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Ein Bus mit Flüchtlingen aus Landshut kommt vor dem Kanzleramt in Berlin an. Der Landshuter Landrat Peter Dreier (Freie Wähler) hatte am Donnerstag einen Bus mit 31 Flüchtlingen zum Kanzleramt nach Berlin auf die Reise geschickt.

© dpa

Update

Landrat schickt Flüchtlinge von Landshut nach Berlin: Die Berliner Politik tobt

Landrat Peter Dreier schickte 31 Flüchtlinge von Bayern in die Hauptstadt um gegen Angela Merkels Flüchtlingspolitik zu protestieren. Die Berliner Politik ist außer sich.

Aus Protest gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung hat der Landshuter Landrat Peter Dreier (Freie Wähler) einen Bus mit 31 Flüchtlingen zum Bundeskanzleramt geschickt. Der Bus aus Niederbayern traf am Donnerstagabend vor dem

Kanzleramt, dem Amtssitz von Angela Merkel (CDU) in Berlin ein. Er hatte nach Angaben des Landrates Verspätung, weil bei einer Toilettenpause ein Flüchtling auf einer Autobahnraststätte vergessen worden war. Der Bus musste deshalb umkehren. Die Flüchtlinge - alles anerkannte Asylbewerber aus Syrien - wurden am Kanzleramt von einem Vertreter der zuständigen Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales im Empfang genommen. In Absprache mit dem Bundeskanzleramt will der Berliner Senat fürs erste für die Unterbringung der Männer sorgen. Dreier sagte am Abend am Bus vor dem Bundeskanzleramt, er wolle mit der Aktion ein Zeichen gegen "Ignoranz" in der Flüchtlingskrise setzen. Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte, für die Unterbringung von Flüchtlingen seien Länder und Kommunen zuständig. Die CSU warf Dreier eine "unverantwortliche" PR-Aktion vor.

Flüchtlinge werden die Nacht in Berlin verbringen

"Die staatliche Aufgabenverteilung sieht vor, dass die Länder und Kommunen für die Unterbringung von Flüchtlingen zuständig sind. Berlin hat im vorliegenden Fall dankenswerterweise zugesagt, den Flüchtlingen für heute Nacht eine erste Unterbringung anzubieten", teilte der Regierungssprecher Steffen Seibert am Donnerstagabend mit. Die Bundesregierung wisse um die Belastungen für Länder und Kommunen, man würde jedoch finanzielle Unterstützung leisten und bereits in Wohnungsbau investieren. Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller (SPD) sagte der Deutschen Presse-Agentur am Rande der Eröffnungsfeier zur Grünen Woche: "Das ist eine Form von Entsolidarisierung.". Der Landkreis wolle die Verantwortung auf Berlin abwälzen. „Ich erwarte, dass die Bundesregierung da noch klare Worte findet an die bayerische Landesregierung.“

Berliner Senatsverwaltung tobt

Der Sprecher der Berliner Senatsverwaltung für Soziales, Sascha Langenbach, sprach am Abend von einem beispiellosen Vorgang, wie auf dem Rücken von Flüchtlingen unverantwortliche Politik gemacht werde.

"Die Flüchtlinge sind mit dem Versprechen in die Busse gelockt worden, dass sie in Berlin Wohnungen bekommen würden", sagte Langenbach. In Landshut seien sie in einer Gemeinschaftsunterkunft in einem ehemaligen Telekom-Gebäude untergebracht gewesen. Da es sich um anerkannte Flüchtlinge gehandelt habe, hätte man sich auch in Berlin um sie gekümmert und sie auf die Bezirke verteilt. Allerdings hatten viele von ihnen laut Langenbach keine Pässe dabei; diese seien noch bei der Ausländerbehörde in Bayern. Die Sozialverwaltung hat laut Langenbach einen Anruf vom Bundeskanzleramt bekommen mit der Bitte, die Flüchtlinge vorerst unterzubringen. Sie wurden jetzt in eine Unterkunft in Hohenneuendorf gebracht. Von dort werden sie morgen wieder nach Bayern fahren.

Unterbringung in Pension

Landrat Dreier nannte die Reise nach Berlin eine „Verzweiflungsaktion“. Es gehe schlicht darum, den Flüchtlingen Wohnungen zu besorgen, die sein Landkreis nicht mehr zur Verfügung stellen könne, sagte er nach der Ankunft vor Journalisten. Daher sei er nach Berlin gefahren, weil die Bundespolitik für die Situation verantwortlich sei.

Eine Unterbringung in einer Notunterkunft hätten jedoch sowohl die Flüchtlinge als auch der Landrat abgelehnt, sagte ein Sprecher der Berliner Senatsverwaltung. Deshalb habe man den Männern kurzfristig eine Pension im Norden von Berlin besorgt. Mehrere Flüchtlinge hätten jedoch ihre Pässe nicht dabei, außerdem hätten sie offenbar auf bessere Unterkünfte gehofft. Es sei damit zu rechnen, dass mehrere am Freitag wieder zurückfahren würden.

Peter Dreier: Aktion ist privat bezahlt

Der Landkreis Landshut teilte mit, der Flüchtlingstransport nach Berlin solle "ein Zeichen setzen, dass es so wie bisher in der Flüchtlingspolitik nicht weitergehen darf". Die "Kapazitäten an menschenwürdigen Unterbringungsmöglichkeiten" gingen "rapide zur Neige". Dreier selbst erklärte, er "sehe nicht, dass bislang neue Wohnungen für die Zuwanderer gebaut worden wären". Die ausgewählten Syrer sind anerkannte Flüchtlinge und könnten sich eigene Wohnungen suchen. Als der Bus am Kanzleramt eingetroffen war, zeigte sich Dreier enttäuscht, dass er nicht "zumindest einen Ansprechpartner" vorgefunden habe. Zur Finanzierung der Aktion sagte er, der Bustransport sei privat bezahlt worden und auch die Unterbringung der Syrer in Berlin werde "in den nächsten Tagen" privat übernommen - "auf keinen Fall von Steuergeldern".

Freie Wähler für restriktive Flüchtlingspolitik bekannt

"Die Stimmung hier im Bus ist gelöst und erwartungsfroh", sagte Elmar Stöttner am Telefon, während es drumherum ziemlich laut ist und viele Menschen reden. Peter Dreier, Landrat im niederbayerischen Landshut und Parteimitglieder der Freien Wähler (FW), hat seine Ankündigung vom vergangenen Oktober heute wahr gemacht. "Wir schaffen es nicht", hatte er an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geschrieben. Und gedroht, dass er, wenn mehr als die rechnerisch auf den Landkreis fallenden 1800 Flüchtlinge einträfen, alle weiteren "alle weiteren nach Berlin zum Kanzleramt" schicken werde.

„Ein Ende der Flüchtlingswellen ist überhaupt nicht in Sicht, die Kapazitäten an menschenwürdigen Unterbringungsmöglichkeiten in unserem Land gehen rapide zur Neige und ich sehe nicht, dass bislang neue Wohnungen für die Zuwanderer gebaut worden wären“, sagte der Landrat.

Mit dem Landrat will auch Freien-Wähler-Chef Hubert Aiwanger dabei sein. Dies sei ein "dringend benötigtes Signal an die Bundesregierung", sagt er. Endlich begehrten die Kommunen gegen die "gescheiterte schwarz-rote Asylpolitik" auf.  In Bayern fahren die Freien Wähler schon seit längerem einen restriktiven Kurs in der Flüchtlingspolitik.

Die Flüchtlinge machen aus freien Stücken mit

Landrats-Sprecher Stöttner  verweist darauf, dass alle Asylberechtigten im Bus aus freien Stücken bei der Protest-Reise mitmachen. 51 haben sich dafür gemeldet, heute Vormittag waren 31 von ihnen da. Trotz der Anerkennung ihres Asylantrages ist ihre Lage in Landshut misslich. "Es ist praktisch aussichtslos, dass sie auf dem Mietmarkt Wohnungen bekommen", so Stöttner.

Als ich heute Morgen gelesen habe, dass Flüchtlinge zum Kanzleramt gebracht werden, musste ich schallend lachen. Eine gute Idee vom Landrat. Was soll er denn sonst machen, wenn die Kapazitäten erschöpft sind?

schreibt NutzerIn jessica86

Darauf baut die Argumentation von Landrat Dreier auf: Die Flüchtlinge bleiben in den Asylunterkünften, um nicht obdachlos zu werden. Damit verstopfen sie diese aber gleichermaßen, der Landkreis weiß nicht mehr, wo er die weiterhin vielen neu eintreffenden Asylbewerber unterbringen soll. Die Kapazitäten für Unterbringungen gingen "rapide zu Neige", sagt Dreier, und er sehe nicht, dass bislang neue Wohnungen gebaut würden.

Ist das Bundeskanzleramt neuerdings für den (unterbleibenden) Wohnungsbau in der bayerischen Provinz zuständig? Wenigstens die Flüchtlinge werden sich über die Abwechslung freuen. Mit sonstigen Integrationsbemühungen scheint man sie ja nicht zu behelligen.

schreibt NutzerIn heiko61

Die Landtags-Grünen kritisieren die Bus-Aktion des Landkreises. "Das ist sehr populistisch", sagt die Asyl-Expertin Katharina Schulze gegenüber dieser Zeitung, "die Flüchtlinge werden instrumentalisiert." Der Landrat sollte sich lieber um die Integration kümmern, außerdem sollte der Wohnungsbau massiv erhöht werden. "Flüchtlinge nach Berlin zu karren", so Schulze, "ist aber nicht zielführend."

Die Kollegen Sabrina Markutzyk und Johannes Laubmeier berichten von der Ankunft der Flüchtlinge via Periscope. Hier kommen Sie zur Übertragung: https://www.periscope.tv/jfxlaubmeier.

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