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Die Essener Tafel will keine nichtdeutschen Neukunden mehr aufnehmen - und wird dafür kritisiert.

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Kritik an Tafel-Aufnahmestopp für Ausländer: Grenzen des Sozialstaates

Der Aufnahmestopp für Ausländer bei einer Essener Tafel wird von vielen Seiten kritisiert. "Bedürftigkeit muss das Maß sein, nicht der Pass", sagt Familienministerin Katarina Barley (SPD).

Nachdem die Essener Tafel entschieden hat, zunächst keine Migranten neu aufzunehmen, ist eine Diskussion über die Aufgaben des Sozialstaats entbrannt. „Die Tafeln sind Lückenbüßer dafür, dass staatliche Leistungen nicht reichen“, sagte Michael Spörke vom nordrhein-westfälischen Landesverband des Sozialverbands Deutschland am Freitag. Unzureichende Hilfen seien Ursache des Andrangs. Das Eigeninteresse der Bedürftigen, etwas zu bekommen, sei hoch.

Am Donnerstag hatte Jörg Sator, Vereinsvorsitzender der Essener Tafel, öffentlich gemacht, dass seine Einrichtung seit Mitte Januar keine Migranten neu in die Kartei aufnähme. Als Begründung führte er an, dass der Anteil der „ausländischen Mitbürger bei unseren Kunden“ auf 75Prozent angestiegen sei. Dadurch seien in den vergangenen zwei Jahren vor allem bedürftige ältere Frauen und alleinerziehende Mütter verdrängt worden.

„Eine Gruppe pauschal auszuschließen, passt nicht zu den Grundwerten einer solidarischen Gesellschaft. Das fördert Vorurteile und Ausgrenzung“, sagte Familienministerin Katarina Barley (SPD) am Freitag dem Tagesspiegel. Sie ist in ihrem Amt automatisch Schirmherrin der Tafeln. Diese leisteten in Deutschland einen wertvollen Beitrag bei der Unterstützung „der Schwächsten in unserer Gesellschaft“. Klar sei aber: „Bedürftigkeit muss das Maß sein und nicht der Pass.“ Barley hob besonders die Arbeit der vielen ehrenamtlich Engagierten hervor, die mit großem Einsatz arbeiteten.

Wohlfahrtsverbände warnen vor einer Verschiebung der Aufgaben

Wohlfahrtsverbände warnten wegen der steigenden Nachfrage nach Hilfsangeboten wie den bundesweit arbeitenden Tafeln vor einer Verschiebung der Aufgaben. „Soziale Initiativen wie die Tafeln können die Aufgaben des Sozialstaates nur ergänzen, aber das karitative Handeln des Staates nicht ersetzen“, sagte Christian Heine-Göttelmann, Vorsitzender der Freien Wohlfahrtspflege NRW.

Durch die Flüchtlinge würden verdeckte Probleme erst sichtbar. Er nannte den niedrigen Regelsatz von Hartz-IV-Empfängern, die deshalb auf gespendete Lebensmittel angewiesen seien. Auch der kaum bezahlbare Wohnraum – weil der soziale Wohnungsbau im Land vernachlässigt werde – sei ein Beispiel für das mangelnde Engagement des Staates. Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Ulrich Schneider, sprach am Freitag im Zusammenhang mit der Essener Entscheidung von einer „ethnischen Diskriminierung“, die sofort beendet werden müsse. Auch er mahnte die Politik, Ziel müsse es sein, die Tafeln überflüssig zu machen. „Die Tafeln sind lediglich die Antwort auf das armutspolitische Versagen in diesem reichen Land.“

Die Bundesregierung hat sich zu dem umstrittenen Aufnahmestopp nicht explizit geäußert. Die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer wollte am Freitag nicht auf den konkreten Fall eingehen. Allgemein erinnerte sie aber daran, „dass Deutschland ein Land der Mitmenschlichkeit ist und in diesem Land jedem, der bedürftig ist, geholfen werden sollte“.

Deutschlandweit gibt es rund 930 Tafeln, die überschüssige Lebensmittel sammeln und damit bis zu 1,5Millionen Menschen versorgen. Für die Sammlung und Verteilung sind mehr als 60000 ehrenamtliche Helfer aktiv. Die bundesweit erste Tafel wurde vor 25 Jahren in Berlin gegründet. In Nordrhein-Westfalen gibt es aktuell rund 170 Tafeln. (mit dpa)

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