
© dpa/Patrick Pleul
Mehr Grenzpolizei, sofortige Zurückweisungen: Kann Dobrindt seine Migrations-Versprechen überhaupt umsetzen?
Der neue Innenminister will ab dem ersten Tag der schwarz-roten Regierung mehr Zurückweisungen an deutschen Grenzen – auch von Asylbewerbern. Doch es bleiben Fragen.
Stand:
Wird nun alles anders an den deutschen Außengrenzen? Kurz nach – und ehrlicherweise auch schon vor – der Amtsübergabe im Bundesinnenministerium will der neue Minister Alexander Dobrindt (CSU) vermitteln, dass sich in der Migrationspolitik sehr schnell einiges ändern wird.
Im Laufe des Mittwochs sollten Beratungen mit den Präsidenten von Bundespolizei und des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge stattfinden.
Am Abend gab der neue Bundesinnenminister dann eine Pressekonferenz. Darin verkündete er, dass künftig auch Asylsuchende an den Landgrenzen zurückgewiesen werden können. Eine mündliche Weisung aus dem Jahr 2015, die dem entgegenstand, werde er zurücknehmen, sagte der CSU-Politiker. Gleichzeitig kündigte er eine Erhöhung der Zahl der Bundespolizisten an den Grenzen an.
Der Spiegel berichtete, dass das Kontingent der Bundesbereitschaftspolizei an der knapp 4000 Kilometer langen Außengrenze auf zwölf Hundertschaften verdoppelt werden solle. Dazu kämen in Kürze weitere Einheiten zur mobilen Kontrolle und Überwachung. Zudem sollten die Beamten in den Grenzinspektionen künftig Zwölf-Stunden-Schichten leisten.
Bisher waren es demnach acht Stunden. Gewerkschafter der Polizei hatten bereits vorher vor einer Überlastung der Bundespolizei gewarnt.

© IMAGO/Bernd Elmenthaler/IMAGO/ESDES.Pictures, Bernd Elmenthaler
Laut Spiegel solle die Verstärkung dadurch beginnen, dass bereits an der Grenze stationierte Bundespolizisten nicht abgezogen würden und der vorgesehene Ersatz für die Beamten als zusätzliches Personal kommt.
Polen und Österreich hatten sich im Vorfeld bereits skeptisch gezeigt. Grundsätzlich sind die Kontrollen allerdings nicht neu. Ende 2023 führte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) Grenzkontrollen an mehreren Außengrenzen ein. Im September 2024 wurden diese auf alle Grenzen ausgeweitet.
Asylbewerber wurden bislang allerdings nicht zurückgewiesen. Nun soll auch das passieren, unter anderem um weniger sogenannte Dublin-Fälle im Land zu haben. Dabei handelt es sich um Asylsuchende, für deren Verfahren ein anderer EU-Staat verantwortlich wäre. Deutschland muss in dem Zusammenhang prüfen und dann die entsprechende Person offiziell überstellen. Gelingt das innerhalb von sechs Monaten nicht, ist automatisch Deutschland zuständig.
Mehr Politik sehen Sie hier
Entscheidend ist nun auch, was aus juristischer Sicht passiert – Präzedenzfälle könnten vor Gericht, die Politik des neuen Innenministers zeitnah auf dem Prüfstand stehen. Dazu ist wichtig, die unterschiedlichen Formen der Einreise zu unterscheiden.
Migrationsexperte Daniel Thym betonte gegenüber dem Tagesspiegel, bereits jetzt fänden Zurückweisungen statt, wenn etwa ein notwendiges Visum fehle. Thym bezeichnet das als Zurückweisung „light“.
Daneben stehen Zurückweisungen auch bei Asylgesuchen. „Juristisch wäre das ein Quantensprung“, so Thym, „weil nur diese ‚echten‘ Zurückweisungen gegen die Dublin-Regeln des EU-Rechts verstoßen“. Juristisch seien sie ein „Vabanquespiel, das nach meiner Überzeugung nur aufgrund einer Ausnahmeklausel gerechtfertigt werden kann“.
Wenn Menschen mit einem Schutzanspruch in Deutschland künftig zurückgewiesen werden, verstößt das gegen Menschenrechte.
Grünen-Europapolitiker Anton Hofreiter
Als „Notstand“ könne man dies nicht bezeichnen, weil das unterstelle, dass der Staat ansonsten zusammenzubrechen drohe. Die bessere Formulierung sei daher „Ausnahmeklausel“.
Viele Experten sehen dies allerdings als unzulässig an, argumentieren, dass Deutschland damit eindeutig gegen EU-Recht verstoße. Zudem sei die Zurückweisung ausgerechnet von Asylsuchenden menschenrechtswidrig.
Mehrere Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hätten anerkannt, so Thym, dass es möglich sei, von EU-Gesetzen abzuweichen. „Theoretisch kann die Bundesregierung mit dem Argument also Erfolg haben. Praktisch ist das bisher jedoch keiner europäischen Regierung gelungen.“ Insofern gebe es für das, was Dobrindt nun vorhabe, Argumente, aber auch Gegenargumente. Letztlich entschieden die Gerichte.

© dpa/Harald Tittel
„Ganz praktisch müsste der Innenminister als Chef der Bundespolizei diese anweisen, künftig auch Zurückweisungen bei einem Asylgesuch durchzuführen“, so Thym. Der nächste Schritt wäre eine Klage eines Zurückgewiesenen vor einem Verwaltungsgericht. „Die Gerichte treffen dann zuerst vorläufige Eilentscheidungen, die vergleichsweise schnell kommen können“, so der Wissenschaftler.
Bis zu einem abschließenden Urteil des EuGH könne es aber dauern. Und aus Gründen der Verhältnismäßigkeit dürften die Zurückweisungen nicht unbegrenzt andauern, so Thym. Fraglich ist auch, wie effektiv diese sein können. „Meistens finden nur Stichproben statt und viele Grenzübergänge werden überhaupt nicht kontrolliert“, so Thym. Für echte flächendeckende Kontrollen fehle das Personal.
Kritik angesichts dieser Pläne kommt indes nicht nur aus den Nachbarländern, allen voran Polen und Österreich. Auch die Grünen kritisieren die Pläne der neuen Bundesregierung.
Wir brauchen nun eine ganz klare Ressortentscheidung, dass Zurückweisungen stattfinden können. Es ist niemandem zumutbar, in einer umstrittenen Rechtslage in eigener Zuständigkeit zu entscheiden.
Heiko Teggatz, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft
Europapolitiker Anton Hofreiter sagte gegenüber dem Tagesspiegel: „Es ist gut für Europa, dass Bundeskanzler Merz direkt nach Paris und Warschau reist. Gleichzeitig stößt die Regierung mit den unabgesprochenen Grenzkontrollen unsere Nachbarländer vor den Kopf.“
Das bedrohe die wirtschaftliche Zusammenarbeit in den Grenzregionen und schadet Deutschlands Glaubwürdigkeit. „Es ist ein schwerer Fehler in Zeiten, in denen angesichts Putins und Trumps die Einigkeit Europas auch für Deutschland so wichtig ist wie selten zuvor.“ Hofreiter erklärte zudem: „Wenn Menschen mit einem Schutzanspruch in Deutschland künftig zurückgewiesen werden, verstößt das gegen Menschenrechte.“
Die Deutsche Polizeigewerkschaft forderte indes Rechtsklarheit. Der Welt sagte deren Vorsitzender Heiko Teggatz: „Entscheidend ist für uns weniger ein möglicher Personalaufwuchs an der Grenze, sondern die Klarstellung, dass die Bundespolizei auch Asylbewerber an der Grenze zurückweisen soll.“
Teggatz fügte hinzu: „Wir brauchen nun eine ganz klare Ressortentscheidung, dass Zurückweisungen stattfinden können. Es ist niemandem zumutbar, in einer umstrittenen Rechtslage in eigener Zuständigkeit zu entscheiden.“ (mit dpa)
- Alexander Dobrindt
- Anton Hofreiter
- BAMF
- Bundesregierung
- CSU
- Die EU
- Geflüchtete
- Menschenrechte
- Migration
- Nancy Faeser
- Österreich
- Polizei
- SPD
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: