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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wollte einen strengen Klimaschutz – das Klimapaket wird jetzt aber ausgedünnt.

© Christoph Soeder / dpa

Update

Mehr Flexibilität, weniger Strafen: Schwarz-Rot dünnt Entwurf für Klimaschutzgesetz an zentralen Stellen aus

Die Union hat an verschiedenen Stellen Änderungen am Klimapaket erreicht. Feste Klimaschutzziele für 2020 und 2040 wurden gestrichen.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) will jährliche Treibhausgasminderungsziele für die einzelnen Sektoren gesetzlich festschreiben, gestattet aber Flexibilität. Entscheiden soll darüber die Bundesregierung, der Bundesrat muss nicht zustimmen. Das geht aus einem Entwurf für das Klimaschutzgesetz hervor, der am Wochenende, allerdings ohne öffentliche Mitteilung, auf der Webseite des Ministeriums veröffentlicht wurde. Über das Gesetz soll am Mittwoch im Bundeskabinett abgestimmt werden.

Wörtlich heißt es in dem Entwurf: „Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates die Jahresemissionsmengen der Sektoren (...) mit Wirkung zum Beginn des jeweils nächsten Kalenderjahres zu ändern (...).“ Die Bedingung dafür ist, dass die Minderung für die Klimaziele 2030 unterm Strich reicht. Nach 2030 soll die Bundesregierung weitere jährlich absinkende Emissionsmengen für die Sektoren festlegen. Klimaneutralität bis 2050 ist laut dem Entwurf „als langfristiges Ziel“ zu verfolgen. Vom Klimaziel 2020 ist hingegen gar keine Rede mehr. Im ursprünglichen Entwurf des Klimagesetzes, den Schulze im Februar vorgelegt hatte, tauchte es noch auf ebenso wie ein Gesamtminderungsziel für 2040. Das sorge bei den Umweltverbänden für viel Kritik. Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth verteidigte den Entwurf am Montag in Berlin: „Im Klimaschutzgesetz gibt es nichts, was die Eckpunkte in irgendeiner Weise abschwächt.“ Die Vorlage falle nicht hinter das zurück, was die große Koalition am 20. September vereinbart habe.

In ihrem ersten Entwurf hatte Schulze zudem vorgesehen, dass die Ministerien jene Kosten, die aus dem Zukauf von Verschmutzungsrechten aufgrund verfehlter EU-Klimaziele entstehen würden, aus ihrem eigenen Etat zu tragen hätten. Dieser Passus ist nun komplett entfallen. Damit war zu rechnen, denn auch im Klimapaket der schwarz-roten Koalition war davon keine Rede mehr. Es gab zuvor massive Kritik seitens der Union an Schulzes Plan. Zudem war mehr als fraglich, ob diese Verpflichtung überhaupt rechtlich haltbar gewesen wäre.

Regeln für Ankauf von Verschmutzungsrechten

Im neuen Entwurf ist lediglich von einem Bußgeld in Höhe von bis zu 50.000 Euro die Rede, falls beispielsweise das Umweltbundesamt als die Instanz, welche die Emissionsberichte anfertigt, Schwierigkeiten haben sollte, an Daten zu gelangen. Damit soll wohl dem Umstand vorgebaut werden, dass sich beispielsweise Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) erneut weigern könnte, wichtige Daten vorzulegen.

Den Ankauf von Verschmutzungsrechten bei verfehlten EU Klimazielen in den Sektoren Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft soll gemäß dem Entwurf das jeweils zuständige Bundesministerium in Abstimmung mit dem Bundesfinanzministerium regeln. Verkäuferstaaten müssen zusichern, dass sie die Einnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels verwenden. 

Verantwortlich für das Erreichen der Sektorziele sollen die Bundesministerien sein. Falls die jeweils zulässige Jahresemissionsmenge über- oder unterschritten wird, soll die Differenzmenge auf die verbleibenden Mengen des Sektors angerechnet werden.

Wenn ein Sektor sein Ziel verfehlt, sollen die Minister innerhalb von drei Monaten ein Sofortprogramm vorlegen, das „die Einhaltung der Jahresemissionsmengen des Sektors für die folgenden Jahre sicherstellt“. Auch diese Vereinbarung war bereits Bestandteil des Klimapakets. Das Sofortprogramm soll von der Bundesregierung geprüft werden, die dann gestatten könnte, Emissionsmengen zwischen den Sektoren zu schieben. Darüber soll der Bundestag unterrichtet werden, seine Zustimmung ist – anders als im ersten Entwurf des Klimagesetzes – aber nicht erforderlich.

Jährliche Klimaschutzberichte von der Regierung

Vorgesehen ist ferner, dass die Bundesregierung jährlich einen Klimaschutzbericht erstellt, der die Entwicklung der Treibhausgasemissionen in den verschiedenen Sektoren, den Stand der Umsetzung der Sofortprogramme sowie eine Prognose der zu erwartenden Treibhausgasminderungswirkungen enthält. Die Bundesregierung leitet den Klimaschutzbericht für das jeweilige Vorjahr bis Mitte Juni dem Bundestag zu. Ab 2021 soll es alle zwei Jahre einen Klimaschutz-Projektionsbericht nach den Vorgaben der europäischen Governance-Verordnung geben.

In dem Entwurf sind die Emissionsmengen für die Sektoren wie folgt vorgesehen: Die Energiewirtschaft muss ihren Jahresausstoß von 280 Millionen Tonnen CO2 im Jahr 2020 auf 175 Millionen Tonnen im Jahr 2030 senken. Die CO2-Minderungen in diesem Sektor sind nicht jahresscharf festgehalten, sollen aber möglichst gleichmäßig erfolgen.

Im Verkehr ist es erforderlich, im gleichen Zeitraum von 150 Millionen Tonnen CO2 auf 95 Millionen Tonnen CO2 kommen. Im Gebäudesektor dürfen in 2030 nur noch 70 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen werden, statt 118 Millionen im Jahr 2020. Die Industrie muss vergleichsweise wenig schaffen: 2020 hat sie noch einen Ausstoß von 186 Millionen Tonnen CO2, 2030 dürfen es noch 140 Millionen Tonnen sein. Damit liegen die Zahlen im unteren Bereich dessen, was die Bundesregierung 2016 im Klimaschutzplan 2050 vereinbart hatte.

Ein nicht existierendes Klimapaket wird gelockert. DAS muss man erstmal schaffen...

schreibt NutzerIn Aldermann

Experte für soziale Fragen in Kommission

Der Entwurf regelt weiterhin die Zusammensetzung der Expertenkommission, die bereits im Klimapaket angesprochen wurde. Fünf Personen sind vorgesehen, wobei die genaue Anzahl noch variieren kann. Vorgesehen sind zwei Klimawissenschaftler, ein Experte für soziale Fragen, und zudem jeweils ein Umwelt- und ein Wirtschaftsexperte. Der Anteil von Männern und Frauen soll ausgeglichen sein, die Ernennung erfolgt durch die Bundesregierung und auf zwei Jahre. Die Aufgabe der Kommission soll es sein, die Emissionsdaten zu überprüfen und die Bundesregierung zu beraten, etwa hinsichtlich der Flexibilität zwischen den Sektoren. Im Unterschied zum ursprünglichen Entwurf kann die Kommission auf eigene Initiative aber nicht mehr tätig werden.  

Mit dem Gesetzentwurf setzt sich der Bund auch das Ziel, die Bundesverwaltung bis zum Jahr 2030 klimaneutral zu organisieren. Um dieses Ziel zu erreichen, will die Bundesregierung bis spätestens 2023 entsprechende Maßnahmen für die Behörden des Bundes und sonstige Bundeseinrichtungen einführen. 

Das Klimaschutzgesetz ist das größte und wichtigste Vorhaben des Umweltministeriums in dieser Legislaturperiode. Über die Ausgestaltung des Gesetzes gab es großen Streit in der schwarz-roten Koalition. Unionspolitiker wehrten sich lange gegen ein Rahmengesetz mit festen Sektorzielen. Dass jetzt die Sektorziele flexibel gestaltet werden können, dürfte sie milde stimmen. Zudem ist aus ihrer Sicht ein „Super“-Umweltministerium dadurch abgewendet, dass nun die Bundesregierung alle wichtigen Entscheidungen beim Klimaschutz fällen soll. Dafür soll auch das Klimakabinett langfristig eingerichtet werden.

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