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Meterhoch türmen sich Wohnwagen, Gastanks, Bäume und Schrott an einer Brücke über der Ahr in Altenahr.

© dpa/Boris Roessler

„Massive Versäumnisse“: Bericht zur Flutkatastrophe im Ahrtal kritisiert Ex-Landrat scharf

Im Juli 2021 versank das Ahrtal in einer Flut, 136 Menschen starben. Ein Ausschuss untersuchte die Arbeit des Katastrophenschutzes. Die Bewertung fällt je nach Partei unterschiedlich aus.

Stand:

Rund drei Jahre nach der Flutkatastrophe im Ahrtal liegt der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses des rheinland-pfälzischen Landtages vor. Der beschäftigte sich mit der Arbeit des Katastrophenschutzes, der Landesregierung und nachgeordneter Behörden in der Flutnacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 und der ersten Phase danach. Koalition und Opposition in Rheinland-Pfalz ziehen daraus völlig unterschiedliche Schlüsse.

Der Bericht benennt „massive Versäumnisse des Landkreises bzw. des damaligen Landrats des Kreises Ahrweiler“. Das ist die Sichtweise der Regierungsfraktionen SPD, Grüne und FDP, die vor allem das Versagen des ehemaligen Landrats von Ahrweiler, Jürgen Pföhler (CDU), hervorheben.

Jürgen Pföhler (CDU), ehemaliger Landrat des Kreises Ahrweiler, sagte im Juli 2022 als Zeuge im Untersuchungsausschuss des Landtags Rheinland-Pfalz zur Flutkatastrophe aus.

© picture alliance/dpa/Arne Dedert

Die Oppositionsfraktionen von CDU, AfD und Freien Wählern betonen hingegen die Verantwortung übergeordneter Behörden und der Landesregierung. Sie erneuerten ihre Forderung nach einer Entlassung oder einem Rücktritt unter anderem des Umwelt-Staatssekretärs Erwin Manz (Grüne) und des Chefs der Verwaltungsbehörde des Landes, Thomas Linnertz.

Unser Bundesland wurde an diesen beiden Tagen und in jener Nacht bis ins Mark getroffen.

Bericht des Untersuchungsausschusses

Ex-Umweltministerin Anne Spiegel (Grüne) trat 2022 als Bundesfamilienministerin zurück; später gab auch Innenminister Roger Lewentz (SPD) wegen Fehlern des Ministeriums im Umgang mit der Katastrophe sein Amt auf.

136
Menschen starben bei der Flutkatastrophe im Juli 2021.

Ex-Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) blieb im Amt und trat im Juli aus gesundheitlichen Gründen zurück. Die CDU wirft ihr mit Blick auf die Flutkatastrophe vor, das Amt nicht zum Wohle des Volkes ausgeübt zu haben. Insbesondere am 14. Juli habe sie fatales Desinteresse und durchgehende Passivität gezeigt.

Dieser Kritik stimmt die AfD zu. Die Weigerung Dreyers, sich gegenüber den von der Flut betroffenen Menschen zu entschuldigen, sei Ausdruck fehlender Empathie. Auch die Freien Wähler monieren die nicht erfolgte Entschuldigung Dreyers, kritisieren Manz wie Linnertz.

In dem 2.141 Seiten umfassenden Abschlussbericht heißt es, bedingt durch Verfehlungen von Pföhler sei es „nicht zu einer notwendigen Vorsorge im Vorfeld der Flutkatastrophe sowie angemessenen Reaktionen während dieser gekommen“. Ein Sachverständiger habe Pföhler einen „Systemsprenger“ genannt.

„Die Flutkatastrophe vom 14. und 15. Juli 2021 ist die größte Naturkatastrophe, die unser Bundesland seit seiner Gründung am 30. August 1946 ereilt hat“, hält der Bericht fest. 136 Menschen hätten ihr Leben gelassen, viele weitere seien verletzt worden, unzählige hätten ihr Hab und Gut verloren. Die psychischen Belastungen hallten bis zum heutigen Tage und auch in der weiteren Zukunft nach.

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„Unser Bundesland wurde an diesen beiden Tagen und in jener Nacht bis ins Mark getroffen“, formuliert der Untersuchungsausschuss. Diese Naturkatastrophe werde „für immer im kollektiven Gedächtnis unseres Landes bleiben“.

Der Bericht betont allerdings auch, dass das Ereignis in seinem Ausmaß und seiner Einzigartigkeit „so gut wie unvorhersehbar“ gewesen sei. Es sei selbst bundesweit beispiellos gewesen, dass teils meterhohe Wellen durch ein Flusstal schossen.

Die Katastrophe sei auch „aufgrund einer Vielzahl von Gründen wie beispielsweise Stromausfällen, Funkausfällen, Meldelücken und vielem mehr in seiner tatsächlichen Dimension außerhalb der direkt betroffenen Regionen lange Zeit nicht erfassbar“ gewesen.

„Ab einem gewissen Zeitpunkt in der Flutnacht war die Kommunikation, basierend auf der unvorstellbaren apokalyptischen Lage, mit dem Wissen von heute in Qualität und Quantität unterdimensioniert“, heißt es weiter.

Der Untersuchungsausschuss hebt hervor, dass der Landtag als Konsequenz eine Enquete-Kommission eingesetzt habe, die „Zukunftsstrategien zur Katastrophenvorsorge“ entwickeln soll.

Die rheinland-pfälzische CDU verwies dagegen auf „die unzureichende Vorbereitung des Hochwassermanagements und des Katastrophenschutzes, die fehlende Kommunikationsbereitschaft und die eklatant unterbliebene Zusammenarbeit der rheinland-pfälzischen Behörden“.

Wiederaufbau im Ahtrtal dauert an

Diese Missstände habe der Untersuchungsausschuss „schonungslos offengelegt“, sagte der stellvertretende Ausschussvorsitzende Marcus Klein (CDU).

Derweil dauert der Wiederaufbau im Ahrtal an. Eine Gesamtübersicht, wie viele Gebäude wiederaufgebaut werden beziehungsweise wurden, existiert nach Angaben des Kreises Ahrweiler jedoch nicht. „Es handelt sich insbesondere bei den Wohnhäusern um rein private Entscheidungen“, teilte die Verwaltung mit. Eigentümer seien Behörden keine Rechenschaft schuldig.

Momentan werde ein Plan für überörtliche Maßnahmen der Hochwasser- und Starkregen-Vorsorge im Kreis erarbeitet. Rund 9.000 Gebäude seien beschädigt oder zerstört worden. Mindestens 17.000 Menschen hätten ihr Hab und Gut ganz verloren oder erhebliche Beschädigungen erlitten, so die Kreisverwaltung. (epd, dpa, KNA)

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