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Es rumort in Springers „Welt“. Arbeiter bringen ein neu gestaltetes Logo des Medienkonzerns Axel Springer über der Axel Springer Passage an. Zu dem Medienhaus gehören unter anderem „Bild“, „Die Welt“ und die „BZ“. 

© dpa/Kay Nietfeld

Update

„Krasser Widerspruch zu den Essentials von Axel Springer“: Aufruhr bei der „Welt“ wegen Elon Musks Wahlwerbung für die AfD

In einem Gastbeitrag für die „Welt am Sonntag“ hat Elon Musk explizit zur Wahl der AfD aufgerufen. Die Redaktion war offenbar gegen die Veröffentlichung. Es gibt eine erste Kündigung.

Stand:

Mit Gastkommentaren in Zeitungen ist das so eine Sache. Sie können die Medienmarke schmücken oder großen Ärger machen. 2021 hatte die „Zeit“ solchen Ärger wegen eines Gastbeitrags von Kreml-Chef Wladimir Putin zum 80. Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion. Ein Despot würde hier seine Propaganda prominent verbreiten, lautete damals die Kritik.

Die „Welt“-Gruppe des Axel-Springer-Konzerns ist nun in ähnlich schweres Fahrwasser geraten wegen eines Gastbeitrags von US-Milliardär und Trump-Intimus Elon Musk zugunsten der AfD. In dem am Samstag online veröffentlichten Beitrag schreibt Musk, die rechtspopulistische Partei sei „der letzte Funke Hoffnung“ für Deutschland. Die AfD-Ansätze zum „Abbau staatlicher Überregulierung, zur Steuersenkung und Deregulierung des Marktes“ lobte Musk ausdrücklich.

Die Partei sei nicht rechtsextrem, schreibt Musk: „Die Darstellung der AfD als rechtsextrem ist eindeutig falsch, wenn man bedenkt, dass Alice Weidel, die Vorsitzende der Partei, eine gleichgeschlechtliche Partnerin aus Sri Lanka hat! Klingt das für Sie nach Hitler? Ich bitte Sie!“

Chefin des Meinungs-Ressort kündigt nach Veröffentlichung

Im Online- und Print-Angebot der „Welt am Sonntag“ wird Musks Gastbeitrag ein Kommentar des designierten Chefredakteurs Jan Philipp Burgard beigestellt. Burgard schreibt in seiner Gegenrede zu Musk, dessen Diagnose sei korrekt, „doch sein Therapieansatz, nur die AfD könne Deutschland retten, ist fatal falsch.“

Elon Musk, CEO von Tesla und SpaceX, hört zu, als der republikanische Präsidentschaftskandidat und ehemalige US-Präsident Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung auf der Butler Farm Show spricht.

© dpa/Alex Brandon

Musks Gastkommentar und der Umgang damit haben, wie der zumeist gut informierte Branchendienst „Medieninsider“ berichtet, innerhalb der Redaktion schon im Vorfeld und nach Erscheinen zu großem Ärger geführt.

Die Leiterin des Meinungsressorts von „Welt“ und „Welt am Sonntag“, Eva Marie Kogel, ist wegen der Veröffentlichung des Musk-Beitrags zurückgetreten. „Heute ist in der Welt am Sonntag ein Text von Elon Musk erschienen. Ich habe gestern nach Andruck meine Kündigung eingereicht“, schrieb sie am Samstag auf X. Auch andere „Welt“-Journalisten posteten öffentlich auf X ihren Unmut.

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Medienberichten zufolge soll der Abdruck des Gastbeitrages von Musk bereits vor Heiligabend eine heftige Kontroverse innerhalb der Redaktion ausgelöst haben. Der „Spiegel“ berichtet von weiterem Streit in der finalen Redaktionskonferenz am Freitag.

Ulf Poschardt, Chefredakteur der „Welt“-Gruppe.

© dpa/Kay Nietfeld

Laut „Medieninsider“ hatte es in der Redaktion „tagelange hitzige Konferenzen und Krisentreffen zwischen Chefredaktion und Redaktionsvertretern“ gegeben, nach denen viele gehofft hätten, der Beitrag würde nicht erscheinen. „Denn für viele ist ein Punkt erreicht, an dem nicht nur Grenzen überschritten werden, sondern an dem sowohl journalistische Prinzipien, als auch Werte von Unternehmensgründer Axel Springer verraten werden.“

Im „krassen Widerspruch zu den Essentials von Axel Springer“

„Medieninsider“ liegt ein Schreiben des Redaktionsausschusses vor. Dieses Gremium hatte sich 2023 in Reaktion auf geleakte SMS von Axel-Springer-CEO Mathias Döpfner gegründet, in denen dieser den damaligen „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt bat, durch Berichterstattung die FDP zu stärken. Der Redaktionsausschuss versucht, die redaktionelle Unabhängigkeit der „Welt“ zu gewährleisten.

Der Ausschuss bezeichnet den Musk-Kommentar laut Medieninsider als eine „als Gastbeitrag getarnte Wahlwerbung für die in Teilen gesichert rechtsextreme Partei AfD“. Der Artikel und der redaktionelle Umgang damit stünden „auch im krassen Widerspruch zu den Essentials von Axel Springer“, nach denen „politischer und religiöser Extremismus und jede Art von Rassismus“ abzulehnen sei.

Weiter heißt, als Ausschuss halte man „die Veröffentlichung eines solchen Textes“ für „absolut nicht tragbar“ und „distanziere sich von einer solchen Veröffentlichung“.

Dem Schreiben des Redaktionsausschusses lag nach „Medieninsider“-Informationen eine Unterschriftenliste von mehr als 40 Redakteurinnen und Redakteuren bei, darunter prominente Redaktionsmitglieder wie Investigativchef Tim Röhn, der designierte Politikchef Klaus Geiger oder die Autorin Caroline Turzer. Auch die Kritik des stellvertretenden Chefredakteurs Robin Alexander habe das Erscheinen des Musk-Beitrags nicht stoppen können.

Wir werden „Die Welt“ noch entschiedener als Forum für solche Debatten entwickeln.

So heißt es in einem gemeinsamen Statement des noch aktuellen „Welt“-Gruppe-Chefredakteurs Ulf Poschardt und seines Nachfolgers Jan Philipp Burgard.

In der Führungsebene habe es offenbar Sorgen vor Musks Reaktion gegeben, sollte der bestellte Gastartikel zurückgezogen werden. Auch die „Welt“-Führungskräfte Ulf Poschardt und Jacques Schuster hätten sich von dem Artikel im Vorfeld distanziert. Die Initiative, Musk für einen Gastbeitrag anzufragen, sei auf „Welt“-Chefredakteurin Jennifer Wilton zurückzuführen, berichtet „Medieninsider“. Dass diese jedoch ohne redaktionelle Rückendeckung gehandelt hat, darf bezweifelt werden.

Der Konzernchef ist ein Musk-Freund

Auf Medienanfragen waren von Beteiligten keine Reaktionen zu erhalten. Ungeklärt ist in der Causa bisher die Rolle von Springer-CEO Döpfner. Der deutsche Manager und Musk kennen sich persönlich, Döpfner gilt als Musk-Bewunderer und hatte sich diesem 2022 angedient, um beim Umbau von X (damals noch Twitter) behilflich zu sein.

In der „Welt“-Redaktion halten es die Beschäftigten nach Informationen von Tagesspiegel und „Medieninsider“ für ausgeschlossen, dass der Fall ohne Döpfners Zutun stattgefunden hat. Nach Informationen des „Spiegel“ soll Springer-Chef Döpfner den Musk-Beitrag organisiert haben. Er soll demnach Musk kurz vor Weihnachten aufgefordert haben, einen Post auf der Plattform X näher auszuführen. In diesem hatte Musk erklärt, nur die AfD könne Deutschland retten.

Axel Springer-Chef Mathias Döpfner ist mit Musk gut bekannt.

© dpa/Sebastian Gollnow

Auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur zu der Genese des Beitrags und zum Umgang mit der internen Kritik antwortete der Medienkonzern Axel Springer mit einem gemeinsamen Statement des noch aktuellen „Welt“-Gruppe-Chefredakteurs Ulf Poschardt und seines Nachfolgers Burgard: „Die aktuelle Diskussion um den Text von Elon Musk ist sehr aufschlussreich. Demokratie und Journalismus leben von Meinungsfreiheit.“

Dazu gehöre es, sich auch mit polarisierenden Positionen auseinanderzusetzen und diese journalistisch einzuordnen. „Das wird auch künftig den Kompass der „Welt“ bestimmen. Wir werden „Die Welt“ noch entschiedener als Forum für solche Debatten entwickeln.“

Kritik vom Journalistenverband

In der Redaktion der „Welt“ scheint man bemüht, den Geist wieder in die Flasche zu kriegen. Am Abend veröffentlichte „Welt“ online einen Artikel von Franziska Zimmerer, Ressortleiterin Community & Social, der hart mit dem Musk-Kommentar ins Gericht geht: „Es handelt sich um einen unterkomplexen Wahlaufruf für die AfD, der ohne jedes Argument auskommt und dessen Autor es nicht einmal für nötig befunden hat, sich drei Minuten mit dieser Partei auseinanderzusetzen.“

Warum bei so vielen Gegnerinnen und Gegnern in der Redaktion der Musk-Beitrag dennoch erschien und wer sich letzten Endes wie durchsetzte, werden die nächsten Tage zeigen.

Die Verantwortlichen der ,Welt‘ haben alles falsch gemacht, was man falsch machen kann.

Mika Beuster, DJV-Bundesvorsitzender

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) protestierte gegen den „Freifahrtschein für den rechtspopulistischen Milliardär Elon
Musk“. In einer Mitteilung des Verbandes kritisierte der DJV-Bundesvorsitzende Mika Beuster: „Die Verantwortlichen der ,Welt‘ haben alles falsch gemacht, was man falsch machen kann.“

Er erwarte Konsequenzen innerhalb der „Welt“-Gruppe. „Journalismus lebt von Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit, die ,Welt‘ lebt von ihrem Renommee. All das wird gerade mit lautem Scheppern in die Mülltonne befördert.“

SPD-General Miersch rügt Springer-Verlag scharf

Der DJV-Vorsitzende ruft in dem Zusammenhang alle Redaktionen auf, sich im Bundestagswahlkampf nicht instrumentalisieren zu lassen und extrem sorgfältig mit Gastbeiträgen umzugehen. „Deutsche Medien dürfen sich nicht als Sprachrohr von Autokraten und deren Freunden missbrauchen lassen.“

SPD-Generalsekretär Matthias Miersch kritisierte den Springer-Verlag scharf. „Dass der Springer-Verlag Elon Musk überhaupt eine offizielle Plattform bietet, um Wahlwerbung für die AfD zu machen, ist beschämend und gefährlich“, sagte Miersch dem „Handelsblatt“. Der Vorgang zeige, „wie weit rechte Netzwerke inzwischen vorgedrungen sind“.

Auch den US-Unternehmer und künftigen Berater des designierten US-Präsidenten Donald Trump ging Miersch mit scharfen Worten direkt an. Es sei „inakzeptabel, dass ausländische Milliardäre versuchen, unsere politische Landschaft zu beeinflussen und dabei Parteien unterstützen, die unsere demokratischen Werte untergraben“, erklärte er in Richtung Musk. „Deutschland braucht keine Einmischung von außen und schon gar keine Unterstützung für rechtsextreme Positionen.“

Zugleich lobte Miersch das Verhalten von „Welt“-Redakteurinnen und -Redakteuren, die gegen die Veröffentlichung des Artikels protestiert hatten. „Die Reaktionen innerhalb der Redaktion der “Welt am Sonntag’ geben Hoffnung - sie zeigen, dass es auch in schwierigen Zeiten Journalistinnen und Journalisten gibt, die Verantwortung übernehmen und klar Haltung zeigen.„

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Unionsfraktionsvize Jens Spahn schrieb auf Englisch im Netzwerk X, die AfD wolle „die NATO verlassen, Nord Stream 2 reaktivieren, ist anti-amerikanisch, pro-Putin und pro Russland.“ An Musk gerichtet fragte Spahn: „Ist es das, was die USA wollen? Ein Deutschland, das sich Russland zuwendet und von den USA abwendet?“

Der Wahlkampfleiter der Grünen, Andreas Audretsch, teilte mit: „Tech-Milliardäre wie Elon Musk oder chinesische Staatskonzerne haben die Möglichkeit, mit ihren Plattformen und viel Geld unseren demokratischen Diskurs zu untergraben.“ Das sei eine Gefahr für die Demokratie und die Meinungsfreiheit.

FDP-Generalsekretär Marco Buschmann sagte gegenüber Bild: „Wer mit einer teils völkischen, fremdenfeindlichen und antisemitischen Partei kokettiert, taugt nicht als politisches Vorbild. Diese Partei will EU, Euro und NATO verlassen. Das ist wirtschafts- und sicherheitspolitischer Selbstmord.“

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph Ploß sagte ebenfalls gegenüber Bild: „Die AfD liebäugelt mit einem Austritt aus EU und NATO: Das geht gar nicht!“ (mit Agenturen)

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