Politik: Kritik an Italiens Handel mit Entführern
Rom - Zwei Tage nach der Freilassung des Journalisten Daniele Mastrogiacomo aus der Geiselhaft der Taliban sieht sich die italienische Regierung wachsender Kritik ausgesetzt. Die USA, Großbritannien und die Niederlande haben die Freilassung von fünf Talibankämpfern offen kritisiert.
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Rom - Zwei Tage nach der Freilassung des Journalisten Daniele Mastrogiacomo aus der Geiselhaft der Taliban sieht sich die italienische Regierung wachsender Kritik ausgesetzt. Die USA, Großbritannien und die Niederlande haben die Freilassung von fünf Talibankämpfern offen kritisiert. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte bereits bei ihrem Rombesuch vor zwei Tagen klargemacht, daß Deutschland nicht zu Verhandlungen über die Freilassung der zwei im Irak festgehaltenen Geiseln bereit sei. Besonders irritiert zeigte sich das Foreign Office in London – einer der entlassenen Taliban soll für den Tod eines britischen Soldaten verantwortlich sein.
Auch in der italienischen Regierung sind die Modalitäten der Geiselbefreiung keineswegs unumstritten. „Italien hat all seine internationale Glaubwürdigkeit verloren“, sage der ehemalige Außenminister Gianfranco Fini. Die Situation in Afghanistan habe sich durch den Gefangenenaustausch komplett geändert. Die Zustimmung zur Finanzierung der italienischen Mission sei nicht mehr sicher, fügte Fini hinzu. Prodi benötigt die Unterstützung der Opposition bei der Abstimmung am 27. März, weil seine Koalition im Senat nur eine knappe Mehrheit besitzt.
Verteidigungsminister Arturo Parisi, der vergeblich auf einer Abstimmung mit den Nato-Partnern bestanden hatte, ärgerte vor allem, dass Premier Romano Prodi die Verhandlungen der Hilfsorganisation Emergency überließ, die in Afghanistan drei Krankenhäuser betreibt. Der in Italien populäre Emergency-Chef Gino Strada, der George Bush schon mal mit Osama bin Laden vergleicht, hatte jede Zusammenarbeit mit dem Geheimdienst abgelehnt. Dass der militante Pazifist Strada den befreiten Journalisten in seinem Krankenhaus medienwirksam in die Arme schließen konnte, löste im Verteidigungsministerium Verärgerung aus. Wenige Stunden nach der Freilassung nahm der afghanische Geheimdienst den Personalchef des Krankenhauses fest, der die Verhandlungen geführt hatte.
Italienische Zeitungen mutmaßten, die Zahl der freigelassenen Taliban sei doppelt so hoch wie offiziell verkündet. Auch der Verbleib von Mastrogiacomos Dolmetscher ist ungeklärt. Nach Auskunft des Krisenstabs im römischen Außenministerium soll er sich in den Händen des afghanischen Geheimdienstes befinden. Der von Prodi unter massiven Druck gesetzte afghanische Präsident Hamid Karsai stellte indes klar, daß die Freilassung der Talibanhäftlinge ein „einmaliger Akt“ sei.
Gerhard Mumelter
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