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Tornados des Aufklärungsgeschwaders 51 fliegen am 01.12.2015 in Jagel (Schleswig-Holstein) über den Fliegerhorst. Das Kabinett beschloss am Dienstag den Einsatz von Aufklärungsflugzeugen und bis zu 1200 deutschen Soldaten gegen den IS. Konkret geht es um Unterstützung von Luftangriffen gegen den die Terrormiliz vor allem in Syrien und im Irak.

© dpa

Kampf gegen IS in Syrien: "Militärisches Vorgehen ist ein Teil der Antwort"

Der französische Botschafter in Berlin, Philippe Etienne, wirbt für den Militäreinsatz in Syrien und eine deutsche Unterstützung.

Nur wenige Wochen nach den Terroranschlägen von Paris richtet Frankreich die Weltklimakonferenz mit insgesamt 195 Staaten in der französischen Hauptstadt aus. Wie angespannt ist man in einer solchen Situation als Gastgeber?

Wir in Frankreich sind uns bewusst, welch große Verantwortung wir mit der Weltklimakonferenz tragen. Inhaltlich geht es um die Zukunft der Menschheit, seit den Anschlägen vor zwei Wochen hat sich aber natürlich auch die Sicherheitsfrage neu gestellt. Logistisch ist es ohnehin eine Herausforderung, denn mit fast 40.000 Teilnehmern ist es die größte Konferenz, die Frankreich je organisiert hat. Nach den terroristischen Angriffen war unsere Antwort aber sehr schnell klar: Wir werden die Konferenz nicht absagen. Darin haben uns auch alle teilnehmenden Länder bestärkt, wir lassen uns von unseren eigentlichen Zielen nicht ablenken.

Kann man in Paris überhaupt schon wieder von einem Alltag sprechen?

Ja und Nein. Ich glaube, dass unsere Bevölkerung und unsere Jugend, die ja ganz gezielt getroffen wurde, deutlich gezeigt haben, dass sie sich nicht einschüchtern lassen. Wir lassen uns von unserem Lebensstil nicht abbringen. Auf der anderen Seite waren diese Attentate so schwer und so tragisch, dass sie natürlich etwas in uns verändern. Trotzdem bleibt die wichtigste Botschaft: Wir werden den Terroristen nicht das Geschenk unserer Angst oder – noch schlimmer – unseres Hasses machen. Das bekommen sie nicht.

Gleichzeitig gibt es eine klare Kampfansage der französischen Regierung gegen den IS in Syrien. Dafür haben sie die Mithilfe der anderen europäischen Staaten gefordert. Sind Sie mit dem deutschen Angebot zufrieden?

Zunächst: Das militärische Vorgehen gegen den Terrorismus ist natürlich nicht die ganze Antwort, aber ein wichtiger Teil davon. Das ist eine gemeinsame Aufgabe, deshalb haben wir um einen Beitrag der europäischen Freunde gebeten. Die deutsche Bundesregierung unterstützt uns sehr klar, die Zustimmung durch den Bundestag vorausgesetzt. Deutschland hat uns angeboten, Frankreich konkret militärisch gegen den sogenannten Islamischen Staat (Daisch) zu unterstützen. Darüber hinaus hat es auch eine Stärkung des Einsatzes in Nord-Mali und im Nord-Irak zugesichert. Diesen konkreten Beitrag wissen wir sehr zu schätzen.

Frankreich zahlt einen hohen Preis für sein militärisches Engagement in Syrien und anderen Staaten. Die deutsche Bevölkerung ist gegenüber solchen Einsätzen traditionell sehr skeptisch. Empfindet man das in Frankreich als feige?

Nein, gar nicht. Jedes Land soll im Rahmen seiner Möglichkeiten und gemäß des eigenen gesellschaftlichen Konsens am Kampf gegen den Terror mitwirken. In Frankreich versteht man sehr wohl, dass wir in unseren beiden Ländern eine sehr unterschiedliche Geschichte haben und die allgemeine Debatte über militärische Verantwortung in Deutschland verfolgen wir sehr interessiert. Und dann müssen wir im Rahmen einer Gesamtstrategie neben der militärischen selbstverständlich auch nach einer politischen Lösung suchen. Wir wollen ein möglichst schnelles Ende dieses schrecklichen Kriegs in Syrien. Da handeln Deutschland und Frankreich in allen entscheidenden Bereichen gemeinsam.

Apropos politische Lösung: Ändert sich die französische Haltung gegenüber Assad? Wird er nun doch zum potenziellen Partner?

Philippe Etienne, seit dem 22. August 2014 neuer Botschafter von Frankreich in Berlin ; fotografiert in seinem Büro in der Französischen Botschaft am Pariser Platz 5 in Berlin-Mitte.
Philippe Etienne, seit dem 22. August 2014 neuer Botschafter von Frankreich in Berlin ; fotografiert in seinem Büro in der Französischen Botschaft am Pariser Platz 5 in Berlin-Mitte.

© Thilo Rückeis/Tsp

Unser Feind ist Daisch. Wir brauchen sicher eine Art Übergangsperiode in Syrien, dafür wollen wir, dass die  verschiedenen Teile der syrischen Bevölkerung, die Opposition und die Vertreter des Regimes miteinander sprechen und sich schließlich verständigen. Deswegen sind die Wiener Gespräche so wichtig. Wenn wir aber eine längerfristige politische Lösung erreichen wollen, die vom syrischen Volk akzeptiert wird, geht das nicht mit Assad, der einen Bürgerkrieg gegen einen Teil seiner Bevölkerung betrieben hat.

Von Syrien zurück nach Frankreich. Ein Großteil, der bisher identifizierten Attentäter von Paris waren junge Franzosen. Hat Frankreich ein Integrationsproblem?

In der Tat sind diejenigen, die wir bereits identifiziert haben, überwiegend Franzosen, die entweder in Frankreich oder in Belgien wohnten. Das stellt uns vor die Frage, wie gut die Integrationspolitik und andere politische Bereiche, wie z.B. die Bildung funktionieren. Man muss aber  auch feststellen, dass es keine einfachen Erklärungen für das Phänomen der Radikalisierung von jungen Menschen gibt. Wenn man sich die konkreten Fälle  ansieht, kommen  keineswegs alle aus Familien, die in benachteiligten Vierteln wohnen. Es gibt natürlich allgemein bekannte Plattformen für die islamistische PR, wie das Internet oder auch Gefängnisse. Es bleibt aber trotzdem schwierig, einfache Schlussfolgerungen zu ziehen.

Einfache Schlussfolgerungen zieht zum Beispiel der rechte „Front National“ mit Marine le Pen. Sie bringt den Terror in Zusammenhang mit den hohen Flüchtlingszahlen. Inwiefern profitieren rechte Strömungen von einer solchen Situation wie gerade in Frankreich?

Es geht dabei nicht nur um Frankreich. Die Gefahr ist gerade, das sieht man auch in anderen Ländern, dass wir in Europa nicht die richtigen gemeinsamen Antworten auf die Probleme finden. Denn dann wächst das Misstrauen der Bevölkerung, wenn wir zum Beispiel die Kontrolle über  unsere Schengen-Außengrenzen nicht genügend zurückgewinnen.  In der EU-Politik müssen wir auf diese Sorgen Antworten finden. Dabei muss aber eins gesichert bleiben: Unser Präsident hat noch einmal klar gesagt, dass wir den Menschen helfen müssen, die vor genau dem Terror des so genannten Islamischen Staats fliehen, der uns gerade erschüttert hat.

Wie groß ist in Frankreich die Debatte über die Innere Sicherheit und ein mögliches Versagen der Geheimdienste?

Die Debatte gibt es. Man muss aber dazu sagen, dass die Sicherheitskräfte viele weitere Anschläge vereitelt haben, dank genau dieser Dienste. Es könnte trotzdem noch einen besseren Informationsaustausch unter den verschiedenen Mitgliedstaaten geben. Die EU-Innenminister haben deshalb schon vor Wochen mit deutsch-französischem Antrieb weitere Maßnahmen beschlossen. Dabei geht es auch um die Kontrolle des Handels mit Kriegswaffen und der Außengrenzen

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