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„Möchte kein Stachel im Fleisch der SPD sein“: Mützenich fordert ernsthafte und respektvolle Debatte über „Manifest“
In der SPD wird heftig über Verteidigung und den Russland-Kurs gestritten. Der Ex-Fraktionschef kritisiert, wie zwei Wochen vor dem Parteitag mit den Unterzeichnern des Papiers umgegangen wird.
Stand:
In einem umstrittenen Positionspapier hatten rund 100 Unterzeichner aus der SPD eine grundsätzliche Umkehr in der Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesregierung und auch direkte diplomatische Gespräche mit Russland gefordert. Daraufhin hatte es teils massive Kritik gegeben.
Der ehemalige SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich kritisiert den Ton in der Kontroverse um das auch von ihm unterzeichnete „Manifest“. „Ich würde mir eine ernsthaftere und respektvollere Debatte über die Inhalte des Papiers wünschen“, sagte Mützenich der „Rheinischen Post“ („RP“). Das sei möglich und notwendig. „Manche Vorhaltungen und manche Verkürzungen bis hinein in meine Partei haben mich in den vergangenen Tagen aber schon geschmerzt.“
Als Beispiele dafür nannte Mützenich: „Dass ich blauäugig sei, dass ich im Bonner Hofgarten stehengeblieben sei, bis hin zu dem Hinweis, dass ich ja ins Bündnis Sahra Wagenknecht gehen könnte.“
Wenn wir als SPD nicht Richtung zehn Prozent rutschen wollen, müssen wir darüber diskutieren, wie wir uns für Frieden und Abrüstung einsetzen.
Ralf Stegner, SPD
Das Positionspapier wurde rund zwei Wochen vor dem SPD-Bundesparteitag bekannt. Es löste Irritationen nicht nur in der SPD, sondern auch beim Koalitionspartner Union aus. Kanzler und CDU-Chef Friedrich Merz hatte betont, dass er auf völlige Einigkeit mit der SPD-Spitze setze.
Zum Zeitpunkt der Publikation sagte Mützenich, das Manifest zirkuliere seit Wochen unter den Mitgliedern der SPD, es sei also zunächst unabhängig vom SPD-Parteitag. „Wir waren auf der Suche nach einem geeigneten Zeitpunkt für die Veröffentlichung. Wenn wir es vor der Wahl publiziert hätten, hätte man uns parteischädigendes Verhalten vorgeworfen.“ Da die Parteiführung sich nach der Wahl nun dazu entschieden habe, eine Diskussion über ein neues Grundsatzprogramm und über das Selbstverständnis sozialdemokratischer Politik in allen Bereichen zu führen, „hielten wir jetzt den Zeitpunkt für geeignet“.
In dem vielfach kritisierten Positionspapier fordern die Unterzeichner auch direkte diplomatische Gespräche mit Russland. Mützenich hob die Bedeutung des Dokuments als innerparteilichen Debattenbeitrag hervor. „Ich verlange nicht unmittelbare Schritte. Aber ich verlange einen respektvollen Umgang mit den Unterzeichnern. Ich nenne ja Befürworter von massiver Aufrüstung auch nicht Kriegstreiber, sondern setze mich mit ihren Argumenten auseinander.“ Das erwarte er auch von der anderen Seite.
Zuvor hatte sich Mützenich schon im Tagesspiegel geäußert. „Die Reflexe, die kommen, sind leider nicht neu“, sagte er. Aber das Dokument allein auf Russland zu verengen, wird den Gedanken und Forderungen bei weitem nicht gerecht. Daher hoffe ich auf angemessene und ernsthafte Auseinandersetzung mit unseren Ideen.“
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Auf die Frage, zu seiner Rolle in den kommenden schwarz-roten Regierungsjahren sagte der Ex-Fraktionschef nun der „RP“: „Mein Ziel ist nicht, ein Stachel im Fleisch der SPD oder der Koalition zu sein. Ich möchte aber die Standpunkte, die anderen und mir wichtig sind und für die ich bereits mein ganzes Leben ringe, weiterhin einbringen.“
Einer der weiteren Mitunterzeichner, der SPD-Politiker Ralf Stegner, rief dazu auf, beim Parteitag Ende Juni eine Debatte über den Kurs der Partei in der Friedenspolitik zu führen. „Wenn wir als SPD nicht Richtung zehn Prozent rutschen wollen, müssen wir darüber diskutieren, wie wir uns für Frieden und Abrüstung einsetzen“, sagte er den Funke-Zeitungen vom Freitag. Die Themen Migration und Friedenspolitik habe die SPD „kampflos den Populisten überlassen“, sagte Stegner mit Blick auf AfD und BSW.
Mützenich und Stegner zählen zu den insgesamt rund 100 Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern des am Mittwoch veröffentlichten sogenannten Manifests, das eine grundsätzliche Umkehr in der Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesregierung fordert. In dem Grundsatzpapier kritisieren sie eine „militärische Alarmrhetorik“ und schlagen Gespräche mit Russland sowie einen Stopp der Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen in Deutschland vor. Es stieß auch innerparteilich auf massive Kritik.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) wies die Forderung prominenter Parteikollegen nach einer Kehrtwende in der Russland-Politik am Donnerstagabend erneut zurück. In der ZDF-Talksendung „Maybrit Illner“ erinnerte er an die jüngsten Angriffe Russlands auf die ukrainische Zivilbevölkerung. „Wie man sich in dieser Phase eine engere Zusammenarbeit mit Russland auch nur vorstellen kann, ist völlig befremdlich“, sagte Pistorius, der aus Kiew zugeschaltet war.
Woidke reagiert gelassen auf „Manifest“
Pistorius berief sich in seiner Gegenrede auf den früheren Bundeskanzler und Außenminister Willy Brandt (SPD). Dieser habe sich seinerzeit zu hohen Verteidigungsausgaben bekannt, weil er wusste, „dass man mit der sowjetischen Seite nur aus einer Position der Stärke heraus überhaupt verhandeln kann“.
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) reagierte gelassen auf das Positionspapier. „Ich habe die Aufregung um dieses Papier nicht verstanden“, sagte Woidke, der auch SPD-Landesvorsitzender in Brandenburg ist.
„Ich sehe, dass hier Menschen eine andere Meinung haben als andere Menschen. Das passiert in der Gesellschaft, das passiert auch innerhalb der SPD und ich halte die ganze Diskussion für übertrieben.“ (lem)
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