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Mysteriöse Agentur will Youtuber beeinflussen: Versuchte Kampagne gegen Biontech – was steckt dahinter?
Gegen Geld sollten Influencer Falschinformationen und Verschwörungen über Biontech verbreiten. Hinweise deuten auf Drahtzieher aus Russland hin.
Stand:
Eine angeblich britische Agentur namens „Fazze“ hat in den vergangenen Tagen versucht, falsche und irreführende Informationen über Nebenwirkungen und Todesfälle in Folge einer Impfung mit dem Biontech/Pfizer-Vakzin zu verbreiten. Davon berichten mehrere Influencer und Youtuber aus Frankreich, inzwischen ist auch der deutsche Youtuber und Journalist Mirko Drotschmann ("MrWissen2Go") betroffen.
Ihnen sei angeboten worden, gegen Bezahlung auf Ihren Kanälen zu behaupten, die Impfung mit dem Biontech/Pfizer-Impfstoff führe zu dreimal mehr Todesfällen als jene mit Astrazeneca. Insgesamt sei sie für mehr als tausend Tode weltweit verantwortlich.
Der französische Youtuber „Et ça se dit Médicin“ berichtete via Twitter von 2000 Euro, die ihm für das Video angeboten worden waren. Ein anderer Youtuber, Léo Grasset, veröffentlichte Screenshots der Anfrage. Das Dokument liegt auch der französischen Tageszeitung Le Monde vor.
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In seinem Video solle er demnach das Sponsoring nicht erwähnen und behaupten, die „Mainstream-Medien“ würden die Zahlen unterschlagen. Weiterhin solle er fragen, „warum manche Regierungen aktiv Pfizer-Impfstoff kaufen sollten, wenn es gefährlich für die Bevölkerung“ sei. Am Ende sollen Zuschauer:innen ermutigt werden, „ihre eigenen Schlüsse zu ziehen“.
Um ihre Behauptungen zu stützen, sollten die Influencer sich auf eine angehängte Tabelle berufen und behaupten, sie stamme von einem Datenleak bei Astrazeneca. Die Tabelle listet dabei die Todesfälle unter geimpften Personen auf und suggeriert, dass die Impfung mit dem Biontech/Pfizer-Impfstoff zu wesentlich mehr Todesfällen führe. Während die Zahlen zu den Todesfällen in Frankreich grundsätzlich richtig sind, stimmt der Zusammenhang nicht.
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Die Tabelle legt nahe, dass 386 Personen in Frankreich wegen des Biontech/Pfizer-Impfstoffes gestorben seien. Richtig ist aber, dass 386 geimpfte Personen in Frankreich gestorben sind. Der Grund dafür kann aber auch ein Autounfall oder eine andere Krankheit sein. Die Zahl steht in keinem Zusammenhang mit der Impfung. Auch das angebliche Datenleak von AstraZeneca bleibt eine beleglose Behauptung – von AstraZeneca wurde kein Leak gemeldet.
Unbekannter Urheber
Unklar ist, wer hinter der Desinformationskampagne steckt. Der Auftraggeber der Agentur möchte angeblich anonym bleiben. Der Sitz der Agentur „Fazze“ war in London angegeben – was Nutzer:innen auf sozialen Netzwerken spekulieren lässt, das britisch-schwedische Pharmaunternehmen AstraZeneca habe die Kampagne mit dem Ziel in die Wege geleitet, den eigenen, unbeliebteren Impfstoff besser verkaufen zu können.
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Das Unternehmen streitet allerding jegliche Verbindung ab. Auf Anfrage des französischen Nachrichtensenders BFM-TV schreibt es: „Jede Initiative, die darauf abzielt, das Vertrauen in Impfstoffe zu untergraben, verurteilen wir auf das Schärfste und weisen die offensichtlich haltlosen Kommentare in sozialen Netzwerken, die über unsere Beteiligung an solchen Aktivitäten spekulieren, kategorisch zurück.“
Gelöschte Profile und eine Fake-Adresse
Auch andere Hinweise deuten darauf hin, dass AstraZeneca unbeteiligt an den Anfragen war. Nach Recherchen des Nachrichtenportals Numerama ist „Fazze“ nicht als Unternehmen in Großbritannien gelistet. An der Adresse, die das Unternehmen auf seiner Website angegeben hatte, befindet sich auch kein Büro, sondern Postfächer von 177 Unternehmen – Fazze ist keines davon.
Inzwischen ist die Adresse auf der Website des Unternehmens nicht mehr zu finden. Auf Anfragen von Le Monde und Numerama reagierte das Unternehmen nicht. Im Laufe der vergangenen Tage haben Personen, die auf dem Karriereportal LinkedIn angegeben hatten, für das Unternehmen zu arbeiten, ihre Profile gelöscht oder auf „privat“ umgestellt. Sie waren größtenteils Russinnen oder Russen. So auch der Geschäftsführer – aus dessen Profil hervorgegangen war, dass das Unternehmen von Moskau aus arbeitete, und nicht aus London.
Weiterhin deckt sich die Argumentationsweise, die die Youtuber verbreiten sollten, mit den Social-Media Posts der Hersteller:innen des russischen Impfstoffs Sputnik V. Auch hier wird der Impfstoff von Biontech/Pfizer schlecht dargestellt, der von AstraZeneca allerdings nicht. Wie auch im Fall mit der Todesfall-Tabelle wurden fragwürdige Zahlen und Methoden verwendet, um falsche Schlüsse ziehen zu können, wie Carl Bergstrom von der University of Washington beschreibt.
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Dennoch handelt es sich bisher bei allen Verdächtigungen lediglich um Mutmaßungen. Der Impfstoff Sputnik V wurde etwa in der Kampagne nicht erwähnt.
Das französische Gesundheitsministerium gab gegenüber BFM-TV vergangenen Dienstag an, das Thema sehr ernst zu nehmen und aufmerksam zu verfolgen. Olivier Véran, der Gesundheitsminister, bezeichnete die Kampagne als „lausig, gefährlich und unverantwortlich.“ Allerdings wisse auch er nicht, wo sie ihren Ursprung habe - ob in Frankreich oder im Ausland.
Francesco Schneider-Eicke
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