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Kanzler Scholz:  „Eine ganz nette Unterbrechung“

© dpa/Michael Kappeler

19 Stunden Sitzung – und kein Ergebnis: Findet die Regierung noch einen gemeinsamen Weg?

In einer Marathon-Sitzung verhandelten die Ampel-Partner miteinander, ohne Ergebnis. Nun haben sie die Sitzung vertagt. Es geht um Großes.

Die Regierung ist müde. Am Montagmittag fliegt Kanzler Olaf Scholz (SPD) mit einigen seiner wichtigsten Minister im Helikopter vom Kanzleramt zum Berliner Flughafen, nachdem sie in einer spektakulären Nachtsitzung, die sich über 19 Stunden zog, im Koalitionsausschuss miteinander verhandelt haben. „Wenn wir noch zehn Minuten länger geflogen wären, wären wahrscheinlich alle eingeschlafen“, sagt einer der Mitreisenden.

Von gereizter Stimmung im Luftwaffen-Airbus, der die Kabinettsmitglieder zu Regierungskonsultationen mit der niederländischen Seite nach Rotterdam bringt, kann jedoch keine Rede sein. Der wartende Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bekommt von der grünen Außenministerin Annalena Baerbock ein Küsschen.

Die zähen Koalitionsgespräche, die an diesem Dienstag um 9 Uhr vormittags fortgesetzt werden sollen, müssen jetzt erst einmal warten.

So kurzfristig ist die Entscheidung gefallen, dass Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner nicht mit im Helikopter saß, sondern mit dem Auto nachkam. Zwischendurch hieß es, er fliege doch nicht mit, damit der Koalitionsausschuss weiterberaten könne.

Der Druck auf die Ampel, endlich ihren Streit auf zentralen Politikfeldern beizulegen, ist groß. Chaos ist programmiert.

Weitertagen oder wegfliegen?

Es ging also um die Frage: Weitertagen oder wegfliegen? Erst einmal hat die Regierung sich für wegfliegen entschieden. Es ist eine Verschnaufpause, vielleicht ist das nicht schlecht, „eine ganz nette Unterbrechung“ sagt Kanzler Scholz am Rande der Regierungskonsultationen in Rotterdam. Außerdem sei so eine lange Nacht, die man zusammen verbringe, ja auch „eine gemeinsame Erfahrung“.

Dass die Koalitionäre von SPD, Grünen und FDP sich in den Verhandlungen derart verhaken würden, war noch am Vormittag nicht abzusehen, Scholz’ Sprecher Steffen Hebestreit hatte am Mittag in der montäglichen Pressekonferenz noch vor Abflug „ein gutes Ergebnis“ versprochen.

Es geht um große Vorhaben der Koalition. Bei Kanzler Scholz wird es sich am Abend in Rotterdam so anhören, als würden ganz neue Koalitionsverhandlungen geführt, derart grundsätzlicher Natur sollen die Beschlüsse werden, wenn sie denn kommen. Man sei sich einig, dass eine Vielzahl bestehender Gesetze nicht mehr zur notwendigen Modernisierung Deutschlands passten.

Es geht um die Planungsbeschleunigung, die wichtig ist, um schneller Windräder zu bauen und Straßen zu sanieren. Um das klimaneutrale Heizen.

Wir müssen klar machen, dass auch Klimaschutz eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, dass es da keine Arbeitsteilung geben kann.

Robert Habeck, Grünen-Wirtschaftsminister

Es geht um Sektorziele, die die FDP im Gegensatz zu den Grünen aufheben will, und lieber in einer „sektorübergreifenden“ und „mehrjährigen Gesamtrechnung“ überprüfen will. So hatten sie es in den Koalitionsvertrag verhandelt. Es geht um das Klimaschutzsofortprogramm. Wie weiter in der Verkehrspolitik?

Große Fragen stehen im Raum: Findet die Regierung noch einen gemeinsamen Weg? Es gebe „viele Zielkonflikte“, räumte Hebestreit am Mittag ein.

Hauptstreitpunkt Klimaschutz

Der Klimaschutz ist der Hauptstreitpunkt. Habeck berichtete vergangene Woche in einem Tagesthemen-Interview fast beiläufig, dass das Vertrauen in die Regierung beschädigt sei, man müsse klar machen, dass es beim Klimaschutz „keine Arbeitsteilung geben kann“.

Unser Vorschlag an die EU-Kommission ist das Aus für das Verbrenner-Aus.

Volker Wissing, FDP-Verkehrsminister

Doch genau diese Arbeitsteilung, so die Lesart der Grünen, wollen FDP und SPD. Für sie ist das ein Problem, sie wirken wie die Verbotspartei, die sie nicht mehr sein wollten, und sie stehen der FDP zunehmend unversöhnlich gegenüber.

Das ist ein Teil der Erklärung dafür, warum so lange getagt wurde. Am Anfang nämlich stand am Sonntagabend, ehe man sich gemeinsam über das vorbereitete Kanzleramtspapier zu den möglichen Beschlüssen beugte, eine offene Aussprache. Gerade die Grünen, die den Daueroptimismus des Kanzlers zuletzt als beschönigend empfunden haben und ihre eigene Glaubwürdigkeit in der Klimapolitik gefährdet sehen, hatten Redebedarf.

Konkrete Details dringt aus dem Sitzungsmarathon nicht nach außen. Teilnehmer berichten, es habe wenige Unterbrechungen gegeben, dafür Arbeit in kleinen Gruppen. Man habe „viele, viele Verständigungen gewonnen“, sagt Scholz in Rotterdam, man habe „freundlich“ und „vertraulich“ miteinander geredet.

Sein Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt ist anders als geplant nicht mit nach Rotterdam geflogen. Er ist in Berlin geblieben und feilt an möglichen Kompromisslinien - damit es an diesem Dienstag klappt.

Er hat verpasst, wie sich Abflug nach Rotterdam am Mittag verzögerte. „Probleme mit unserer Treppe“, teilte die Crew mit. Es hakt gerade einfach in der Ampel.  

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