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Angela Merkel mit Volker Bouffier.

© dpa

Ratlose Hessen-CDU: Ministerpräsident Bouffier fehlt die Führungsstärke

Ein halbes Jahr vor der Landtagswahl wirkt die Hessen-CDU verunsichert. Die Parteiführung unter Volker Bouffier gerät zunehmend in die Kritik. Die Funktionäre werfen dem Ministerpräsident gar Überheblichkeit vor.

„Nach außen treten wir geschlossen auf“, das war das Mantra der Hessen-CDU unter ihren Vorsitzenden von Alfred Dregger bis Roland Koch. Inzwischen ist offenkundig: Auch in diesem konservativen Landesverband der CDU gärt es. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder, 35, will nicht die Kandidatenliste der Hessen-CDU für die Bundestagswahl anführen. Deshalb muss Franz Josef Jung, Ex-Minister in den Ressorts Arbeit und Verteidigung, noch einmal ran. Nummer eins wird also ein 64-Jähriger, der als Minister zurücktreten musste; die junge Hoffnungsträgerin stellt sich demonstrativ hinten an. Sie vermisse den Rückhalt in ihrem Landesverband, stehe als Galionsfigur nicht zur Verfügung, heißt es in ihrem Umfeld.

Wenige Monate vor der Landtagswahl, die zeitgleich mit der Bundestagswahl stattfindet, wirkt die hessische CDU rat- und führungslos. Schon die Terminwahl forderte den Spott der Opposition heraus: CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier, 61, verstecke sich hinter der populären Bundeskanzlerin Angela Merkel, statt mit einem eigenen Wahltermin Selbstbewusstsein zu demonstrieren. Auch CDU- Strategen sehen ein Risiko. In den Umfragen zur Landtagswahl liegt Rot-Grün vor CDU und FDP. Die Landesregierung bekommt bescheidene Zensuren. Zudem ist die Partei durch Niederlagen bei OB-Wahlen verunsichert. In Frankfurt am Main unterlag der amtierende Innenminister Boris Rhein und in Wiesbaden scheiterte die Wiederwahl des CDU-Oberbürgermeister Helmut Müller.

Unter Dregger und Kanther hatte sich die in Hessen stets schwächelnde CDU mit einem stramm konservativen Profil vom Honoratiorenverein zur Regierungspartei gemausert. Mit populistischen Wahlkämpfen gegen Rot-Grün im Bund konnte Roland Koch die Ernte einfahren. Doch der konservative „Kampfverband“ hat an Bindungskraft verloren. Die ländlichen, klerikal geprägten Milieus bröckeln, die urbanen wenden sich den Grünen zu.

Im Herbst wurde ein CDU-Positionspapier öffentlich, das den Kurs der Parteiführung unter Ministerpräsident Bouffier heftig kritisierte. Von „Regierungsüberheblichkeit“ und „unnötigen Machtdemonstrationen“ war da die Rede; die Autoren, der ehemalige Landesminister Jürgen Banzer und die Frankfurter Abgeordnete Bettina Wiesmann, plädierten für sozialpolitische Korrekturen. Reformer und Bewahrer treten inzwischen sogar in Kampfkandidaturen gegeneinander an. Ministerpräsident Bouffier vermochte auch als Parteivize der Bundespartei nicht aus dem Schatten seines Vorgängers Koch herauszutreten. Bouffier hatte Koch einmal als „unseren Anführer“ bezeichnet. Genau das ist er selbst nicht. Bei der umstrittenen Verkürzung der gymnasialen Schulzeit auf acht Jahre kündigte Bouffier überraschend Korrekturen an, bevor er mit dem Koalitionspartner FDP ein Konzept vereinbart hatte. Irritierte und verärgerte Schüler, Lehrer und Eltern sammeln inzwischen Unterschriften gegen die Reform der Reform.

Die forsche Bundesfamilienministerin Schröder, die Bouffier zunächst zur Spitzenkandidatin machen wollte, trat vehement für die Homo-Ehe ein, die Landespartei widersprach. Der nach Bouffier wichtigste Landespolitiker, der Landtagsfraktionsvorsitzende Christean Wagner, 70, profiliert sich gleichzeitig als Strippenzieher des konservativen „Berliner Kreises“, dem die ganze Richtung der Merkel-CDU nicht passt.

Auch in Hessen hat die Regierungspartei ihren Stammwählern viel zugemutet. Die Abschaffung oder Aussetzung der Wehrpflicht galt länger als tabu als andernorts. Noch nach der Katastrophe von Fukushima versicherte Bouffiers Umweltministerin, Lucia Puttrich, die ältesten Atommeiler der Republik in Biblis seien sicher. Wenige Tage später verfügten Bouffier und Puttrich die Abschaltung. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof rügte, es habe keine angemessene Abwägung gegeben, außerdem sei dem Betreiber RWE rechtswidrig die Anhörung verweigert worden. RWE hat nun gute Aussichten auf einen dreistelligen Millionenbetrag Schadenersatz.

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