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Protestierende mit Masken von Alice Weidel, Donald Trump und J.D. Vance am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz.

© Reuters/Kai Pfaffenbach

Leichtes Spiel für Vance und Weidel: Die Demokratie bietet gerade zu viel Angriffsfläche

Kurz vor der Wahl steht Deutschland unter Druck einer rechtspopulistischen Internationalen. Neben einem gesunden Selbstbewusstsein braucht es auch die Bereitschaft zu mehr Selbstkritik.

Christopher Ziedler
Ein Kommentar von Christopher Ziedler

Stand:

Ihrer Kriegstaktik im Irak gab die US-Armee 2003 den Namen „shock and awe“. Die militärische Überwältigungsstrategie sollte den Gegner in eine Art ehrfürchtiger Schockstarre versetzen.

Im übertragenen Sinne geht Donald Trump nun politisch ähnlich vor. Wer seinen Zielen im Weg steht – ob im In- oder Ausland –, wird mit Ankündigungen und Beschlüssen schwindlig gespielt.

Offenkundig ist in den vergangenen Tagen geworden, dass auch EU und mittendrin Deutschland Zielscheiben von Trumps Einschüchterungsversuchen sind. Mit brachialer Rücksichtslosigkeit lässt er uns im Unklaren darüber, ob Amerikaner und Europäer noch Nato-Verbündete sind – und welche Zielrichtung er eigentlich genau verfolgt.

Geht es ihm um Europas Schwächung? Gar um „Regime change“ im Sinne einer neuen rechtspopulistischen Internationalen, wie AfD-Wahlempfehlungen aus Washington nahelegen?

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Handeln Trumps Leute in Saudi-Arabien mit Wladimir Putins Gesandten gerade nicht nur einen fragwürdigen Friedensplan für die Ukraine, sondern auch einen Rückzug vom alten Kontinent aus, der Russlands Imperialismus dann ohne US-Schutzschirm gegenüber stünde?

Oder folgt dieses sicherheitspolitische Horrorszenario „nur“ Trumps Lehrbuch vom „Art of the Deal“? Damit ein in Angst und Schrecken versetztes Europa den Amerikanern Verteidigungsausgaben abnimmt? Oder auf die Regulierung von Internetplattformen wie der von Trumps Kumpel Elon Musk verzichtet, was Vizepräsident J. D. Vance in die Formel „Militärischer Schutz gegen die Rückkehr der Meinungsfreiheit in Europa“ packte?

Auf den hanebüchenen Unsinn, dass sich Deutschland und Europa still und leise in autokratische Regime verwandelt haben, darf man durchaus mit Selbstbewusstsein reagieren – erst recht kurz vor einer Bundestagswahl, bei der der amtierende Regierungschef mit dem Jobverlust rechnen muss.

Selbstzufriedenheit ist nicht angebracht

Dass die Kritik obendrein von jemandem kommt, der nur Wahlen für rechtmäßig hält, die er gewinnt, spricht für sich. Und gemessen an der Menge an Mist, die es inzwischen zu ertragen gilt, darf die Bundesrepublik sehr wohl als ein grundsätzlich meinungsfreies Land gelten.

Die nächste Bundesregierung, das demokratische System insgesamt, muss bessere Ergebnisse produzieren.

Christopher Ziedler

Der Empörung darüber, dass die deutsche Rechtsordnung der Redefreiheit etwas engere Grenzen setzt als die US-Verfassung, lässt sich nonchalant begegnen: Das war aus guten historischen Gründen schon immer so. Anders als in Amerika konnte die Beleidigung hier schon immer strafbar sein, die Volksverhetzung erst recht.

Zur Selbstzufriedenheit besteht dennoch keinerlei Anlass. Eher zur Selbstkritik, da mit der AfD am Sonntag erstmals in der bundesdeutschen Geschichte eine teils rechtsextreme Partei auf mehr als ein Fünftel der Stimmen kommen könnte. Noch immer scheint nicht recht begriffen zu werden, wie Populisten und Extremisten die Schwäche der demokratischen Kräfte und ihrer Politik nutzen.

Mangelnder demokratischer Output

Klar wird aufgebauscht, verzerrt und wildes Zeug erfunden, Basis von Kampagnen ist aber doch oft ein Körnchen Wahrheit, das Gegenstand von viel mehr demokratischer Selbstkritik sein müsste. Der Output der Demokratie ist gerade nicht gut genug, sie bietet zu viel Angriffsfläche.

Beispiele dafür gibt es zuhauf. Das fängt bei der Sicherheit an, für die im Innern wie im Äußeren schlicht zu wenig getan wurde. Von sozialer Gerechtigkeit und innovativem wirtschaftlichen Fortschritt hat sich Deutschland zuletzt gleichermaßen entfernt. Und warum nach der Pandemie im Sinne einer gesellschaftlichen Befriedung immer noch nicht parlamentarisch untersucht worden ist, welche Corona-Maßnahmen sinnvoll und welche trotz möglicherweise guter Absicht am Ende nicht mehr als staatliche Gängelung waren, versteht kein Mensch.

Nachbesserungsbedarf gibt es auch in puncto Meinungsfreiheit. Es war und bleibt richtig, dass der Staat auch in der digitalen Welt einen Rahmen setzen, die Offenlegung diskriminierender Algorithmen erzwingen und Straftaten verfolgen können soll. Genauigkeit und Verhältnismäßigkeit sind jedoch besonders wichtig an der Grenze vom Meinungsbeitrag zum strafbaren Inhalt – hier braucht es mehr Transparenz, klare Definitionen und weniger justizielle Spielräume. Je nach Standpunkt eher schwammige Begriffe wie „Hass und Hetze“ helfen da nur bedingt weiter.

Die nächste Bundesregierung, das demokratische System insgesamt, muss bessere Ergebnisse produzieren. Es wäre gut, die Parteien in der Verantwortung wären sich dieser dann auch wirklich bewusst.

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