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Friedrich Merz geht nach einem Treffen mit dem Vorsitzenden der polnischen Oppositionspartei in Warschau eine Straße entlang.

© Michal Dyjuk/AP/dpa

Besuch des Oppositionschefs: Merz gibt sich in Polen als Antreiber der Ampel

Zum wiederholten Male ist der CDU-Chef schneller für Gespräche vor Ort als die Bundesregierung. Dabei zeigt sich: Warschau hat einiges an Berlin auszusetzen.

Als erster deutscher Spitzenpolitiker hat der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz in Polen versucht, Unmut über die angeblich zögerliche Waffenhilfe im Ukraine-Krieg zu dämpfen. Der Fraktionschef im Bundestag sprach am Donnerstag mit Ministerpräsident Mateusz Morawiecki und mit Donald Tusk von der oppositionellen Bürgerplattform PO.

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Am Vortag hatte kurzfristig auch der starke Mann der polnischen Politik, Jaroslaw Kaczynski, den deutschen Politiker empfangen. Der Vorsitzende der nationalkonservativen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) wolle über Merz eine neue Beziehung zum Nachbarland aufbauen, schrieb das Portal Wiadomosci.

Das mag Merz ins Kalkül passen. Er sagte aber in Warschau, er sehe sich nicht als Vermittler. Auch sei seine Reise seit Wochen geplant gewesen - lange bevor in Warschau der Unmut über den schleppenden Ringtausch von Panzern für die Ukraine hochkochte.

Trotzdem war Merz - abgesehen vom überparteilichen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier - der erste ranghohe Besuch aus Berlin in Warschau seit Kriegsbeginn. Auch in die angegriffene ukrainische Hauptstadt Kiew war der Oppositionsführer schon lange vor Kanzler Olaf Scholz (SPD) gereist.

Merz gibt weiter den Antreiber

Merz blieb in Warschau seiner Rolle treu, die er in Berlin seit Monaten einnimmt: Er versteht sich als Antreiber der Ampel-Koalition. So schreibt er es sich auf seine Fahne, dass der Bundestag Ende April mit breiter Mehrheit einen Beschluss zur Unterstützung der Ukraine fasste, in dem ausdrücklich auch die Lieferung schwerer Waffen vorgesehen ist. Nach langem Hin und Her brachten SPD, Grüne, FDP und CDU/CSU dazu schließlich einen gemeinsamen Antrag ein.

Doch Merz beklagt seit Wochen, dass der Ankündigung keine Taten folgen. Auch wenn das nicht stimmt, wie die Lieferung von inzwischen zehn Panzerhaubitzen 2000, Gepard-Flugabwehrpanzern und Mars-II-Mehrfachraketenwerfern zeigt.

Merz argumentiert genau so wie die östlichen Partner, die Deutschland mit Blick auf die Waffenhilfe „too little, too late“ vorhalten: zu wenig und zu spät. Dass in seine Polen-Reise die Nachricht platzte, der Rüstungskonzern Krauss-Maffei Wegmann habe die Genehmigung zum Verkauf von 100 neuen Haubitzen an die Ukraine erhalten, entkräftet zumindest das „too little“.

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Der Besuch des CDU-Chefs fiel in eine nicht einfache Phase der bilateralen Beziehungen, Dies köcheln auf Sparflamme - vorbei die Zeiten, als Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und der damalige Ministerpräsident Tusk enge Kontakte pflegten. Seit 2015 regiert die PiS, deren Propaganda überall deutsche Verschwörungen wittert, um Polen zu kontrollieren.

Kaczynski trug Merz auch vor, wie viel Deutschland Polen noch für die im Zweiten Weltkrieg erlittenen Schäden schulde. Berlin hält die Frage von Reparationen seit der Wiedervereinigung 1990 für erledigt. Merz versuchte den Blick eher auf gemeinsame Projekte zu lenken.

Polen besitzt neues Selbstbewusstsein

Durch den russischen Krieg gegen die Ukraine verschieben sich die Gewichte. Polen ist der wichtigste Frontstaat der Nato. Über ihn läuft die internationale Militärhilfe. Das Land hat selbst mehr als 200 Panzer und andere Waffensysteme abgetreten. Ebenso tatkräftig helfen die Balten dem Nachbarn Ukraine.

Gestärkt durch dieses Selbstbewusstsein sind die Mittelost-Europäer Wortführer darin, Deutschland seine bisherige Russland-Politik und die Energieabhängigkeit vorzuhalten. „Die deutsche Politik war egoistisch, und wir alle zahlen heute einen Preis dafür, dass Deutschland de facto Russland zu diesem Vorgehen ermutigt hat“, sagte der PiS-Abgeordnete Arkadiusz Mularczyk soeben im Fernsehen.

Nun also die Kontroverse um den Ringtausch, bei dem Deutschland Kampfpanzer an Polen als Ersatz für dessen Waffenhilfe an die Ukraine abgeben soll. Aus polnischer Sicht fällt das Angebot von 20 Leopard 2 ab 2023 ebenfalls in die Kategorie „zu wenig und zu spät“.

Merz schlug sich in Warschau auf die Seite der Gastgeber und forderte, den Tausch wie vereinbart vorzunehmen, um Polen nicht zu enttäuschen. Auch in dieser Frage will der Oppositionsführer den Kanzler vor sich hertreiben.

Friedemann Kohler, Ulrich Steinkohl - dpa

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