
© Matthias Balk/dpa
Newsblog zum Diesel-Urteil: Bundesregierung will Fahrverbote vermeiden
Das Bundesverwaltungsgericht hat am Dienstag ein wegweisendes Urteil zur Luftreinhaltung in Städten gesprochen. Die Folgen könnten gravierend sein. Der Newsblog von Dienstag zum Nachlesen.
- Oliver Bilger
- Marius Mestermann
- Matthias Jauch
Stand:
- Das Bundesverwaltungsgericht hat am Dienstagmittag sein Urteil zu Diesel-Fahrverboten verkündet.
- Demnach soll es den Städten grundsätzlich erlaubt sein, solche Verbote zu verhängen.
- Zuvor hatten die Richter ihre Entscheidung noch vertagt.
- Am Wochenende hatte die Bundesregierung schließlich punktuelle Verbote ins Gespräch gebracht.
- Der geschäftsführende Verkehrsminister Schmidt fordert schnelle Maßnahmen in den Städten.
- Was das Urteil bedeutet - alle Infos im Überblick.
(mit Agenturen)
Hendricks im Falle von Fahrverboten für Blaue Plakette
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) sieht für den Fall, dass Städte tatsächlich Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge verhängen, die Notwendigkeit einer Blauen Plakette: Wenn es zu Fahrverboten käme, dann müssten "die gekennzeichnet werden, die eben sauber sind und deswegen nicht unter Fahrverbote fallen", sagte Hendricks am Dienstagabend im ZDF. Ausnahmen müsse es auch etwa für Krankenwagen, Handwerker und Anwohner geben. Zunächst werde weiter versucht, Fahrverbote zu vermeiden.Schmidt: Kommunen nach Urteil nicht zu |
"Dass die Bundesregierung nicht gehandelt hat, ist ein grobes Versagen"
Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann über die Kontrolle von Fahrverboten und mögliche neue Beschilderungen. Ein politischer Scherbenhaufen
Die Bundesregierung sollte zwei Dinge schnell auf den Weg bringen. Die blaue Plakette und Nachrüstungen für ältere Dieselautos. Ein Kommentar zum Diesel-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts.Müller: "Wollen keine Fahrverbote in unserer Stadt"
Berlins Regierender Bürgermeister, Michael Müller (SPD), wertet das Urteil als Aufforderung an Bundesregierung und Autoindustrie, die Gesundheit der Bevölkerung nicht länger zu ignorieren. Beide müssten endlich handeln und die Verursacher der Schadstoffbelastung, die deutsche Autoindustrie, in die Pflicht nehmen. "Wir wollen keine Fahrverbote in unserer Stadt."Wie sich das Urteil von Leipzig auswirkt
Das Verwaltungsgericht hat Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge genehmigt. Was bedeutet das für Städte und Kommunen? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.Versicherungsschutz für Diesel-Fahrer nicht gefährdet
Diesel-Besitzer müssen wegen eines möglichen Verstoßes gegen Abgasvorschriften nicht den Verlust ihres Versicherungsschutzes befürchten. Der Versicherungsschutz bleibe bestehen - unabhängig davon, ob das Dieselfahrzeug die geltenden Abgasvorschriften erfülle, erklärt der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV). Zumindest diese Sorgen müssten sich Diesel-Besitzer nicht machen. (Reuters)Gemischtes Echo auf Diesel-Urteil bei Hilfswerken
Das Diesel-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in
Leipzig stößt bei Hilfswerken und Pflegeanbietern auf gemischtes Echo. „Unsere
Malteser Einsatzfahrzeuge mit Blaulicht im Rettungsdienst und im
Katastrophenschutz sind von den Verboten nicht betroffen. Für sie gilt schon
heute keine Plakettenpflicht, genau wie für Polizei- und Feuerwehrautos“, sagte
ein Sprecher des Malteser Hilfsdienstes in Köln am Dienstag auf
Anfrage.
„Aber viele unserer Fahrzeuge im Krankentransportdienst und die,
die Senioren oder Menschen mit Behinderungen jeden Tag ihr Essen bringen oder
die Schüler mit Behinderung befördern, wären von möglichen Fahrverboten
betroffen“, so der Sprecher weiter. Es bleibe jetzt abzuwarten, was genau im
Urteil des Bundesverfassungsgerichts stehe und nach welchen Kriterien die
Kommunen Ausnahmegenehmigungen erteilten.
Auch beim Deutschen Roten Kreuz beobachtet man aufmerksam die weitere
Entwicklung. So unterhalte das Rote Kreuz in Rheinland-Pfalz bei den
Rettungswagen eine reine Dieselflotte, sagte eine Sprecherin. Derzeit seien 155
Fahrzeuge unterwegs. Für den Ausbau als Rettungswagen stünden ohnehin nur Diesel-Fahrgestelle zu Verfügung. (mit KNA)
Die wichtigsten Informationen im Überblick
Im Kampf gegen schmutzige Luft in deutschen Städten sind Fahrverbote für Dieselautos nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich erlaubt. Die Bundesregierung will dies aber noch vermeiden. Lesen Sie hier noch einmal alle wichtigen Informationen im Überblick.
Neue Geschäftschancen für Uber?
Der Fahrdienstvermittler Uber wittert nach dem Fahrverbots-Urteil neue Geschäftschancen in Deutschland. "Das Urteil ist ein Warnschuss", sagte Deutschland-Chef Christoph Weigler dem "Handelsblatt". Es müssten nun dringend die Weichen für die Mobilität der Zukunft gestellt werden. Die Entwicklung umweltfreundlicher Antriebstechnologien sei dabei nur ein Baustein.
"Digitale Mobilitätskonzepte wie Pooling können schnell spürbare Effekte erzielen, indem sie Mobilität effizienter machen." Das Unternehmen will das sogenannte Pooling, also die Vermittlung von Fahrgemeinschaften, als Geschäftsmodell in deutschen Städten vorantreiben. Allerdings scheitert das bisher an den deutschen Gesetzen, die das verhindern. (Reuters)
Lungenärzte-Verband begrüßt das Urteil
Kommunen mit hohen Abgaswerten sollten die Fahrverbote nun auch umsetzen, forderte die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) am Dienstag. Wie schädlich Abgase für die Gesundheit sind, zeigen den Experten zufolge Daten aus groß angelegten Studien. Auch Stickoxide könnten sich negativ auf die Lungenfunktion auswirken.
Während die Abgase gesunde Erwachsene wenig beeinträchtigten, seien andere Bevölkerungsgruppen besonders gefährdet, erklärte die Gesellschaft. Dazu gehörten Kleinkinder und Menschen mit chronischen Erkrankungen wie Asthma, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. "Das Problem ist, dass sich niemand den schädlichen Effekten von Abgasen vollständig entziehen kann", erklärte DGP-Präsident Klaus Rabe. "Es liegt deswegen in der Verantwortung der Kommunen, die Luftreinhaltepläne umzusetzen und zu einer besseren Luftqualität in den Ballungsgebieten beizutragen".
Neben den Fahrverboten als letzte Mittel gehören laut DGP auch eine Ausweitung der Umweltzonen, eine verbesserte Verkehrsorganisation zur Vermeidung des Stop-and-go-Verkehrs sowie eine attraktivere Gestaltung des öffentlichen Nahverkehrs zu den möglichen Maßnahmen. Die Automobilindustrie müsse durch strengere gesetzliche Auflagen dazu bewegt werden, die Abgase ihrer Kraftfahrzeuge zu stärker zu reinigen. (AFP)
Ab April: Erste Fahrverbote in Hamburg geplant
Die Stadt Hamburg führt bereits ab April auf zwei besonders belasteten Straßenabschnitten Fahrverbote ein. Der Senat der Hansestadt teilte am Dienstag mit, mit der Entscheidung der obersten Verwaltungsrichter könnten die im Luftreinhalteplan im Sommer 2017 beschlossenen Durchfahrtsbeschränkungen angeordnet werden. Betroffen seien Abschnitte der Max-Brauer-Allee für Pkw und Lkw mit einer Abgasnorm älter als Euro 6 beziehungsweise VI sowie Abschnitte der Stresemannstraße für Diesel-Lkw älter als Euro VI.
Alle erforderlichen Planungen und Vorbereitungen für die Beschilderung und die Ausweichstrecken seien abgeschlossen. Damit könnten die Durchfahrtsbeschränkungen voraussichtlich Ende April wirksam werden. Anwohner und deren Besucher, Krankenwagen, Müllautos oder Lieferverkehre seien von der Einschränkungen ausgenommen. Die Polizei werde gerade zu Beginn vermehrt kontrollieren. Die Beschränkungen gälten ganzjährig und so lange, bis die Stickstoffdioxid-Werte an den Straßenabschnitten im Jahresdurchschnitt unter dem EU-Grenzwert blieben. (Reuters)
Gauland nennt Fahrverbote "völlig abwegig"
Die AfD kritisiert das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. "Diesel-Fahrverbote sind in vielerlei Hinsicht völlig abwegig und liegen allein im Interesse der Anti-Diesellobby", erklärt Partei- und Fraktionschef Alexander Gauland. Schon die Grenzwerte seien willkürlich. "Jeder Staubsauger und jede Duftkerze übersteigen die Grenzwerte für Feinstaub um das Zigtausendfache, ohne dabei in die Kritik zu geraten." Das Vorgehen gegen den Dieselmotor greift vor allem die exportstarke deutsche Automobilindustrie an. (Reuters)
"Autohersteller müssen Verantwortung übernehmen"
Umweltministerin Barbara Hendricks sieht die Autobauer in der Pflicht. "Die Autohersteller müssen die Verantwortung für die technische Nachrüstung übernehmen", schreibt die SPD-Politikerin in einer Reuters vorliegenden Information für die SPD-Bundestagsabgeordneten.Reiter sieht Bund in der Pflicht
Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter sieht nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts den Bund in der Pflicht und widerspricht damit CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt.
Der SPD-Kommunalpolitiker erklärt, er entnehme dem Urteil, dass eine blaue Plakette als einzig sinnvolle Lösung infrage komme. Die Bundesregierung sei gefordert, eine einheitliche Regelung zu schaffen. Die Kommunen hätten weder die Befugnis noch die Pflicht, selbst Fahrverbote auszusprechen. (Reuters)
Lindner: Machen uns zu Gefangenen von Grenzwerten
FDP-Chef Christian Lindner hat das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu Diesel-Fahrverboten kritisiert. Er nannte es einen „Schlag gegen Freiheit und Eigentum, weil wir uns zu Gefangenen menschengemachter Grenzwerte machen“. Es müsse alles getan werden, damit es nicht zu einer „kalten Enteignung“ von Besitzern von Dieselautos komme und die Mobilität nicht eingeschränkt werde, sagte Lindner am Dienstag in Berlin.
Die Politik sei nun in der Pflicht, die Luftverschmutzung an besonders belasteten Punkten zu senken, etwa durch intelligente Verkehrsführung und die Elektrisierung des Nahverkehrs, sagte Lindner. Die Autohersteller müssten nun Fahrzeuge - falls nötig - auf eigene Kosten nachrüsten. Dies sei „eine Frage der Ehre der deutschen Automobilindustrie“, um rigide Eingriffe zu vermeiden.
„Für die Zukunft müssen wir lernen, dass Grenzwerte auch tatsächlich auf der Basis solider wissenschaftlicher Debatten festgelegt werden“, verlangte Lindner. Er zweifelte an, ob die Grenzwerte „in dieser Rigorosität“ angebracht seien. Schon wenige Meter hinter den Grenzwerten sinke die Belastung erheblich. Es handle sich um politisch festgelegte Werte. (dpa)
Kauder: "Blaue Plakette nicht erforderlich"
Unionsfraktionschef Volker Kauder sieht nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts keine Notwendigkeit für die Einführung einer blauen Plakette. "Es ist richtig, dass es nicht zu pauschalen Verboten kommt - und das deswegen auch eine blaue Plakette nicht erforderlich ist", sagte Kauder vor der Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Er forderte von Kommunen wie Stuttgart konsequentere Anstrengungen, um die Richtwerte einzuhalten. (Reuters)
Bundesregierung will nach Diesel-Urteil Fahrverbote vermeiden
Die amtierende Bundesregierung will nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Umweltbelastung durch Diesel-Abgase Fahrverbote vermeiden. Dies sei nicht ihr Ziel, erklärten übereinstimmend der geschäftsführende Verkehrsminister Christian Schmidt (CSU) und die amtierende Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Hendricks sagte, sie sehe die Fahrzeughersteller in der Pflicht bei der Nachrüstung von Diesel-Pkw, damit diese die Stickoxid-Grenzwerte einhalten könnten. Allerdings sei eine Verpflichtung dazu rechtlich außerordentlich schwierig.Schmidt sagte, es müssten schnell Massnahmen ergriffen werden, damit die Grenzwerte in den Städten eingehalten werden könnten. Dabei gehe es unter anderem um die Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs. Mit dem Massnahmenpaket solle bis 2020 erreicht werden, dass in nahezu allen Städten die Grenzwerte eingehalten werden könnten. Der CSU-Politiker wies darauf hin, dass das Gericht einen hohen Wert auf die Verhältnismässigkeit bei Maßnahmen zur Luftreinhaltung gelegt habe, deswegen gebe es hohe Hürden für Fahrverbote. (Reuters)
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