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Einer Meinung. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy im Gespräch mit EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy.

© REUTERS

EU-Gipfel in Brüssel: Merkel und Sarkozy auf einer Achse

Bundeskanzlerin Merkel und der französische Staatschef Sarkozy wollen den Euro stärken und neue Schuldenkrisen abwenden. Der deutsch-französische Vorstoß für eine Euro-Wirtschaftsregierung stößt jedoch auf Kritik.

Beim Treffen der europäischen Staats- und Regierungschef in Brüssel haben Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy am Freitag gemeinsam ihren „Pakt für Wettbewerbsfähigkeit“ vorgestellt. Nach einer langen Debatte wurde Merkel zufolge am Abend „die Festlegung getroffen, dass es solch einen Pakt geben wird“. Dessen Inhalte sollen bei einem Sondergipfel der Euroländer nach dem 9. März – dem Tag der vermuteten Regierungsbildung in Irland – festgelegt werden. Die Bundesregierung macht die Zustimmung zur Voraussetzung, damit sie beispielsweise einer direkten oder indirekten Aufstockung des Euro-Rettungsschirmes zustimmt.

„Wir möchten gemeinsam mit Deutschland einen neuen Schritt gehen und eine strukturelle Antwort geben“, sagte Sarkozy zum nächsten Reformschritt als Reaktion auf die Eurokrise. Merkel ergänzte, man wolle nun „deutlich machen, dass wir politisch Schritt für Schritt enger zusammenwachsen.“ Die Bundeskanzlerin betonte zudem, dass es ihr mit dem Pakt nicht um eine vollständige Harmonisierung bisher nicht europäisch geregelter Bereiche gehe: „Das bedeutet natürlich nicht, dass es zwischen den Mitgliedstaaten keinen Wettbewerb um die beste Lösung mehr gibt, sondern das bedeutet, dass wir uns an den Besten orientieren wollen und dazu auch bestimmte Vorhaben durchsetzen wollen.“ Sarkozy fügte hinzu: „Das ist eine sehr starke Achse von Deutschland und Frankreich.“

In einem Berliner Entwurfspapier, das dem Tagesspiegel vorliegt, sind Verpflichtungen enthalten, „die ehrgeiziger und verbindlicher sind als die von den 27 EU-Ländern bereits beschlossenen“. So würden sich die Staaten mit der Gemeinschaftswährung einem System strikter Vergleichskriterien unterwerfen. Gemessen würden unter anderem Lohnstückkosten sowie die Arbeitskosten in Relation zur Produktivitätsentwicklung. Zudem soll die Haushaltslage noch schonungsloser ermittelt werden, indem etwa künftige Pensionszahlungen bei der Verschuldung berücksichtigt werden. Andererseits denken Berlin und Paris an höhere Ausgaben für Forschung und Bildung – was allerdings bereits zu den Maßnahmen gehört, die die gesamte EU anstrebt.

Das Papier enthält zudem ein „Sechs- Punkte-Programm für mehr Wettbewerbsfähigkeit, dessen Maßnahmen binnen zwölf Monaten national umzusetzen sind“. Dann soll die EU-Kommission der Gipfelrunde den Stand der Dinge berichten. Gefordert sind unter anderem die Abschaffung von Lohnindexierungssystemen. Beispielsweise wird in Belgien und Luxemburg der Verdienst automatisch der Inflationsrate angepasst. „Ich bin absolut gegen die Vorschläge“, sagte daher der belgische Regierungschef Yves Leterme. Luxemburgs Ministerpräsident Jean- Claude Juncker will ebenfalls an der Kopplung von Löhnen an die Inflationsrate festhalten. Er sehe keinen Grund, warum dieser Schritt die Wettbewerbsfähigkeit seines Landes in der Euro-Zone verbessern sollte, sagte der Chef der Euro-Gruppenländer nach dem Gipfel. Auch Österreich meldete Bedenken an. Außerdem sollen Bildungs- und Berufsabschlüsse gegenseitig anerkannt sowie einheitliche Bemessungsgrundlagen für die Körperschaftssteuern geschaffen werden. Der geringe Satz Irlands war bereits im Zuge der Hilfe für Dublin kritisiert worden. Berlin und Paris dringen auch darauf, dass in allen Eurostaaten das Rentensystem „an die demografische Entwicklung angepasst“, sprich: das Eintrittsalter erhöht wird. Nach deutschem Vorbild sollen alle Staaten eine „Schuldenbremse“ in ihre Verfassung aufnehmen und ein Restrukturierungsgesetz für Pleitebanken erlassen.

Merkel sagte jedoch, dies seien lediglich „Beispiele die im Raum herumschwirren“. Sie habe „keine abschließende Liste präsentiert“. Vielmehr solle EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy bis zu dem Eurozonentreffen Gespräche führen und eine Einigung mit den Mitgliedstaaten über die konkreten Inhalte des Paktes erzielen.

Die Reaktion der Gipfelrunde war gemischt. „Deutschland ist zurück in Europa“, sagte ein EU-Diplomat zu Merkels europäischer Initiative. Auf der anderen Seite seien viele Nicht-Euro-Staaten „froh, nicht in diesen Pakt gepresst zu werden“, da er für betroffene Länder „harte Konsequenzen“ habe.

Aus dem Europaparlament, das Merkel zufolge lediglich informiert werden soll, kam vernichtende Kritik, da es selbst sowie die EU-Kommission von zentralen Entscheidungen ausgeschlossen würden. „Vielmehr sollen intransparent hinter verschlossenen Türen tagende Staatschefs die Zukunft des Kontinents gestalten“, rügte der Grünen-Abgeordnete Sven Giegold, Berlin lege „die Axt an die europäische Integration“. mit dpa

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