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Explosion auf der Krim-Brücke.

© Imago/Vladimir Mordunov

Update

„Das ist ein Terrorakt“: Putin macht ukrainischen Geheimdienst für Explosion der Krim-Brücke verantwortlich

Die für Russland wichtige Krim-Brücke ist von einer Detonation erschüttert worden. Nun hat sich erstmals der russische Staatschef zu Wort gemeldet. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu den Entwicklungen.

Wladimir Putin hat die Vorgänge auf der Krim-Brücke zunächst nicht kommentiert. Nun hat er sich am Sonntagabend zu Wort gemeldet und den ukrainischen Geheimdienst SBU für die schwere Explosion auf der Krim-Brücke verantwortlich gemacht. „Es gibt keine Zweifel. Das ist ein Terrorakt, der auf die Zerstörung kritischer ziviler Infrastruktur der Russischen Föderation ausgerichtet war“, sagte Putin. Er will am Montag nach Angaben des Kreml eine Sitzung des russischen Sicherheitsrates leiten.

Was ist passiert?

Auf der Brücke über die Straße von Kertsch zwischen dem russischen Festland und der Krim kam es am Samstagmorgen um 6.07 Uhr Ortszeit nach russischen Angaben zu einer Explosion, die ein riesiges Feuer auslöste. Auf der Autospur der Brücke seien dadurch sieben Tankwaggons eines Güterzuges auf dem Weg zur Krim in Brand geraten, teilte das Komitee mit. Zwei Fahrbahnen wurden beschädigt, der Auto- wie der Bahnverkehr über die Brücke kamen zunächst zum Erliegen. In Online-Netzwerken waren Aufnahmen zu sehen, die zeigten, dass Teile der Brücke ins Wasser gestürzt waren.

Wie kam es zu der Explosion?

Nach Angaben von Moskauer Ermittlern soll ein von russischer Seite kommender, mit Sprengstoff beladener Lastwagen explodiert sein. Das Fahrzeug kam demnach vom russischen Festland und fuhr in Richtung des Küstenorts Kertsch auf der Krim. Durch die Explosion seien sieben mit Treibstoff gefüllte Kesselwägen des Güterzugs in Brand geraten. Dadurch seien Teile der Fahrbahn eingestürzt. Mindestens drei Menschen kamen ums Leben. Die Behörde erklärte nicht, wie ein einzelner Lastwagen Schäden eines solchen Ausmaßes angerichtet haben könnte.

Diese Aufnahme soll den Zeitpunkt der Explosion zeigen:

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Was ist über die Angriffsmethode bekannt?

Tony Spamer, ein ehemaliger Experte der britischen Armee für Brückenabrisse, hat Zweifel, dass allein eine LKW-Bombe für die Explosion verantwortlich ist. Eine solche reiche nicht aus, um die Struktur zum Einsturz zu bringen. „Du musst die ganze Breite der Brücke angreifen. Wenn man es betrachtet, sieht es aus, als wäre es von unten angegriffen worden.“, sagte er gegenüber dem „Wall Street Journal“. Ein Boot könne zum Beispiel mit Sprengstoff beladen gewesen sein.

Der australische Ex-General Mick Ryan erklärte via Twitter, dass die Sprengung einer solchen Brücke „eine Menge Sprengstoff und eine gute Planung“ erfordern. Stahlbetonbrücken wie die Krim-Brücke seien die „am schwierigsten zu sprengenden Brücken“. Für einen solchen Brand sei mehr Sprengkraft nötig, als ein paar Soldaten tragen könnten. Es bedürfe Laster oder Raketen beziehungsweise Bomben.

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Ein militärischer Sabotageexperte geht gegenüber dem Tagesspiegel ebenfalls von einer „exakt geplanten, komplizierten militärischen Aktion“ aus. „Die Fahrbahn ist an zwei Stellen etwa 50 bis 80 Meter entfernt eingestürzt. Das deutet eindeutig auf eine gezielte und sehr gut vorbereitete Sprengung an den so genannten Knickstellen hin, zumindest auf der rechten Seite. Der Rest kann durch die Wucht der Erschütterung eingestürzt sein.“

Eine LKW-Bombe, die vielleicht 200 oder 300 Kilogramm wog, hätte ein riesiges Loch gerissen. Auch wäre der LKW dann nicht mehr vorhanden oder nur noch Trümmer davon übrig.

Wer könnte hinter dem Manöver stecken?

Moskau vermied zunächst direkte Schuldzuweisungen etwa an die Ukraine. Der Präsident des von Russland auf der Krim eingesetzten Regionalparlaments, Wladimir Konstantinow, sprach aber von einem Angriff durch „ukrainische Vandalen“.

Die Internetzeitung „Ukrajinska Prawda“ berichtete unter Berufung auf Sicherheitskreise in Kiew, dass der ukrainische Geheimdienst SBU hinter der Spezialoperation stecke. Der SBU bestätigte das nicht, veröffentlichte aber wie viele offizielle Stellen in der Ukraine in den sozialen Netzwerken Aufnahmen von der brennenden Brücke – und stellte ein Gedicht dazu.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ließ eine Beteiligung seiner Untergebenen an der Explosion am Samstagabend offen. In der Ukraine sei es großteils sonnig und warm gewesen, „auf der Krim leider bewölkt, obwohl auch dort warm“, sagte er in seiner täglichen Videoansprache. Näher ging er auf den Vorfall nicht ein.

Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, spricht während eines Videomeetings.
Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, spricht während eines Videomeetings.

© Foto: Ukrainian Presidential Press Office/Planet Pix via ZUMA Press Wire/dpa

Allerdings forderte er anschließend einmal mehr die Russen zur Aufgabe und Flucht auf. Das sei ihre beste Option, um am Leben zu bleiben, so Selenskyj. Es werde eine Zukunft ohne Besatzer geben in der Ukraine. „Auf unserem ganzen Territorium, insbesondere auf der Krim“, sagte er.

Nach Ansicht des ukrainischen Präsidentenberater Mychailo Podoljak führt die Spur nach Russland: „Es ist erwähnenswert, dass der explodierte Lastwagen allen Anzeichen nach von der russischen Seite auf die Brücke fuhr“, erklärte er. „Die Antworten sollten also in Russland gesucht werden“, fügte Podoljak hinzu.

Warum ist die Brücke so wichtig?

Die auf Anordnung von Putin gebaute Straßen- und Eisenbahnbrücke führt über die Straße von Kertsch und verbindet seit 2018 die von Russland annektierte ukrainische Halbinsel Krim mit dem russischen Staatsgebiet. Derzeit dient sie vor allem auch zum Transport militärischer Ausrüstung für die russischen Streitkräfte in der Ukraine. Wenn diese Hauptversorgungsroute auf die Krim unterbrochen ist, wird die russische Armee im Süden Nachschubschwierigkeiten bekommen.

Fahrzeuge stehen an der Einfahrt zu einer Fährlinie über die Meerenge von Kertsch im Hafen von Kavkaz.
Fahrzeuge stehen an der Einfahrt zu einer Fährlinie über die Meerenge von Kertsch im Hafen von Kavkaz.

© Foto: IMAGO/Roman Sokolov

Jede ernsthafte Beeinträchtigung des Verkehrs auf der Brücke könne tiefgreifende Auswirkungen auf Russlands militärische Fähigkeit in der Südukraine haben, schreibt etwa auch die „New York Times“. Mit der teilweisen Zerstörung der Brücke sei dem Historiker und Russlandexperte Sergey Radchenko zufolge zudem eine Fluchtroute für die Bewohner:innen der Krim unterbrochen.

Wie reagieren russische Staatsmedien auf den Vorfall?

Russische Staatsmedien bezeichneten die Explosion als „Notfall“, nicht als Angriff. Die russischen Behörden bemühten sich auch, die Auswirkungen der Schäden an dem Bauwerk herunterzuspielen. Der Auto- und Zugverkehr über die Brücke wurde nach russischen Angaben bereits wieder aufgenommen. Die Passagier-Fernzüge zwischen Russland und der Krim verkehrten demnach am Sonntag „nach Fahrplan“.

Welche möglichen Folgen hat das für den Kriegsverlauf?

Russland hat immer wieder betont, dass ein Angriff auf die Brücke ein klares Überschreiten der roten Linie sei. Der Machtapparat in Moskau drohte für den Fall mit Angriffen auf die Kommandozentralen in Kiew.

Der prominente russische Außenpolitiker Leonid Sluzki sprach von einem „Terroranschlag“. Wenn sich die ukrainische Spur bei dem Anschlag bestätige, „werden Folgen unabwendbar“ sein, sagte Sluzki am Samstag in der Krim-Hauptstadt Simferopol. „Die Antwort sollte hart ausfallen, aber nicht unbedingt frontal“, sagte er. 

Die Brücke wurde schwer beschädigt.
Die Brücke wurde schwer beschädigt.

© imago/ITAR-TASS / Imago/Moya Feodosiya

Der 54-Jährige, der in der Staatsduma den Auswärtigen Ausschuss leitet, sagte, dass Russland Erfahrungen habe mit dem Kampf gegen Terroristen. Solche „Terroranschläge“ wie auf die Brücke müssten künftig verhindert werden. Zugleich kündigte er an, dass die Brücke repariert werde.

Russland könnte nun seine Truppen im Süden der Ukraine verstärken, zulasten von anderen Positionen, schreibt der Militärexperte Mick Ryan. Und: „Wer auch immer hinter dem Brand stecke: Die Welt sehe nun, dass Russland nicht im Stande sei, die annektierten Gebiete zu schützen.“

Sollte die Explosion tatsächlich von ukrainischer Seite verübt worden sein, würde dies erneut zeigen, wozu die Ukraine fähig ist. Militärexperte Ryan vermutet, dass es sich um einen Teil des ukrainischen Plans handeln könnte, die Krim zurückzuerobern – oder um ein Ablenkungsmanöver.

Seit dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine Ende Februar kam es mehrfach zu Explosionen auf der Krim mit schweren Schäden, darunter auf Militärstützpunkten. Es gab auch aus Kiew häufiger Drohungen, die Brücke unter Beschuss zu nehmen. Die Rückeroberung der Krim wird von der ukrainischen Regierung immer wieder als Kriegsziel ausgegeben.

Der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak erklärte auf Twitter, dies sei „der Anfang“. Er reklamierte keine direkte Verantwortung der Ukraine für den Vorfall, schrieb aber auch:

Alles Illegale muss zerstört werden, alles Gestohlene muss an die Ukraine zurückgegeben werden, alles, was von Russland besetzt ist, muss vertrieben werden.

Der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak
Ein Helikopter löscht die Brände auf der Krim-Brücke.
Ein Helikopter löscht die Brände auf der Krim-Brücke.

© IMAGO/Sergei Malgavko

Wie reagierte man innerhalb der Ukraine?

Innerhalb der Ukraine erntet der Zwischenfall zahlreiche schadenfreudige und spöttische Reaktionen.

Der Morgen war noch nie so ein schöner.

Der ukrainische Postchef Ihor Smyljanskyj

Der ukrainische Postchef Ihor Smyljanskyj etwa kündigte im Nachrichtenkanal Telegram den Druck einer Sondermarke von der Brücke an. „Der Morgen war noch nie so ein schöner. Zu diesem Feiertag bringen wir eine neue Marke heraus mit der Krimbrücke – oder vielmehr mit dem, was von ihr übrig ist.“

Zuvor hatte die ukrainische Post schon eine Briefmarke des zerstörten russischen Kreuzers „Moskwa“ der russischen Schwarzmeerflotte herausgebracht.

Die Menschen in der Ukraine lassen sich vor der neuen Briefmarke fotografieren.
Die Menschen in der Ukraine lassen sich vor der neuen Briefmarke fotografieren.

© Foto: IMAGO/Danylo Antoniuk

Die Sprecherin des inhaftierten Kremlgegners Alexej Nawalny teilte ein Video in den sozialen Netzwerken von dem Feuer und den Schäden – und kommentierte, dass es sich wohl um ein Geschenk zum 70. Geburtstag Putins handele. Der Kremlchef hatte das Jubiläum am Freitag in seiner Heimatstadt St. Petersburg begangen.

Der Sekretär des ukrainischen Sicherheitsrats, Olexij Danilow, veröffentlichte am Samstag auf Facebook Aufnahmen von dem teils zerstörten Bauwerk, das Russland und die 2014 von Moskau annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim verbindet.

Daneben stellte er ein Video, das die Hollywood-Legende Marilyn Monroe (1926 - 1962) zeigt, wie sie im Jahr 1962 für den damaligen US-Präsidenten John F. Kennedy das Geburtstagsständchen „Happy Birthday, Mr. President“ singt.

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Der Video-Zusammenschnitt wurde in sozialen Netzwerken vielfach geteilt. Viele meinten in Kommentaren, dass es für jemanden wie Putin zum Jubiläum schon etwas Besonderes als Geschenk brauche. 

Wie geht es weiter?

Russische Taucher untersuchen seit Sonntag die Schäden. Russische Nachrichtenagenturen zitieren den stellvertretenden Ministerpräsidenten Marat Khusnullin mit den Worten, die Taucher werden um 6 Uhr morgens mit der Arbeit beginnen. Eine detailliertere Untersuchung oberhalb der Wasserlinie soll bis zum Ende des Tages abgeschlossen sein. 

Putin wies nach der Explosion per Dekret den Geheimdienst FSB an, die Kontrolle über die Krim-Brücke zu verschärfen.

„Dem FSB werden die Vollmachten übertragen zur Organisation und Koordination von Schutzmaßnahmen für den Transportweg über die Meerenge von Kertsch, für die Strombrücke der Russischen Föderation auf die Halbinsel Krim und die Gaspipeline vom Gebiet Krasnodar Krim“, heißt es in dem am Samstag veröffentlichten Dekret.

Bislang war die Verantwortung für die Sicherheit der Brücke laut dem Duma-Abgeordneten Alexander Chinstein dreigeteilt. Für die Überwachung des Luftraums war das Verteidigungsministerium verantwortlich, für die Seeüberwachung die Nationalgarde „Rosgwardija“. Die Auto- und Eisenbahnstrecke selbst wurde jedoch vom Verkehrsministerium kontrolliert. (mit dpa/AFP/Reuters)

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