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Boris Pistorius (SPD).

© dpa/Julian Stratenschulte

Update

„Sehr überraschend gekommen“: Scholz informierte Pistorius erst am Montag über die Entscheidung

Niedersachsens derzeitiger Innenminister wird künftig dem Verteidigungsministerium vorstehen. Pistorius gilt als erfahrener Politmanager. Kritik für die Entscheidung kommt derweil von der Union.

| Update:

Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) wird neuer Verteidigungsminister. Bundeskanzler Olaf Scholz werde den 62-Jährigen ins Bundeskabinett berufen, teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Dienstag mit.

Am Donnerstag werde Pistorius dann von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vereidigt, so Hebestreit weiter. Pistorius werde seine Ernennungsurkunde erhalten und im Bundestag seinen Amtseid leisten.

Zuvor hatten die dpa und zahlreiche Medien über die Personalie unter Berufung auf Regierungskreise berichtet. Pistorius folgt auf Christine Lambrecht, die am Montag nach zahlreicher Kritik ihr Amt in einer schriftlichen Erklärung niedergelegt hatte.

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Pistorius kündigte nach Bekanntwerden der Entscheidung eine enge Zusammenarbeit mit den Soldatinnen und Soldaten bei der Reform der Bundeswehr an. Er wolle die Bundeswehr „stark machen für die Zeit, die vor uns liegt“, sagte Pistorius in Hannover.

Er wurde demnach erst am Montag von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gebeten, das Amt zu übernehmen. Dies sei für ihn „sehr überraschend“ gekommen.

Pistorius: „Demut und Respekt“

Er habe „Demut und Respekt vor einer so gewaltigen Aufgabe“, sagte Pistorius. „Die Aufgaben, die vor der Truppe liegen, sind gewaltig.“ Er wolle sich „vom ersten Tag an mit 150 Prozent in diese Aufgabe reinstürzen“.

Die Bundeswehr müsse sich „auf eine neue Situation einstellen, die mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine entstanden ist“, sagte Pistorius. „Mir ist wichtig, die Soldatinnen und Soldaten ganz eng in diesem Prozess zu beteiligen und sie mitzunehmen“. Die Truppe könne sich darauf verlassen, „dass ich mich, wann immer es nötig ist, vor sie stellen werde“. Pistorius betonte, als langjähriger Innenminister in Niedersachsen sei er „immer sehr dicht dran“ an Bundeswehr-Fragen gewesen. Er verwies dabei unter anderem auf die Zusammenarbeit mit dem Militär im Katastrophenschutz.

Scholz lobt Pistorius als einen „herausragenden Politiker“

Kanzler Scholz lobte den künftigen Verteidigungsminister als „herausragenden Politiker unseres Landes“. „Pistorius ist ein äußerst erfahrener Politiker, der verwaltungserprobt ist, sich seit Jahren mit Sicherheitspolitik beschäftigt und mit seiner Kompetenz, seiner Durchsetzungsfähigkeit und seinem großen Herz genau die richtige Person ist, um die Bundeswehr durch diese Zeitenwende zu führen“, hieß in einer Erklärung.

Regierungssprecher Hebestreit erklärte, dass Scholz nach Lambrechts Rücktritt mit der SPD-Partei- und Fraktionsführung eng über die Nachfolge beraten und sich für Pistorius als neuen Verteidigungsminister entschieden habe. In den vergangenen Tagen waren mehrere andere Namen als mögliche Nachfolger genannt worden, darunter Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt, SPD-Chef Lars Klingbeil und die Wehrbeauftragte Eva Högl.

Mit der Ernennung von Pistorius ist das Bundeskabinett nicht mehr paritätisch besetzt, Männer sind nun in der Mehrzahl. Die Frauenorganisation der SPD hatte sich zuvor für einen Erhalt der Geschlechterbalance bei den Ministerposten ausgesprochen. Auch für den Posten gehandelt wurde neben Högl die parlamentarische Staatssekretärin im Verteidigungsministerium Siemtje Möller.

Lob von Regierungsparteien

Finanzminister Christian Lindner gratulierte Pistorius zu seinem neuen Amt. In einem Tweet sprach der FDP-Chef am Dienstag von seinem „neuen Kabinettskollegen Boris Pistorius“.

„Vor allem mit der Umsetzung des Sondervermögens liegt eine große Aufgabe vor uns“, schrieb Lindner. Er freue sich auf eine gute Zusammenarbeit von Finanz- und Verteidigungsministerium. 

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FDP-Fraktionschef Christian Dürr lobte die Entscheidung ebenfalls. „Ich bin davon überzeugt, dass er der richtige Mann für das Amt des Verteidigungsministers ist“, sagte er dem Nachrichtenportal t-online. Er kenne ihn aus seiner Zeit im niedersächsischen Landtag und habe ihn als Innenminister dort stets geschätzt.

„Herr Pistorius hat langjährige Erfahrung mit der Struktur unserer Sicherheitsbehörden, zudem war er selbst bei der Bundeswehr. Ich bin davon überzeugt, dass er der richtige Mann für das Amt des Verteidigungsministers ist und die Zeitenwende mit Leben füllen kann“, sagte Dürr. 

Auch SPD-Politikerin und EU-Vizepräsidentin Katarina Barley lobte die Entscheidung, Pistorius zum Verteidigungsminister zu machen. Sie bezeichnete ihren Parteigenossen auf Twitter als „einer unserer Besten.“ „Das hat die Bundeswehr verdient und unser Land nötig in diesen schwierigen Zeiten. Ich freue mich für die Truppe und für ihn“, schrieb Barley weiter.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sieht den künftigen Verteidigungsminister als geeignet für das neue Amt an. „Boris Pistorius ist ein sehr erfahrener Politiker, der in schwierigen Situationen über die nötige Nervenstärke verfügt“, hieß es in einer Mitteilung des Vizekanzlers am Dienstag. Er habe Pistorius immer als verbindlich und verlässlich erlebt.

Der künftige Verteidigungsminister übernehme das Amt in sehr entscheidenden Zeiten, betonte Habeck mit Blick auf den Angriff Russlands auf die Ukraine. Die Vorzeichen für die Sicherheits- und Verteidigungspolitik hätten sich geändert. Es seien auch kurzfristig wichtige Entscheidungen zu treffen. Zuvor hatte Habeck jedoch erklärt, er gehe von einer Frau als Nachfolgerin für Lambrecht aus.

Der Präsident des Verbandes der Reservisten der Bundeswehr, Patrick Sensburg, begrüßte die geplante Ernennung Pistorius. Pistorius sei in Niedersachsen „ein erfahrender Innenminister und kennt Menschenführung“, sagte Sensburg der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ am Dienstag.

„Er ist durchsetzungsfähig und hat sich bisher schon intensiv mit den Sicherheitsfragen unseres Landes beschäftigt.“ Er sei sich „sicher, dass er sich schnell in die verteidigungspolitischen Details einarbeiten wird“, sagte Sensburg weiter. Er begrüßte, „dass nun ein Reservist an der Spitze des Ministerium steht, der schon lange gute und intensive Kontakte zur Reserve in Niedersachsen hat“.

Union bemängelt „Besetzung aus der B-Mannschaft“

Aus der Union hingegen kommt Kritik an der Entscheidung für Pistorius. „Der Bundeskanzler zeigt damit, dass er seine eigene Zeitenwende nicht ernst nimmt“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Johann Wadephul (CDU), der Deutschen Presse-Agentur. „Erneut spielen Sachkompetenz und Erfahrung mit der Bundeswehr keine Rolle“, kritisierte Wadephul. Bei der Personalie handle es sich um eine „Besetzung aus der B-Mannschaft“.

Damit sei Kanzler Scholz „eine echte Überraschung gelungen. Nur leider keine gute.“ Um die Bundeswehr voranzubringen, braucht es nach den Worten des CDU-Politikers nicht nur Geld, sondern auch Sachverstand. „Angesichts der Lage wird Boris Pistorius keine 100 Tage Einarbeitung haben können“, betonte Wadephul. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion biete dem neuen Minister die Zusammenarbeit an, werde seine Arbeit jedoch kritisch begleiten, kündigte Wadephul an.

Pistorius wurde schon länger für Posten auf Bundesebene gehandelt

Pistorius ist Mitglied des SPD-Parteivorstandes und wurde bereits mehrfach für Posten auf Bundesebene gehandelt. Der niedersächsische Innenminister gilt als erfahrener Politmanager. Im Kreis der Innenminister von Bund und Ländern hat sich Pistorius in den vergangenen Jahren einen Ruf als kenntnisreicher Fachpolitiker erworben. Auch wenn er stets in Niedersachsen blieb, war er an der innenpolitischen Positionierung der Bundes-SPD in Wahlkämpfen und an Koalitionsverhandlungen beteiligt.

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Bei den Innenministerkonferenzen machte es dem als pragmatisch geltenden Pistorius immer sichtlich Freude, sich mit Konservativen wie dem früheren Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) auf offener Bühne zu streiten, schlagfertig, mit spitzen Bemerkungen, aber nie respektlos.

Zur Idealbesetzung für den Posten des Verteidigungsministers macht Pistorius vielleicht auch sein Alter. Mit 62 Jahren kann ein Politiker schließlich ganz entspannt das Chefbüro im Bendlerblock beziehen, das gemeinhin als Schleudersitz und damit auch als potenzieller Karrierekiller gilt.

Pistorius wurden immer wieder Ambitionen für ein politisches Amt auf Bundesebene nachgesagt. Es gab beispielsweise Gerüchte, er könnte Bundesinnenminister werden, sofern Nancy Faeser bei der Landtagswahl in Hessen als Spitzenkandidatin für die SPD antritt. Aus Regierungskreisen hieß es, die Kabinettsumbildung beschränke sich auf das Verteidigungsministerium.

Wie Lambrecht ist Pistorius Jurist. Außerdem leistete er nach seiner Ausbildung als Großhandelskaufmann seinen Wehrdienst von 1980 bis 1981 ab. Der SPD-Politiker ist seit 2013 niedersächsischer Innenminister. Seit 2017 gehört er dem Landtag in Hannover an. (Reuters, dpa, Tsp)

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