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Nach Ausländerhatz in Sachsen: Chemnitz von rechtem Mob überrumpelt – Landesregierung schickt mehr Polizei
Nach dem gewaltsamen Tod eines Mannes randalierten am Sonntag und Montag rechte Gruppen in der Stadt. Die AfD liegt einer Umfrage zufolge in Sachsen bei 25 Prozent. Alle Entwicklungen von Dienstag im Newsblog zum Nachlesen
Stand:
- Chemnitz wurde zwei Abende in Folge von Gewalt erschüttert. Rechte Demonstranten machten am Montagabend in der Innenstadt Jagd auf Migranten, Journalisten und Gegendemonstranten.
- Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzlerin Angela Merkel und der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) haben die Krawalle verurteilt.
- Die Chemnitzer Behörden waren offenbar vom Verfassungsschutz informiert, dass am Montagabend wieder mit Krawallen zu rechnen sei.
- Anlass für den Beginn der Ausschreitungen war der Tod eines 35-jährigen Deutschen, der mutmaßlich von zwei Migranten erstochen wurde. Daraufhin kam es bereits am Sonntag zu ersten Hetzjagden auf Ausländer.
Korrekturhinweis: In einer früheren Version dieses Artikels war zu lesen, dass "tausende rechte Demonstranten Jagd auf Migranten, Journalisten und Gegendemonstranten" machten. Das haben wir nach einem Hinweis des Presserates korrigiert. In der Erklärung des Presserates heißt es: "Wie auch immer man die Vorfälle in Chemnitz bezeichnet - ob als "Jagdszenen" oder "Hetzjagden": Dass Menschen von anderen Menschen durch Chemnitz gejagt wurden, ist von Beobachtern - nämlich von Reportern vor Ort - mehrfach belegt worden. Doch es handelte sich dabei nicht um "tausende Demonstranten".
Der Blog zu den Ausschreitungen in Chemnitz von Dienstag
Am Dienstag haben Bundespräsident Steinmeier, Bundeskanzlerin Merkel und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (beide CDU) die Krawalle von Rechtsextremisten in Chemnitz verurteilt. „Die Erschütterung über diese Gewalttat wurde missbraucht, um Ausländerhass und Gewalt auf die Straßen der Stadt zu tragen“, sagte Steinmeier. Gewalt müsse geahndet werden, egal von wem sie ausgehe.
Die Bundeskanzlerin sagte: „Es darf auf keinem Platz und auf keiner Straße zu solchen Ausschreitungen kommen“, Hetzjagden und Zusammenrottungen in Chemnitz hätten „mit unserem Rechtsstaat nichts zu tun“. Kretschmer sagte weiter: „Wir brauchen einen Ruck in Deutschland, auch in der sächsischen Gesellschaft.“ Es gehe darum, die Mitte der Gesellschaft zu mobilisieren.
Die Chemnitzer Behörden waren offenbar vom Verfassungsschutz informiert, dass wieder mit Krawallen zu rechnen sei. Demnach lag die Warnung seit Montagmittag vor. Lesen Sie hier noch einmal den Artikel von Frank Jansen.
Hitlergrüße, Jagdszenen, blanker Hass. Vom Aufmarsch der Neonazis wird Chemnitz völlig überrascht. Dabei hatte die gewaltbereite Szene nur auf den passenden Anlass gewartet. Lesen Sie hier unsere Reportage zu den Ereignissen in Chemnitz.
Mit diesem Kommentar möchten wir uns für heute verabschieden. Am Morgen berichten wir für Sie weiter auf www.tagesspiegel.de.
Rechte veröffentlichen womöglich Haftbefehl gegen den mutmaßlichen Haupttäter
Am Dienstagabend bahnte sich womöglich bereits der nächste Skandal an. Rechtsradikale, darunter der Pegida-Mitbegründer Lutz Bachmann, veröffentlichten im Netz den Haftbefehl gegen den mutmaßlichen irakischen Haupttäter. Die Echtheit des Dokuments konnte zunächst nicht bestätigt werden.Kretschmer: Chemnitz darf nicht Aufmarschplatz von Extremisten werden
Friedman: Chemnitz nur die Spitze - „Brandstifter im Parlament“
Der Publizist und Moderator Michel Friedman sieht in den Ausschreitungen in Chemnitz „nur die Spitze einer demokratiefeindlichen Bewegung“. Diese habe „ein breiteres Fundament in der Gesellschaft, als wir uns vorstellen wollen“, sagte Friedman im Interview der Deutschen Welle (Dienstagabend). In Deutschland könne man sehen und erleben, „wohin es führt, wenn eine Gesellschaft sich nicht selbst schützt“. Mittlerweile säßen „geistige Brandstifter teilweise in den Parlamenten“.Auf dem Rückzug aus der politischen Wirklichkeit
Chemnitz bestimmte, nicht erst seit Montag, die Agenda. Darauf hätte die Redaktion von „Hart aber fair“ reagieren müssen. Tat sie aber nicht. Lesen Sie den Kommentar von Joachim Huber.Großes Polizeiaufgebot hält Kundgebungen in Köln auseinander
Mit einem großen Aufgebot hat die Polizei in Köln rechte und linke Demonstranten auseinandergehalten, die nach den Ausschreitungen in Chemnitz auf die Straße gegangen waren. Die von der Polizei dem rechten Spektrum zugeordnete Organisation „Begleitschutz Köln“ hatte zu einer Kundgebung wegen der tödlichen Messerstiche in Chemnitz aufgerufen. Den rund 100 Teilnehmern stand am Dienstag ein Vielfaches an Gegendemonstranten gegenüber, die dem Aufruf von „Köln gegen Rechts“, „Antifa“ und „Kein Veedel für Rassismus“ gefolgt waren.Die Polizei der Millionenstadt hatte im Vorfeld vor möglichen „unfriedlichen Aktionen“ von Kundgebungsteilnehmern gewarnt und Verstärkung aus anderen Städten angefordert. Bis auf kleinere Reibereien sei aber alles friedlich geblieben, sagte ein Polizeisprecher. (dpa)
Pistorius warnt nach Chemnitz-Krawallen vor Beschwichtigungen
"Ein klarer, starker Staat ist wichtig"
Wie lässt sich verhindern, dass ein Mob wie in Chemnitz Menschen jagt? Thesen der Rechtsradikalismus-Forscherin Britta Schellenberg, die Sachsen gut kennt.Sachsens rechter Moment
Hitlergrüße, Jagdszenen, blanker Hass. Vom Aufmarsch der Neonazis wird Chemnitz völlig überrascht. Dabei hatte die gewaltbereite Szene nur auf den passenden Anlass gewartet.CDU-Innenpolitiker: AfD immer mehr ein Fall für den Verfassungsschutz
Der CDU-Innenexperte Armin Schuster fordert die Verfassungsschutzbehörden der Länder auf, die AfD genauer unter die Lupe zu nehmen. Die Behörden müssten prüfen, ob die „zahlreichen Grenzüberschreitungen nicht einer gezielten Planung folgen, wofür ihre Anzahl spricht“, sagte der Bundestagsabgeordnete den „Stuttgarter Nachrichten“ und der „Stuttgarter Zeitung“ (Mittwoch). Die AfD werde „immer mehr ein Fall für den Verfassungsschutz“, zumal sich Parteichef Alexander Gauland inzwischen „mindestens einmal im Monat von einer Entgleisung eines seiner Parteimitglieder distanzieren“ müsse.Caffier wirft Verantwortlichen in Sachsen schwere Fehler vor
Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) hat das Vorgehen von Politik und Polizei in Sachsen im Zusammenhang mit den Krawallen von Chemnitz scharf kritisiert. „Am ersten Tag kann man vielleicht noch überrascht werden - am zweiten Tag nicht mehr“, sagte Caffier dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) am Dienstag. Die Verantwortlichen in Chemnitz hätten die politische Brisanz der Lage offensichtlich völlig falsch eingeschätzt.„Als zuständiger Innenminister darf man nicht die Augen vor der Realität verschließen“, sagte Caffier als Sprecher der unionsgeführten Innenressorts. „Man muss den Rechtsextremismus genauso bekämpfen wie jede andere Form von Extremismus auch.“ Die Staatsgewalt dürfe nicht durch einen Mob ausgeübt werden. Die Polizei müsse immer die Rückendeckung des Ministers spüren. (dpa)
Giffey will Chemnitz am Freitag besuchen
Steinmeier: Man muss auf Polizei vertrauen können
Ermittlungen gegen zehn Personen wegen Hitlergruß
Nach den Protesten von Rechten und Gegendemonstranten am Montag in Chemnitz ermitteln die Behörden gegen Menschen, die den Hitlergruß gezeigt haben. Die Polizei sprach von zehn Personen, denen das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen vorgeworfen wird. Am Dienstag übernahm die Generalstaatsanwaltschaft Dresden die Ermittlungen zur Demonstration in Chemnitz am Montagabend. Damit sei die Zentralstelle Extremismus Sachsen (ZESA) beauftragt worden, teilte die Behörde mit.Sawsan Chebli: "Wir waren zu naiv"
Berlins Staatssekretärin Sawsan Chebli forderte mehr Radikalität gegen Rechts, wofür sie stark kritisiert wurde. Im Interview erklärt Sie, worum es ihr geht.Chemnitzer IHK-Geschäftsführer sieht Krawalle als Gefahr für die Wirtschaft
Hans-Joachim Wunderlich, Hauptgeschäftsführer der IHK Chemnitz sieht die Ausschreitungen in Chemnitz als Gefahr für die Wirtschaft: "Fremdenfeindliche Hetze und Übergriffe sowie nationalsozialistische Äußerungen sind völlig inakzeptabel und gefährden den Wirtschaftsstandort Sachsen." Die Folgen würden sich in einer erschwerten Gewinnung von Fachkräften aus dem In- und Ausland sowie in einem Vertrauensrückgang nationaler und internationaler Kunden bemerkbar machen.
"Der Imageschaden für die Stadt und die Region ist immens! Im Interesse der weiteren erfolgreichen Entwicklung unseres Wirtschaftsstandortes ist es wichtig, dass sich bei jeder Gelegenheit, jeder an seinem Platz für Weltoffenheit, Demokratie und Toleranz einsetzt!" Nicht zuletzt deshalb sei die IHK Mitglied im Verein Wirtschaft für ein weltoffenes Sachsen e. V., sagte er dem Tagesspiegel.
Demonstrationen in Dresden bisher friedlich
Bisher blieb es friedlich. Polizeisprecher Thomas Geithner sagte dem Evangelischen Pressedienst, er rechne mit einem weiterhin ruhigen Verlauf der Demonstrationen. Die Polizei trennte beide Lager ab. (epd)
Kramp-Karrenbauer fordert Gesellschaft zu klarer Abgrenzung von rechter Gewalt auf
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