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Mario Voigt aus Thüringen.

© Martin Schutt/dpa

Update

Nach Wahlsieg der Populisten: CDU ist in Thüringen auf AfD oder Linke angewiesen

Die AfD ist in Thüringen stärkste Kraft, das BSW in Sachsen und Thüringen zweistellig. Die Regierungsbildung in Erfurt und Dresden wird damit kompliziert.

Stand:

Nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen ist eine schwierige Regierungsbildung zu erwarten. In den beiden ostdeutschen Bundesländern konnten die populistischen Parteien AfD und BSW sehr gute Ergebnisse einfahren.

In Thüringen ist der als gesichert rechtsextrem eingestufte AfD-Landesverband von Björn Höcke mit deutlichem Vorsprung vor der CDU stärkste Kraft. Erstmals gewinnt die AfD damit eine Landtagswahl. „Wir sind bereit, Regierungsverantwortung zu übernehmen“, sagte Höcke der ARD. Es sei „gute Tradition, dass die stärkste Kraft zu Gesprächen einlädt.“ Doch alle übrigen Parteien haben eine Koalition mit der AfD in Thüringen und Sachsen bereits abgelehnt.

In Sachsen kann sich die CDU von Ministerpräsident Michael Kretschmer nur knapp vor der ebenfalls gesichert rechtsextremen sächsischen AfD von Spitzenkandidat Jörg Urban als Wahlsieger behaupten. Das neugegründete Bündnis Sahra Wagenknecht wird in beide Landtage mit einem zweistelligen Ergebnis einziehen.

Die Parteien der Ampelkoalition im Bund wurden abgestraft. Die FDP erhielt in beiden Ländern deutlich weniger als drei Prozent der Stimmen und wird von den Wahlforschern deshalb unter den sonstigen Parteien einsortiert. Die Grünen verpassen in Thüringen den Einzug in den Landtag und landen in Sachsen nur hauchdünn über der Fünf-Prozent-Hürde. Die SPD erhält in Sachsen wie Thüringen weniger als zehn Prozent der Stimmen.

Die Linke, einst die Ostpartei schlechthin, kommt in Sachsen nur dank der gewonnen Direktmandate in den Landtag. In Thüringen, wo sie mit Bodo Ramelow bisher den Ministerpräsidenten stellt, verliert sie fast 20 Prozentpunkte und kommt laut ersten Hochrechnungen nur noch auf etwas mehr als zehn Prozent der Stimmen.

Schwierige Suche nach einer Regierung

Die Koalitionsbildung wird damit in beiden Ländern sehr schwierig, da die AfD in Sachsen und Thüringen auf je rund ein Drittel aller Stimmen kommt. Björn Höcke forderte die übrigen Parteien deshalb bereits zu Gesprächen auf. „Man wird an uns nicht vorbei kommen, wenn man stabile Verhältnisse für Thüringen will“, sagte er im ZDF. „Ohne die AfD einzubinden, gibt es keine Stabilität für Thüringen.“

01.09.2024

Eine Mehrheit der Wähler unterstützt allerdings eine Ausbootung der AfD bei der Regierungsbildung. Wie eine erste Wahlanalyse der Forschungsgruppe Wahlen zeigt, sind 58 Prozent der Thüringer und 57 Prozent der Sachsen gegen eine AfD-Beteiligung.

Alle übrigen Bündnisse hätten nur eine knappe Mehrheit, zudem sind die inhaltlichen Schnittmengen gering. In Thüringen fehlt einem Bündnis von CDU, BSW und SPD nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis eine Stimme zur absoluten Mehrheit im Erfurter Landtag. Deshalb müsste CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt, der die Regierungsbildung für sich beanspruchte, schon mit Linken und BSW koalieren, um eine stabile Mehrheit gegen die AfD bilden zu können.

Ein verbindlicher Bundesbeschluss der CDU schließt Koalitionen mit der Linken jedoch aus. Wie die Analyse von Forschungsgruppe Wahlen zeigt, finden das 67 Prozent aller Thüringer und selbst 68-Prozent der CDU-Anhänger falsch. Gegenüber einer Regierungsbeteiligung des BSW haben die Thüringer wenig Berührungsängste. Das fänden nur 28 Prozent der Befragten schlecht.

Voigt lobte am Wahlabend demonstrativ die SPD. Sie habe trotz des Gegenwinds durch die Ampel-Koalition in Berlin ein sehr respektables Ergebnis erzielt. „Und das wird mein erster Ansprechpartner sein“, fügte er hinzu. Auf die Frage nach einem Koalitionspartner BSW sagte Voigt nur, dass man in aller Ruhe das Ergebnis abwarten müsse. „Aber ich begreife das schon auch als Auftrag an mich persönlich, auf diese Gespräche zuzugehen.“

Wagenknecht machte Koalitionsverhandlungen in Thüringen am Wahlabend von einem Kurswechsel in der Ukraine-Politik abhängig. Es müsse mehr Frieden und Diplomatie geben, sagte Wagenknecht im ZDF. „Beides ist uns sehr, sehr wichtig. Das werden unsere Bedingungen für eine Regierung sein.“

Doch selbst wenn Voigt sich mit Wagenknecht einigen kann, braucht er noch immer die Linke. Eine denkbare Lösung wäre eine Minderheitsregierung, die von der Linken toleriert wird. Diese Lösung brachte am Sonntagabend der Co-Vorsitzende der Thüringer Linken, Christian Schaft, ins Spiel.

In Sachsen verfehlt die bisherige Kenia-Koalition von CDU, SPD und Grünen eine Mehrheit im Landtag laut vorläufigem amtlichen Endergebnis auch deswegen, weil die Linke dank der Direktmandate-Regel den Wiedereinzug in den Landtag schafft. Bei der CDU hält sich die Begeisterung für das abgewählte Bündnis aber ohnehin in Grenzen. Michael Kretschmer hat vor der Wahl mehrmals betont, dass er am liebsten nicht mehr mit den Grünen koalieren will.

Eine Mehrheit für CDU und BSW gibt es wegen des Einzugs der Linken ebenfalls nicht. Eine vergleichsweise komfortable Mehrheit hätte hingegen ein Bündnis aus CDU, BSW und SPD. Das lehnen laut Forschungsgruppe Wahlen nur 58 Prozent der Sachsen ab. 38 Prozent sind grundsätzlich gegen eine BSW-Beteiligung an der Regierung.

„Das wird alles nicht einfach“, sagte Kretschmer auf der Wahlparty der CDU zur Regierungsbildung. „Aber eins gilt: Mit vielen Gesprächen und dem Willen etwas für dieses Land zu tun, kann es gelingen, mit diesem Wahlergebnis Sachsen eine stabile Regierung zu geben, die dem Land dient und mit Demut vorangeht.“

Wagenknecht fordert offensiv eine Regierungsbeteiligung des BSW. „Wir hoffen sehr, dass wir am Ende mit der CDU eine gute Regierung zustandebekommen“, sagt Wagenknecht in der ARD. Für die erforderliche Mehrheit werde nach Stand der Hochrechnungen am Ende wahrscheinlich auch die SPD mit dabei sein.

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