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Mit der ganzen Macht ihres Amtes noch einmal etwas bewegen – Angela Merkel bei ihrer Regierungserklärung im Bundestag.

© Kay Nietfeld/dpa

Merkels hochemotionale Bundestagsrede: Sie drängt, sie fleht – fast schon verzweifelt

Mit einer geschickten Rede baut eine einsam wirkende Kanzlerin nochmals Druck auf, ihre härtere Corona-Linie durchzusetzen. Doch kann sie das noch? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albert Funk

Für Angela Merkel ist die Corona-Krise wohl die letzte große Herausforderung als Kanzlerin. Sie will sich als eine Regierungschefin verabschieden, die in dieser Pandemie ihre Frau gestanden hat. Sie will gehen als erfolgreiche Krisenmanagerin. Sie will, dass die Leute am Ende sagen: Sie hat es gut gemacht.

In ihrer Rede an diesem Mittwochmorgen im Bundestag, in der Generaldebatte zum Haushalt, haben sich aber auch leicht resignative Klänge in eine Rede gemischt, die man für Merkels Verhältnisse durchaus als kämpferisch bezeichnen kann.

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An diesem Morgen ist im Parlament aneinandergestoßen, was die vergangenen Monate geprägt hat. Da ist zum einen die Auffassung, von der die Kanzlerin beseelt ist, dass wir es mit einer Bewährungsprobe von historischem Ausmaß zu tun haben. Und einige historische Proben hat sie ja gehabt in ihrer politischen Karriere mit der Finanzkrise und der Flüchtlingskrise.

Andererseits ist da aber die tagtägliche Herausforderung, den großen Ansatz im kleinteiligen staatlichen Handeln auch zum Tragen zu bringen.

Merkel kann das große Ganze nicht allein lenken

Daran kann man verzweifeln, wenn man die eigenen Maßstäbe sehr hoch ansetzt, und zwar ganz unabhängig davon, ob man nun in einem Bundesstaat mit Ministerpräsidenten zu tun hat oder in einem Zentralstaat mit der bisweilen schwerbeweglichen Hierarchie eines Beamtenapparats (das ist die Aufgabe, vor der die Länderchefs ja jeden Tag stehen).

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Merkel kann appellieren, sie kann fordern, sie kann im Zweifelsfall auch anweisen lassen. Aber sie ist Teil eines größeren Ganzen, das sie nicht allein lenken kann. Und auch soll. Das ist ja der Clou von Gewaltenteilung in einem demokratischen und föderalen Staat. Aber die Erwartungen an sie, die ganz oben steht, sind eben da. Und da stellt sich schon die Frage, ob Merkel es immer richtig oder geschickt angestellt hat.

Angela Merkel fleht beinahe bei ihrer Rede im Bundestag.
Angela Merkel fleht beinahe bei ihrer Rede im Bundestag.

© Kay Nietfeld/dpa

Denn dass sie sich reibungslos durchsetzt, das ist ja nicht der Fall. Sie agiert als Antreiberin, die gerade dadurch Widerstände schafft. Sie ist gleichzeitig eine Kanzlerin, deren Amtszeit abläuft. Das mindert ihre politische Durchschlagskraft.

Aber hat sie nicht Recht? Wohl schon.

Angela Merkel ringt seit Wochen mit den Bremsern unter den Ministerpräsidenten.
Angela Merkel ringt seit Wochen mit den Bremsern unter den Ministerpräsidenten.

© Tobias SCHWARZ / AFP

Ihre härtere Linie seit dem Frühherbst wird durch die Entwicklung der Corona-Zahlen ja bestätigt. Aber es ist ihr nicht gelungen, dafür genügend Unterstützung zu bekommen. Das erklärt die leicht resignativ wirkenden Sätze in der Rede. Es besser gewusst zu haben, eine klarere Linie skizziert zu haben, dabei durchaus pragmatisch herangegangen zu sein – geschenkt.

Merkel wurde ausgebremst. Sie wirkt mittlerweile ein bisschen einsam.

Merkel versucht es noch einmal mit der Ferienverlängerung

Da ist zum Beispiel die einfache und klare Vorstellung, die Tatsache der Weihnachtsferien an den Schulen, zwei oder drei Wochen je nach Bundesland, zu nutzen, um mit einer Woche Verlängerung davor und danach eine zweifellos wirksame Kontaktbeschränkung in einer sehr kritischen Phase der Epidemie zu erreichen.

Merkel während der Generaldebatte zum Bundeshaushalt im Bundestag.
Merkel während der Generaldebatte zum Bundeshaushalt im Bundestag.

© Kay Nietfeld/dpa

Merkel hat sie ins Spiel gebracht, nun steht das auch so ähnlich in der Liste der Leopoldina-Forscher. Es wäre eine Maßnahme, die sich eigentlich aufdrängt. Aber es wurde zerredet. Es spricht für Merkel, es am Mittwoch zumindest noch einmal versucht zu haben. So schnell gibt sie nicht auf.

Aber der Widerstand dagegen ist hart. Nur kann das auch ein Problem werden für jene, mit denen sich Merkel demnächst wieder trifft.

Wenn die Antreiberin sich zurückzunehmen beginnt, weil sie erkennen muss, dass die Unterstützung zu gering ist, dann sind es eben die anderen, die noch stärker in die Verantwortung geraten, als es ohnehin der Fall ist. Merkel hat auf die Zuständigkeit der Länder verwiesen. Es klang fast wie eine teilweise Machtübergabe.

Oder war es ein geschickter Zug, in einem letzten Versuch vor Weihnachten doch noch den Druck aufzubauen, um die anderen auf ihre, die härtere Linie zu verpflichten? Sich etwas zurückzunehmen, Resignation anklingen zu lassen, weil das vielleicht auch etwas bewegt?

So gesehen hat Merkel an diesem Mittwochmorgen auch das ganze Renommee, das sie in der Bevölkerung hat, auf eine sehr spezielle Art ins Spiel gebracht. Denn kann es sein, dass die Politikerin mit der größten Zustimmung im Volk tatsächlich von geringeren Akteuren daran gehindert wird, das zu tun, wofür sie ihren Amtseid - Schaden vom Volk abzuwenden - geleistet hat?

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