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Ein ukrainischer Soldat im schneebedeckten Schützengraben an der Front in der von Russland besetzten Ostukraine.

© dpa

Kriegsgefahr in der Ukraine: So könnte der Westen Putin stoppen

Putin testet den Westen mit Drohgebärden. Vereint können Europa und die USA ihn von seinen Plänen abhalten: mit entschiedenen Maßnahmen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Corona dominiert die Gedanken und Gefühle. Das ist verständlich. Aber stumpft die Dauerbeschäftigung die Gemüter so sehr ab, dass nicht einmal Kriegsgefahr in Europa die deutsche Politik aus dieser Gefangenschaft ihres Bewusstseins befreien kann?

Das testet Wladimir Putin gerade. 2000 Kilometer östlich von Berlin lässt er Truppen aufmarschieren und legt in der Propaganda die gleichen Platten auf wie vor den Angriffen auf die Krim und die Ostukraine: Russische Landsleute seien dort bedroht; er werde ihre Rechte verteidigen.

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Kaum jemanden in Berlin scheint das zu bewegen. Die Regierung und ihre Außenpolitiker sagen, sie seien alarmiert. Aber sie tun nichts, was ihren Bürgerinnern und Bürgern oder einem Putin das Gefühl geben könnte, dass sie wirklich alarmiert sind und die Eskalation ernst nehmen.

Das ist das eigentliche Problem.

Niemand kennt Putins Absichten genau

Aus der Ferne lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, was Putin beabsichtigt. Will er die Ablenkung durch Corona nutzen, um die Großstadt Mariupol und einen Landkorridor zur Krim zu erobern und so die Wasserversorgung der besetzten Halbinsel zu sichern? 2014 hatten ihn internationale Proteste und Sanktionen gezwungen, diese strategischen Geländegewinne abzubrechen.

Angela Merkel hat Wladimir Putin in einem Telefonat zur Deeskalation aufgerufen.
Angela Merkel hat Wladimir Putin in einem Telefonat zur Deeskalation aufgerufen.

© dpa

Oder möchte er die Reaktion des neuen US-Präsidenten Joe Biden testen? Eventuell geht es ihm auch nur um eine innenpolitische Machtdemonstration im Wahljahr.

Die Devise des Kreml: Mal sehen, was geht

Womöglich hat Putin selbst noch nicht entschieden, was sein nächster Zug ist. Er hält sich alle Optionen offen. Seit Jahren handelt er nach der Devise: Mal sehen, was geht.

Auf eines darf man deshalb bauen. Was er am Ende tut, hängt auch davon ab, wie Deutschland, Europa und die USA reagieren. Oder eben nicht. Er kalkuliert Kosten, Nutzen und Risiken seines Vorgehens.

Darum wäre es fatal, wenn er aus der hiesigen Corona-Lethargie den Schluss zöge: Es ist denen egal, ob ich einmarschiere oder nicht. Eben das würde die Kriegsgefahr, die derzeit noch eine potenzielle ist, erhöhen.

Europa und die USA haben viele Optionen - wenn sie einig sind

Was können Deutschland, Europa und die USA tun, damit Putin es bei Drohgebärden belässt und keinen Angriff riskiert? Entschlossenheit und Geschlossenheit zeigen. Und das breite Instrumentarium von Sanktionsdrohungen bis zur Unterstützung der Ukraine nutzen, die dem Westen zur Verfügung steht.

In der Praxis ist das freilich nicht so einfach. Zwar sind die EU und die USA wirtschaftlich 15 Mal so stark wie Russland. Aber solange sie sich nicht einig sind über Mittel und Maß, fühlt Putin sich sicher.

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Die deutsche Reaktion wirkt auf die USA unentschlossen. Joe Biden hat wegen Putins Aufmarsch mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj telefoniert und ihm Unterstützung zugesichert, auch Militärhilfe. Darin sehen viele Deutsche eine gefährliche Eskalation.

Auch Waffenlieferungen können Frieden sichern

Die USA haben gewiss nicht vor, die Ukraine mit ihren Soldaten zu verteidigen. Sie gehört nicht zur Nato. Aber aus Sicht ihrer Experten können Waffenlieferungen bei der Friedenssicherung helfen. Pro-russische Panzereinheiten, sagen sie, zogen sich einige Kilometer hinter die Front zurück, als sie erfuhren, dass die USA der Ukraine Panzerabwehr geliefert haben.

Alle wissen, die Ukraine kann einen offenen Krieg gegen Russland nicht gewinnen, selbst mit beträchtlicher westlicher Hilfe. Aber der Westen kann die potenziellen Kosten eines russischen Angriffs erhöhen und Putin so abschrecken. Särge Gefallener sind keine Hilfe im Wahljahr. Das russische Volk weiß zudem: Jeder Rubel, der in einen Ukrainekrieg fließt, fehlt bei der eigenen Versorgung.

Auch Wirtschaftssanktionen entfalten ihre stärkste Wirkung, wenn man sie androht. Die Palette ist ebenfalls da breit: Nord Stream auf Eis legen, Bankkonten russischer Funktionäre einfrieren, die beim Krieg in der Ukraine mitwirken, oder gar Russland vom internationalen Zahlungsverkehr im Swift-System ausschließen.

Putin testet den Westen, immer wieder. Das Beruhigende an Tests ist, ob in der Pandemie, der Schule oder in internationalen Krisen: Man kann sie bestehen.

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