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Donald Trump.

© imago images / ZUMA Wire

Nach dem ersten TV-Duell: Trump ist der Sieger

Biden wirkt erschreckend alt und langsam. In einer konfrontativen Welt ist Trumps Energie für US-Wähler wichtiger als Bidens Integrität. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Die Nacht war ein Desaster für Joe Biden. Millionen Fernsehzuschauer haben einen alten Mann gesehen, der Zeit braucht, um sich zu konzentrieren und die Worte zu formen, mit denen er seinen Rivalen angreifen möchte.

Altersmäßig liegen dreieinhalb Jahre zwischen Donald Trump (74) und Joe Biden (77). Auf der TV-Bühne in Ohio schien es, als entstammten sie unterschiedlichen Generationen. Wächsern wirkte die Haut von Biden im Scheinwerferlicht und steif seine Bewegungen. Kraftstrotzend und angriffslustig agierte Trump.

[Viele Kollegen haben das erste TV-Duell zwischen Joe Biden und Donald Trump mit Spannung verfolgt. Die Frage "Wer hat gewonnen?" beantworten sie ganz unterschiedlich. Lesen Sie hier einen Kommentar von Malte Lehming, der klar Joe Biden als Sieger des Abends sieht.]

Gleichwohl analysieren viele Beobachter, Biden sei der Sieger der Debatte. Ihre Begründungen für dieses Urteil sind nachvollziehbar. Biden hatte die Fakten auf seiner Seite und bei vielen Themen die besseren Argumente.  Er hat verbal ausgeteilt, wenn Trump ihn beschimpfte, ohne sich auf ein Schreiduell einzulassen. „He stands his ground“, sagen viele anerkennend – er hat kein Terrain preisgegeben. Insoweit erfüllte er die Erwartungen.

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Nach Stilnoten siegt Biden, nach Durchsetzungskraft Trump

Biden wirkte auch höflicher und präsidialer. Er unterbrach Trump viel seltener als umgekehrt Trump ihn. Nach Stil und inhaltlichen Argumenten mag der großväterliche Gentleman gegen den Bully gewonnen haben.

Nur: Sind das die entscheidenden Disziplinen?

Die US-Wähler haben die Wahl: Zwischen einem ruppigen und oft unverschämten Präsidenten, der zudem lügt, aber voll im Saft zu stehen scheint und Energie ausstrahlt. Sowie einem höflichen und im Habitus mehr Vertrauen erweckenden Mann, der seinen Gegner zumeist ausreden lässt, aber alt und ein bisschen müde aussieht.

Biden quält sich, Trump genießt den Streit

Auftreten und Körpersprache haben zwei Seiten mit gegensätzliche Botschaften – und es liegt im Auge der Betrachter, wie sie sie bewerten. Trump unterbrach Biden häufig. Die Einen urteilen, das sei  unfair, die Anderen sehen es als Zeichen von Durchsetzungsfähigkeit und Dominanz.

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Wenn Trump an den Haaren herbeigezogene Vorwürfe gegen Biden und seine Familie erhob oder sich mit Schwindeleien gegen Kritik an seiner Corona-Bekämpfung und seinen Steuertricks verteidigte, reagierte Biden mit gequältem Lächeln und Kopfschütteln. Für die Einen hat er so den Lügner bloß gestellt. Die Anderen nehmen die Körpersprache wörtlich: Für Biden sind solche Auseinandersetzungen eine Qual. Trump hingegen wirkt, als würde er sie genießen und sich mit mehr Energie aufladen, als er für den Streit aufwendet.

Die Konflikte nehmen zu. Wer verteidigt US-Interessen besser?

Dies spielt sich in einer Welt ab, in der die Konflikte und Regelbrüche international zunehmen. Wem trauen die Wähler es eher zu, ihre Interessen zu verteidigen: dem verbindlichen, präsidial auftretenden älteren Mann oder dem kraftstrotzenden Bully?

Auf einmal kann man sich vorstellen, wie Trump die Wahl doch noch gewinnt – obwohl er im Schnitt der landesweiten Umfragen über sechs Prozentpunkte zurückliegt. Und in den entscheidenden „Battleground States“ mit 3,5 Prozentpunkten. Die meisten Wähler haben sich laut Umfragen zwar längst entschieden, wen von beiden sie wählen würden. Und die TV-Debatten führen nach aller Erfahrung selten dazu, dass Wähler massenweise vom einen ins andere Lager wechseln.

Aber die Bilder vom Aufeinandertreffen entfalten Wirkung. Sie motivieren Trump-Fans erst recht, zur Wahl zu gehen. Und sie können Bürger, die für Biden stimmen wollten, ins Grübeln bringen. Das muss nicht dazu führen, dass sie Trump wählen. Doch wenn sie aus Zweifel an Bidens Fitness nicht zur Wahl gehen, könnten ihm diese Stimmen am Ende fehlen. Zwei weitere TV-Duelle folgen, und wenn Biden keinen Weg findet, den Eindruck der ersten Debatte zu korrigieren, könnte Trump am Ende triumphieren.

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