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Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) will im Falle von Neuwahlen in Nordrhein-Westfalen als Spitzenkandidat der CDU antreten.

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Update

Haushalt abgelehnt: Landtag in Nordrhein-Westfalen aufgelöst

Einstimmig hat der nordrhein-westfälische Landtag seiner Auflösung zugestimmt. Damit ist der Weg für Neuwahlen im Mai frei.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) befürwortet eine Neuwahl in Nordrhein-Westfalen und sieht die Bundesebene von dem Scheitern der dortigen rot-grünen Minderheitsregierung unberührt. "Die Arbeit auf der Bundesebene ist völlig unabhängig von der Arbeit in den Ländern", sagte Merkel am Mittwoch in Berlin. "Wenn es in Nordrhein-Westfalen zu Neuwahlen kommen sollte, dann glaube ich, ist das gut und richtig, dass wir dort nicht mehr eine Minderheitenregierung haben." Die Bürger des bevölkerungsreichsten Bundeslandes sollten eine stabile Regierung haben, die eine solide Haushaltsführung habe, an die Zukunft denke und nicht Möglichkeiten des Landes dadurch verbaue, dass immer wieder neue Schulden gemacht würden, sagte Merkel.

Die FDP-Bundespartei unterstützt den Kurs ihres Landesverbandes, der voraussichtlich zu einer Neuwahl in Nordrhein-Westfalen führen wird. „Es ist kein Makel, für seine Überzeugungen so ein Risiko einzugehen“, hieß es in Kreisen der FDP-Führung in Berlin am Mittwoch gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Die NRW-FDP sei der größte und schlagkräftigste Landesverband der Liberalen und werde mit großem Kampfgeist in eine Neuwahl gehen. In der Partei waren aber auch kritische Stimmen zu hören. Die nordrhein-westfälische FDP habe ihr Blatt überreizt. Mit drei Landtagswahlen im Saarland, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen würde sich die Lage verschärfen, hieß es. Laut Umfragen droht der FDP, aus allen drei Landtagen zu fliegen. Auch im Bund liegt die Regierungspartei derzeit nur bei rund drei Prozent.

In der SPD gibt man sich optimistisch. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sieht Rot-Grün bei Neuwahlen in NRW klar vorn. Er sei sicher, dass die Nordrhein-Westfalen SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und ihre rot-grüne Landesregierung „mit deutlicher Mehrheit im Amt bestätigen“, sagte Steinmeier am Mittwoch in Berlin. Kraft habe in den vergangenen zwei Jahren erfolgreich regiert, die „unsolide Haushaltspolitik“ der schwarz-gelben Vorgängerregierung beendet, die Schulpolitik modernisiert, die Kommunen gestärkt und einen „dialogorientierten Stil in der Landespolitik etabliert“. CDU, FDP und Linkspartei hätten dagegen am Mittwoch „erneut ihre Unfähigkeit unter Beweis gestellt, Verantwortung für Nordrhein-Westfalen zu übernehmen“, sagte Steinmeier.

Die SPD-Fraktion will den Düsseldorfer Landtag auflösen lassen. Auf einen entsprechenden Antrag habe sich die Fraktion am Mittwoch in einer Sitzung verständigt, sagte ein Fraktionssprecher. Sollte das Parlament dem Antrag zustimmen, müsste es innerhalb von 60 Tagen Neuwahlen geben.

Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) will im Falle von Neuwahlen in Nordrhein-Westfalen als Spitzenkandidat der CDU antreten. Er posierte direkt vor einem Wahlplakat, das die CDU schnell vor den Landtag gefahren hat. Auf eine Frage nach seiner Bereitschaft zur Spitzenkandidatur antwortete Röttgen am Mittwoch in Düsseldorf vor Journalisten mit „Ja“. Röttgen, der auch CDU-Landesvorsitzender ist, gab als Ziel für seine Partei aus, stärkste Kraft zu werden. Aber was wird aus Röttgen im Fall einer Niederlage? Bleibt er als Oppositionsführer in Düsseldorf oder bleibt er Bundesumweltminister? Eine CDU-Sprecherin wollte sich dazu nicht äußern und Regierungssprecher Steffen Seibert betonte: "Ich kann Ihnen von keinen Ressortumbesetzungs-Vorstellungen oder -Plänen der Kanzlerin berichten."

Auch die Piratenpartei rechnet sich Chancen aus, in den Landtag einzuziehen. In jüngsten Umfragen liegen sie zwischen fünf und sechs Prozent. "Wir sind bereit und werden alles dafür tun, um das Vertrauen der Bürger in die Politik wieder herzustellen", sagte Michele Marsching, Vorsitzender des Landesverbandes der Piratenpartei NRW.

Der Landtag lehnte am Mittwoch den Haushalt der rot-grünen Landesregierung für den Bereich Inneres ab. Für diesen Fall hatte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft zuvor vorgezogene Wahlen angekündigt. SPD und Grüne regieren in Nordrhein-Westfalen seit Juli 2010 in einer Minderheitsregierung. Die Plenardebatte wurde nun bis 15 Uhr unterbrochen. Es ist zu erwarten, dass anschließend die Auflösung des Landtags beantragt wird. Damit müsste es innerhalb von 60 Tagen Neuwahlen geben.

Zuvor hat Hannelore Kraft klar gestellt: "Sollte der erste Einzeletat des Haushalts keine Mehrheit erhalten, werde ich die Koalitionsfraktionen zusammenrufen und sie bitten, einen Antrag auf Auflösung des Parlaments zu stellen, um Neuwahlen herbeizuführen", sagte sie in ihrer Rede vor dem Plenum des nordrhein-westfälischen Landtags in Düsseldorf. Sie wolle nicht auf Zeit spielen. Die Abstimmung war eigentlich für 12 Uhr vorgesehen, es geht um den Posten Inneres, doch vermutlich wird die Abstimmung nicht vor 12:30 Uhr statt finden. Hannelore Kraft betont, dass sie für "klare Kante" sei. "Dafür stehe ich ganz persönlich", sagte sie.

Das Lachen haben sie nicht verloren: Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (links) und ihre Vize-Regierungschefin Sylvia Löhrmann von den Grünen während der Plenardebatte zu den Einzeletats des Haushaltes. Die Opposition will die Etats nicht unterstützen und sollte dem so sein, droht das Aus der rot-grünen Minderheitsregierung.

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Ein Antrag auf Parlamentsauflösung wäre erfolgreich, wenn mindestens 91 der 181 Abgeordneten zustimmen. Die Opposition kommt zusammen auf 91 Stimmen im Landtag, die Fraktionen der Minderheitsregierung von SPD und Grünen haben 90 Abgeordnete. Auch sie wollen Neuwahlen für den Fall, dass sie ihren Haushaltsentwurf nicht durch das Parlament bekommen. Beschließt der Landtag seine Auflösung, müssen Neuwahlen im bevölkerungsreichsten Bundesland binnen 60 Tagen anberaumt werden.

Die Opposition hat angekündigt, geschlossen gegen den Haushaltsentwurf der rot-grünen Minderheitsregierung zu stimmen. Nach der Rechtsauffassung der Landtagsverwaltung bedeutet bereits die Ablehnung einer Einzelposition die Ablehnung des gesamten Haushaltes. Da die Regierung stets betont hatte, dass sie ohne gültigen Haushalt nicht regieren könne, würde eine Ablehnung des Haushalts voraussichtlich Neuwahlen zur Folge haben.

In der FDP wurde lange darüber beraten, wie man mit der neuen Rechtslage umgehen soll. Denn der ursprüngliche Plan, die Einzeletats in der heutigen zweiten Lesung abzulehnen, dem Gesamt-Haushalt aber dann doch in dritter Lesung zuzustimmen, geht nicht auf. Denn ein Ablehnen in zweiter Lesung käme einer Ablehnung insgesamt gleich. Da SPD und Grüne nur eine Minderheitsregierung bilden, fehlen ihnen Stimmen, um den Haushalt durchzubringen.

Neuwahlen müssen aber vor allem Linke und FDP fürchten. Denn bei beiden ist ungewiss, ob sie bei Neuwahlen über die Fünf-Prozent-Hürde kommen. Die Grünen könnten laut jüngsten Umfragen im Vergleich zu letzten Wahl zulegen - SPD und CDU ringen um die Spitzenposition.

Die erste Abstimmung über einen Einzeletat wird es wohl gegen 12 Uhr geben, bekommt Rot-Grün dann wie zu erwarten ist keine Mehrheit, steht das Regierungsbündnis vor dem Aus. (mit dpa/afp/dapd)

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