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Nach Vorstoß zu Migration: Habeck wirft Merz „Rhetorik des Spaltens vor“ – Grüne trotzdem gesprächsbereit
Gestern stellte Friedrich Merz neue Vorschläge für ein härteres Asylrecht vor. Inhaltlich und begrifflich stößt das bei den Grünen auf teils scharfe Kritik. Trotzdem gibt sich die Parteispitze offen.
Stand:
Vizekanzler Robert Habeck wirft Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) in der Debatte um die Folgen des Anschlags von Solingen eine „Rhetorik des Spaltens“ vor. Der Grünen-Politiker sagte in einem Gespräch beim TV-Sender Sat.1, man müsse nun zusammenrücken und nicht das Land schon wieder teilen und spalten.
Merz hatte Kanzler Olaf Scholz (SPD) eine gemeinsame Neuausrichtung der Migrationspolitik angeboten – notfalls auch ohne die Ampel-Partner Grüne und FDP.
Habeck sagte, Merz mache sich unernst, indem er sage, mit denen wolle er nicht reden. „Das hilft ja nicht.“ Nordrhein-Westfalen, wo der Anschlag stattgefunden hat, werde schwarz-grün regiert. Gespräche vorzuschlagen, aber gleich zu sagen, mit wem man nicht reden wolle, sei ein „Stück weit verräterisch“. Die „Rhetorik des Spaltens“ spreche nicht für Merz.
Grüne prinzipiell gesprächsbereit
Am Morgen zeigte sich Grünen-Co-Chef Omid Nouripour grundsätzlich bereit, über Vorschläge der Union zur Migrationspolitik zu sprechen, hat aber Bedenken bei der Umsetzbarkeit. „Wir sind gesprächsbereit“, sagte Nouripour im Deutschlandfunk.
Die Union habe sehr viele Vorschläge gemacht. Er habe aber mehr Fragen als vorher. Er wolle besser verstehen, was die Union wolle. Man sollte nicht mit Überschriften in die Diskussion gehen. „Die Leute wollen Lösungen.“ Diese müssten auch funktionieren.
Als Beispiel nannte er die Forderung, mit afghanischen Behörden über die Rücknahme von abgelehnten Asylbewerbern zu verhandeln. Es gebe in Afghanistan nur eine Terrorherrschaft der Taliban, entgegnete der Grünen-Vorsitzende. Wenn man mit den Taliban Deals mache, sei dies kein Beitrag zur Bekämpfung des Islamismus. Nouripour fügte hinzu, er sei gespannt auf die Vorschläge von Innenministerin Nancy Faeser (SPD), wie man nach Syrien und Afghanistan abschieben könne.
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Grüne werfen Merz politische Zündelei vor
Gleichzeitig gingen die Grünen den CDU-Vorsitzenden scharf für seinen Vorstoß an, gemeinsam mit der SPD das Asylrecht zu verschärfen. Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irena Mihalic, erklärte in der „Bild“-Zeitung (Mittwoch), dass Merz politisch „zündelt“, statt Verantwortung zu übernehmen.
„Er operiert mit dem Begriff ,Notlage’ und spricht damit gewissermaßen ein Misstrauensvotum gegen unseren demokratischen Rechtsstaat aus, statt ihn gegen seine Feinde zu verteidigen.“ Der Ton der Debatte müsse sich dringend ändern, „sonst spielen wir am Ende den extremistischen Feinden unseres demokratischen Rechtsstaates in die Hände“.
Auch Habeck wies den Notlage-Vorschlag von Merz zurück. Die Folge wäre, dass dann andere Länder mit der Problemlage allein gelassen würden, die das dann nicht vergessen würden. „So funktioniert Europa nicht“, sagte Habeck. Er verwies auch darauf, dies wäre europarechtlich schwierig umzusetzen. Habeck sagte, aus den Aussagen von Merz sprächen mangelnde Erfahrung auf internationaler Ebene, aber auch in der Regierung.
Merz machte Scholz Angebot
Merz hatte zuvor Bundeskanzler Olaf Scholz aufgefordert, bei einem Scheitern kurzfristiger EU-Maßnahmen zur Eindämmung illegaler Migration notfalls eine „nationale Notlage“ auszurufen.
Nach einem Gespräch mit Scholz gab Merz eine Pressekonferenz, in der er indirekt einen Bruch der Ampel-Koalition ins Spiel brachte: Union und SPD könnten auch ohne Rücksicht auf die Koalitionspartner Grüne und FDP notwendige Gesetze beschließen, um die Migrationssituation in den Griff zu bekommen, so Merz.
Özdemir wirft Merz Asyl-Wahlkampf vor
Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir warf Merz am Mittwoch vor, die Asyldebatte aus Wahlkampfgründen anzuheizen. „Wir haben ja Landtagswahlen. Das verstehe ich auch bis zu einem gewissen Grad. Aber mein Wunsch wäre schon, dass wir jetzt hier nicht Parteipolitik machen“, sagte der Grünen-Politiker bei ntv. Merz unterschlage, dass Gesetzesänderungen im Asylbereich mit den Grünen zusammen beschlossen worden seien.
Außerdem lenke Merz davon ab, dass es etwa beim Anschlag von Solingen gar nicht um eine Gesetzeslücke, sondern um die mangelnde Anwendung von Regeln durch Behörden gegangen sei. „Das treibt doch die Leute in den Wahnsinn, dass wir ständig über Gesetzesänderungen reden, aber die bestehenden Gesetze noch nicht mal zur Anwendung bringen“, sagte Özdemir.
Allerdings bemängelte auch der Grünen-Politiker fehlende Kompetenzen bei den deutschen Sicherheitsbehörden. „Die deutschen Sicherheitsbehörden sind mit Pfeil und Bogen unterwegs, während andere Hightech einsetzen“, sagte Özdemir. „Es gibt Gesetzeslücken. Zum Beispiel, dass ausländische Dienste uns Informationen geben müssen, die unsere Dienste nicht legal erwerben dürfen. Das versteht kein normaler Mensch. Das verstehe ich als Grüner übrigens auch nicht.“ Die Forderung nach mehr Rechten etwa für BND und BKA ist allerdings innerhalb der Ampel-Regierung sowohl bei Grünen als auch der FDP umstritten. (Reuters, dpa)
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