
© dpa/Kay Nietfeld
Migrationsdebatte im Bundestag: Schaffen wir das? Die Frage, die das Land spaltet
Die Union hat der Ampel-Koalition einen „Deutschlandpakt“ zum Thema Einwanderung vorgeschlagen. Auf viele Punkte könnten sich die Parteien wohl einigen – wäre da nicht der Tonfall.
Stand:
Innenministerin Nancy Faeser kommt aus dem Kopfschütteln gar nicht mehr heraus. Am Rednerpult steht CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und wirft der Regierung vor, die illegalen Grenzübertritte nach Deutschland nicht entschieden zu bekämpfen.
Er zählt auf, was die Union fordert: stationäre Grenzkontrollen zu Tschechien und Polen, die schnelle Einstufung von Georgien und Moldau als sichere Herkunftsstaaten, ein Stopp der freiwilligen Aufnahmeprogramme.
„In Europa ist Frau Faeser bei der Migrationspolitik kein Zugpferd, sondern Sie sind das trojanische Pferd zur Verschärfung der Migrationskrise!“, ruft Dobrindt. Die SPD-Politikerin hebt empört die Hände. Sie schüttelt noch energischer mit dem Kopf. Nein, so sieht sie es nicht.
Wollen Sie eine sachliche Debatte, oder nicht?
Nancy Faeser (SPD), Innenministerin zur Opposition im Bundestag
Die Union hat der Ampel-Regierung einen „Deutschland-Pakt“ vorgeschlagen, um irreguläre Migration nach Deutschland zu verringern. Eigentlich sind viele Punkte dabei, über die die Union mit SPD und FDP und sogar mit den Grünen verhandeln könnte.
Zum Beispiel über schärfere Regeln zur Bekämpfung der Sekundärmigration innerhalb Europas, über Unterstützung für die Schaffung von Infrastruktur an den EU-Außengrenzen, um Ankommende zu registrieren, und Grenzkontrollen zu Polen und Tschechien.
Es ist laut im Plenum
Doch der Tonfall zwischen der größten Oppositionsfraktion CDU/CSU und den Regierungsfraktionen ist rau. Als Faeser spricht, rufen Abgeordnete der Union und der AfD so laut dazwischen, dass sie teils schwer zu verstehen ist. „Wollen Sie eine sachliche Debatte, oder nicht?“, fragt sie, macht die Union aber gleichzeitig verantwortlich für „16 Jahre“, in denen „keine substanzielle Lösung“ vorgelegt worden sei.
Die Bundesregierung bekämpfe Schleuserkriminalität, schließe zum Beispiel Gesetzeslücken, um Schleuser schneller auszuweisen, sagt Faeser. Dazu könne es notwendig sein, „partiell Grenzkontrollen durchzuführen“. Großes Geraune bei der Union. Haben sie das nicht eben gefordert?

© AFP/ODD ANDERSEN
Es ist die AfD, die von der Uneinigkeit der beiden größten Parteien maßgeblich profitiert, im Bundestag hetzen die Rechtspopulisten gegen „Schwarzafrikaner“, die an der italienischen Küste ankämen, und die „Invasoren“ seien. „Das Pendel schlägt zurück, von links nach rechts“, frohlockt Bernd Baumann, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Fraktion.
Große Differenzen links der AfD liegen zwischen Union und Grünen – aber auch zwischen Grünen und FDP. Hinzu kommt, dass die Grünen die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems kritisch sehen. Eine Reform, auf die Faeser, immerhin von der SPD, besonders stolz ist.
Doch auch die Grünen sind, nimmt man die Tonlage der Debatte am Freitag ernst, offener für eine restriktivere Migrationspolitik als in der Vergangenheit. Parteichefin Ricarda Lang, Teil des linken Flügels, forderte vor Kurzem mehr Rückführungsabkommen, also auch mehr Abschiebungen.
Man dürfe „nicht kleinreden, dass es Schwierigkeiten gibt“, sagt auch die grüne Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt am Rednerpult im Plenarsaal. Ihre Lösung: vor allem mehr Geld für Kommunen. Wo das in einem Jahr mit engen Finanzspielräumen herkommen soll, ließ sie offen.
Die FDP ist, anders als ihre Koalitionspartner, auch öffentlich gewillt, über die Vorschläge der Union zu debattieren. Dass Georgien und Moldau noch immer nicht als sichere Herkunftsstaaten eingestuft sind, verstehe er auch nicht, sagt FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle während der Debatte.
Christoph Meyer, ebenfalls FDP-Fraktionsvize, sagte dem Tagesspiegel, Deutschland müsse sich eingestehen, dass „wir es nicht ‚einfach schaffen‘“. Aber die Probleme solle man „möglichst in einem parteiübergreifenden Konsens lösen sollten“. Er hoffe, dass das Papier der Union „mehr als nur Tagespolitik“ sei.
Die SPD sieht das grundsätzlich anders. Der SPD-Innenpolitiker Sebastian Hartmann glaubt nicht an die Ernsthaftigkeit der Unionsvorschläge: „Der Migrationspakt ist keine Verhandlungsgrundlage“, sagt er, „sondern reines Wahlkampfgetöse.“
- AfD
- Alexander Dobrindt
- Ampelkoalition
- CDU
- CSU
- Deutscher Bundestag
- Die EU
- Die Grünen
- FDP
- Georgien
- Nancy Faeser
- SPD
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: