbindlich, politisch aber bindend verkündet worden. Die Union hatte die Ampel zu weitreichenden Zugeständnissen bewegen können, die nun im Vermittlungsausschuss bestätigt wurden.

40.000
statt 60.000 Euro beträgt nun das Schonvermögen

Damit entfällt die Vertrauenszeit, die die Bundesregierung ursprünglich vorgesehen hatte, und bei der es in den ersten sechs Monaten nur wenige Sanktionsmöglichkeiten gegeben hätte. Das Schonvermögen beträgt für eine alleinstehende Person nun 40.000 statt 60.000 Euro, für jede weitere Person im Haushalt kommen 15.000 statt 30.000 Euro hinzu.

12
statt 24 Monaten beträgt nun die Karenzzeit

Auch die so genannte Karenzzeit beim Schonvermögen und bei der Prüfung, ob die Wohnung angemessen ist, wurde in den Verhandlungen verringert. Sie wird nur noch zwölf statt 24 Monaten betragen.

Bei der Caritas löste der Beschluss Erleichterung aus. „Es ist gut, dass beim Bürgergeld ein Kompromiss vorliegt, denn das Gesetz muss so schnell wie möglich in Kraft treten“, sagte Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa am Donnerstag in Berlin.

Die Bezieher der Grundsicherung seien angesichts der rasant steigenden Preise dringend auf höhere Regelsätze angewiesen, erklärte die Chefin des katholischen Sozialverbandes.

Mehrfache Kritik: Bürgergeld „nur Inflationsausgleich“

Der Sprecher des Kinder- und Jugendwerks „Die Arche“, Wolfgang Büscher, hält das neue Bürgerfeld hingegen für zu niedrig. Rund 50 Euro mehr pro Monat reichten nicht, insbesondere für Alleinerziehende und Familien, sagte Büscher am Donnerstag im RBB-Inforadio.

Die Erhöhung der Sätze für Bedürftige sei nicht mehr als ein „reiner Inflationsausgleich“. Büscher bekräftigte die Forderung nach einer Kindergrundsicherung. Vielen Familien fehle wohl auch nach dem Januar Geld zum Leben.

Er erlebe oft Eltern, die auf eigene Mahlzeiten verzichteten, damit ihre Kinder mehr zu essen hätten. Aus diesem „verteufelten System“ müsse es einen Ausweg geben, forderte Büscher.

Damit lebt das Bestrafungs- und Sanktionssystem Hartz IV, das die rot-grün-gelbe Bundesregierung ablösen wollte, fast unverändert weiter.

Frank Werneke, Verdi-Vorsitzender

Auch die Gewerkschaft Verdi kritisierte die geplanten Regelungen zum Bürgergeld. Die Änderungen an den Ursprungsplänen von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bedeuteten „einen schlechten Kompromiss zu Lasten der Menschen, die Hilfe und positive Begleitung statt Bestrafung brauchen“, sagte der Verdi-Vorsitzende Frank Werneke am Donnerstag in Berlin.

„Damit lebt das Bestrafungs- und Sanktionssystem Hartz IV, das die rot-grün-gelbe Bundesregierung ablösen wollte, fast unverändert weiter.“ Die Dienstleistungsgewerkschaft bemängelte unter anderem die Streichung der zunächst vorgesehenen weitgehend sanktionsfreien sechsmonatigen Vertrauenszeit. Der Union, die die Änderungen durchgesetzt hatte, warf Werneke vor, sich „als rechte Opposition“ profilieren zu wollen.

Am Freitag werden Bundestag und Bundesrat noch einmal über das Bürgergeldgesetz abstimmen, zum 1. Januar 2023 tritt es dann in Kraft. Dann erhöhen sich die Regelsätze für Millionen Menschen, für eine alleinstehende Person beispielsweise von 449 auf 502 Euro. (mit dpa)

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