zum Hauptinhalt
Kanzlerin Angela Merkel mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron

© dpa/Michael Kappeler

Macron trifft Merkel in Berlin: Für ein krisenfestes Europa reicht es nicht, schwäbische Hausfrau zu sein

Frankreichs Präsident Macron hat ehrgeizige Pläne für die EU, doch die würden Deutschland viel Geld kosten. Was jetzt nötig ist. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Hans Monath

Jedenfalls hat "Madame Non" auffällig häufig genickt, als "Monsieur Oui" beim Besuch in Berlin seine anspruchsvollen Ziele für die Neubegründung Europas darlegte – das wenigstens.

Denn zuletzt war die Arbeitsteilung zwischen Emmanuel Macron und Angela Merkel auf eine einfache Formel zu bringen: Der französische Präsident entwirft mit Leidenschaft eine bessere europäische Zukunft, die Deutschland etwas kosten wird, aber auch viel bringen kann. Und in Berlin wartet die bekanntlich pragmatische, allem Pathos gegenüber skeptische Kanzlerin nach seinen Vorschlägen weiter ab, zögert oder bremst sogar.

Merkel und ihre Mitarbeiter hatten einen symbolträchtigen Ort für die Pressekonferenz ausgesucht. Das Humboldt-Forum in der Großbaustelle des Berliner Schlosses ist nach den Worten der deutschen Regierungschefin als europäisches Projekt geplant, das zeigen soll, "dass wir Teil einer großen, globalen Welt sind".

Das immerhin passt zum Anspruch ihres Partners aus Paris. Der beschreibt die EU, die ihm vorschwebt, als souveränen Akteur, der nicht Objekt, sondern entscheidender Gestalter der Weltpolitik in unruhigen Zeiten ist. Die Gefahren für die EU von innen – Stichwort Nationalisierung und Abschottung – verschweigt er nicht. Der Erosion des Vertrauens in das große Projekt Europa will er mit einem neuen Bürgerdialog begegnen.

Bis diese weltpolitische souveräne, gegen innen- und außenpolitische Krisen besser gewappnete Union Realität werden kann, muss sich aber noch vieles ändern – und das ziemlich schnell. Schon Ende Juni wollen beide Regierungen dem Europäischen Rat gemeinsame Vorschläge vorlegen. Ein halbes Jahr ging nach Macrons großer Europarede an der Pariser Sorbonne verloren, weil sich in Deutschland der Prozess der Regierungsbildung so lange hinzog.

Seit die schwarz-rote Koalition steht, sind die Antworten aus Berlin zwar etwas konkreter, aber keineswegs ermutigender geworden. Die Unionsfraktion stellt sich gegen Macrons Ziel, die Euro-Zone mit einem eigenen Haushalt zu vertiefen und die Bankenunion zu vollenden. Und auch Finanzminister Olaf Scholz lässt wenig Leidenschaft für den „neuen Aufbruch für Europa“ erkennen. Dabei war es seine Partei, die SPD, die das Versprechen im Koalitionsvertrag verankerte.

Zuletzt schien Macron die Agenda Europas fast allein zu bestimmen

Macron der Antreiber, Merkel die Bremserin – kann dieses Muster Europa voranbringen? Der Überflieger in Paris schien während des politischen Stillstands in Berlin die Agenda Europas fast allein zu bestimmen. Von Merkel als letzter Verteidigerin des freien Westens war zuletzt kaum noch die Rede. Nun spürt der Reformer daheim Widerstand gegen die Sanierung des französischen Sozial- und Wirtschaftsmodells, aber er kommt dabei voran. Bei den amerikanischen, britischen und französischen Luftschlägen gegen Syrien zur Verhinderung weiterer Chemiewaffeneinsätze gehörte Macron zu den Treibern, Merkel lobte den Angriff zwar, hielt die Bundeswehr aber außen vor. Trotzdem wollen beide bei ihren getrennten Besuchen bei US-Präsident Donald Trump kommende Woche gemeinsame Positionen vertreten – zu Syrien und zum Handelsstreit mit der EU.

In seiner Rede vor dem Europäischen Parlament hat Macron Anfang der Woche erklärt, er wolle nicht "zur Generation der Schlafwandler gehören". Der von Christopher Clark geprägte Begriff erinnerte daran, wie leichtfertig die Verantwortlichen Europa in die Katastrophe des Ersten Weltkriegs gestürzt hatten. Hundert Jahre später handeln angesichts der Krisen in und um Europa wohl weder der französische Präsident noch seine deutsche Gastgeberin leichtfertig.

Der von Macron vor dem Humboldt-Forum als „einzigartig“ beschriebene historische Moment Europas, für den er Lösungen vorschlägt, verlangt aber auch eine Antwort von historischer Dimension. Denn ein neues, stärkeres, krisenfesteres Europa kann sicher nicht allein auf die Tugenden einer "schwäbischen Hausfrau" gegründet werden.

Zur Startseite