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Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir zieht es zurück nach Baden-Württemberg.

© dpa/Philipp von Ditfurth

Update

Vom Bund ins Ländle?: Cem Özdemir will Ministerpräsident in Baden-Württemberg werden

In Umfragen liegen die Grünen im Südwesten weit hinter der CDU, doch mit Landwirtschaftsminister Özdemir soll jetzt die Aufholjagd gelingen. Die Hintergründe.

Stand:

Lange hat er gezögert, nun macht Cem Özdemir ernst: Der 58-jährige Grünen-Politiker will bei den Landtagswahlen 2026 in Baden-Württemberg als Spitzenkandidat für seine Partei antreten, um Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Amt zu folgen. Am Freitag, Punkt 12 Uhr, gab der Landwirtschaftsminister über den Nachrichtendienst X und andere soziale Netzwerke seine Kandidatur bekannt und verbreitete einen Brief an die Wählerinnen und Wähler im Südwesten.

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„Meine Entscheidung steht“, schreibt Özdemir. Er wollen den „lieben Mitbürgerinnen und Mitbürgern“ als Ministerpräsident dienen und „alles für dieses Land geben“.

Vom Landwirtschaftsminister zum Regierungschef im „Ländle“ – leicht wird das nicht. In den jüngsten Umfragen liegen die Grünen im Südwesten weit abgeschlagen hinter der CDU. Laut einer repräsentativen Befragung des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap im Auftrag des SWR kamen die Grünen Anfang Oktober auf nur noch 18 Prozentpunkte. Zum Vergleich: Bei der Landtagswahl 2021 hatten die Grünen mit Kretschmann 32,6 Prozent der Stimmen geholt.

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Popularität der Grünen: Stimmung im Ländle hat sich gedreht

Doch die Stimmung im Ländle scheint sich gedreht zu haben. Die CDU, die sich unter Fraktions- und Landeschef Manuel Hagel neu aufgestellt hat, liegt in Umfragen weit in Front. Auf 34 Prozentpunkte kommt der kleinere Koalitionspartner in aktuellen Umfragen. Für die Konservativen sind es die höchsten Zustimmungswerte seit 2016, für die Grünen dagegen die niedrigsten Zahlen seit 2010.

Doch im Lager der Grünen hofft man, dass mit Özdemir, der bis zum Ende der Legislaturperiode Landwirtschaftsminister bleibt, die Trendwende gelingen kann. Der Realo-Grüne, der in Bad Urach geboren und aufgewachsen ist, gilt als überaus beliebt im Südwesten. Bei der Bundestagswahl 2021 gewann Özdemir erstmals das Direktmandat im Wahlkreis Stuttgart I mit 40,0 Prozent der Stimmen - das beste Ergebnis für die Grünen bundesweit.

Mit Özdemir tritt einer der bekanntesten und erfahrensten Politiker für die Grünen an. 1994 wurde Özdemir als einer der ersten Abgeordneten mit türkischer Abstimmung erstmals in den Bundestag gewählt und war dort ab 1998 bis zu seinem Rücktritt 2002 wegen der privaten Verwendung dienstlich erworbener Bonus-Flugmeilen innenpolitischer Sprecher der Grünen.

Von 2004 bis 2009 war Özdemir dann Mitglied im Europaparlament, außerdem zwischen 2008 bis 2018 Parteivorsitzender der Grünen - erst an der Seite von Claudia Roth, später gemeinsam mit Simone Peter. Damit ist Özdemir der am längsten amtierende Vorsitzende in der Geschichte der Grünen.

Özdemir Eltern kamen als Gastarbeiter aus der Türkei

Seit 2021 ist Özdemir inzwischen Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft. Auf Drängen von Vizekanzler Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock setzte er sich damals gegen seinen Mitbewerber Anton Hofreiter durch. Özdemir, dessen Eltern in den 60er Jahren als Gastarbeiter nach Deutschland kamen, wurde damit der erste Bundesminister mit türkischem Migrationshintergrund.

Sollte ihm der Wahlsieg in Baden-Württemberg gelingen, würde Özdemir erneut Geschichte schreiben. Erstmals könnten die Grünen dann eine Staatskanzlei verteidigen und erstmals würde ein Ministerpräsident ins Amt kommen, der türkische Wurzeln hat. Sich selbst hat Özdemir in der Vergangenheit immer wieder scherzhaft als einen „anatolischen Schwaben“ bezeichnet.

Der schwätzt Schwäbisch und versteht die Leute.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hält Özdemir als Nachfolger für geeignet.

In seiner Partei befürchten manche, dass seine türkischen Wurzeln zu einem Nachteil werden könnten. „Ich habe schon Bedenken, ob er über die grüne Kernklientel hinaus so viel Stimmen kriegen kann, wie das Winfried Kretschmann getan hat“, sagte im Sommer etwa der frühere Freiburger Oberbürgermeister Dieter Salomon. Baden-Württemberg sei ein konservatives Land und er wisse nicht, wie alle Menschen hier so ticken.

Kretschmann hatte sich dagegen zuletzt für Özdemir ausgesprochen: „Der schwätzt Schwäbisch und versteht die Leute“, sagte er im September. Auf seiner traditionellen Sommertour absolvierte er in diesem Jahr zudem zwei Termine gemeinsam mit Özdemir.

Schätzen sich: Winfried Kretschmann und Cem Özdemir vor mehr als zehn Jahren.

© dpa

Auch politisch steht Özdemir dem amtierenden Ministerpräsidenten Kretschmann nahe. In der Migrationspolitik setzt er sich immer wieder von seiner Partei ab, zuletzt in einem Gastbeitrag für die „FAZ“, in dem er berichtete, dass seine Tochter in Berlin ständig mit sexuellen Belästigungen durch Migranten konfrontiert sei. Er forderte deshalb eine Reform in der Migrationspolitik und warb für eine klare Trennung zwischen Asyl und Arbeitsmigration, strengere Regelungen für Straftäter, eine Überarbeitung der Abschieberegeln sowie eine bessere Integration durch Sprache und Arbeit.

Lange hatte Özdemir jedoch gezögert, für eine Kandidatur zur Verfügung zu stehen. Mit Finanzminister Danyal Bayaz, bei dessen Hochzeit Özdemir Trauzeuge war, und dem Fraktionsvorsitzenden der Grünen in Baden-Württemberg, Andreas Schwarz, hatte es zeitweise weitere Interessierte gegeben.

Zudem hat sich Özdemir in seiner Karriere bislang noch nie intensiv mit der Landespolitik beschäftigt. Zwar nimmt er viele Termine im Südwesten wahr, lebt aber seit vielen Jahren mit seiner Familie in Berlin-Kreuzberg. Nun dürfte aber bald ein Umzug anstehen.

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