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Wolfgang Gedeon (AfD) spricht bei einer Debatte im Plenarsaal.

© Christoph Schmidt/dpa

Update

Neuer Vogelschiss-Skandal: AfD-Politiker Gedeon relativiert rechtsextremistischen Terror

Rechter Terror ist für einen AfD-Politiker nur ein Vogelschiss. Justizministerin Christine Lambrecht appelliert derweil im Bundestag an alle Demokraten.

Nach dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke hat der baden-württembergische AfD-Politiker Wolfgang Gedeon die politische Bedeutung des rechtsextremistischen Terrors in Deutschland relativiert. Natürlich gebe es Extremismus auf allen Seiten, auch mit Gewaltanwendung, sagte Gedeon am Donnerstag im Stuttgarter Landtag in einer Debatte über Rechtsextremismus. „Aber wenn wir die Sache politisch sehen, dann müssen wir ganz klar sagen: Im Vergleich zum islamistischen Terror und auch im Vergleich zum linksextremistischen Terror ist politisch gesehen in Deutschland der rechtsextremistische Terror ein Vogelschiss.“

Gedeon ist in seiner Partei umstritten. Antisemitismusvorwürfe gegen ihn hatten 2016 vorübergehend zur Spaltung der AfD-Fraktion im Landtag geführt. Gedeon ist noch Mitglied der Partei, aber nicht mehr der Fraktion.

AfD-Bundesparteichef Alexander Gauland hatte im Juni 2018 mit einer Äußerung zur Nazi-Zeit für Empörung gesorgt: „Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte“, sagte er. Später bezeichnete Gauland seine Äußerung als „missdeutbar und damit politisch unklug“.

AfD wird im Bundestag Mitschuld am Mordfall Lübcke gegeben

Im Bundestag debattierten Parteien derweil über den Fall Lübcke und Hetzte in der Republik. Die neue Bundesjustizministerin Christine Lambrecht rief alle Demokraten in Deutschland zu einem engagierten Eintreten gegen Rechtsextremismus und zum Verteidigen der Demokratie auf. „Lassen Sie uns solidarisch sein, lassen Sie uns wehrhaft sein. Wir lassen uns von diesem braunen Sumpf nicht einschüchtern“, sagte die SPD-Politikerin am Donnerstag in einer leidenschaftlich geführten Bundestagsdebatte zu den Folgen des Mordes am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke.

Der frühere SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel griff in der Aktuellen Stunde die AfD frontal an. Diese habe sich „mitverantwortlich gemacht“, sagte er. Eine Partei sei auch für das politische Klima im Land verantwortlich. „Und da sind Sie Haupttäter und nicht etwa Opfer.“

Zuvor hatten AfD-Abgeordnete vorgerechnet, dass es im ersten Quartal 2019 bundesweit 217 Straftaten gegen Repräsentanten von Parteien gegeben habe - davon hätten allein 114 Vertretern der AfD gegolten. Der AfD-Abgeordnete Martin Hess warf den anderen Parteien vor, den Mord an Lübcke zu instrumentalisieren, um gegen die AfD zu hetzen: „Sie missbrauchen das Gedenken an einen Toten, um der AfD den Anschlag wahrheitswidrig in die Schuhe zu schieben.“ Hess rief einerseits zu „verbaler Abrüstung“ auf, sprach aber im nächsten Moment von einem „Vernichtungsfeldzug gegen die AfD“ durch die anderen Parteien.

Den Zahlen der AfD hielt Gabriel entgegen, dass seit 1990 fast 200 Menschen Opfer „fanatisierter Rechtsterroristen“ geworden seien. „Massenhaft gemordet in diesem Land wurde Rechts. Der Feind der Demokratie steht heute nicht irgendwo, sondern Rechts“, betonte er.

„Die beste Prävention gegenüber Radikalismus“

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) forderte eine Strategie der „null Toleranz“ gegenüber Hassparolen, Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus. „Das ist die beste Prävention gegenüber Radikalismus:“ Man müsse dem Rechtsextremismus „die Stirn bieten“. Denn: „Rechtsextremismus ist eine hohe Gefahr für unser Land und für die Bevölkerung in unserem Land.

Lambrecht sagte, man dürfe rechtsextreme Gewalt niemals hinnehmen. „Wir dürfen uns nicht an sie gewöhnen. Im Gegenteil: Wir müssen alles tun, um diesem widerwärtigen Treiben ein Ende zu bereiten.“ Die Justizministerin forderte, massiv den Verfolgungsdruck der Sicherheitsbehörden auf Rechtsextremisten zu erhöhen, warnte aber vor einer Einschränkung von Grundrechten wie dem der freien Meinungsäußerung.

Der Grünen-Rechtspolitiker Konstantin von Notz verlangte vehement, nach der Festnahme des inzwischen geständigen Stephan E. auch die Strukturen und Netzwerke im Hintergrund genau auszuleuchten. „Denn es steht die Frage im Raum, ob altbekannte rechtsextremistische Strukturen wie die des NSU (...) bis heute fortbestehen. Die Hinweise verdichten sich stündlich.“

In einer sehr persönlichen Rede schilderte der sächsische CDU-Abgeordnete Marian Wendt, wie er selbst mehrfach massiv bedroht worden sei. Dafür trage die AfD eine „Mitverantwortung und Mitschuld“. Diese trage zur Radikalisierung in Deutschland bei. „Ihre Sprache erzeugt nur Hass, Drohungen, Gewalt und schlussendlich Mord.“

Die Abgeordneten Michael Brand (CDU) und Timon Gremmels (SPD) erinnerten mit ebenfalls sehr emotionalen Worten an den ermordeten Walter Lübcke, mit dem sie befreundet waren. „Wir werden die Freiheit unserer offenen Gesellschaft verteidigen“, versprach Brand. „Und wir werden nicht nachgeben. Und wir werden gewinnen. Das verspreche ich Dir, lieber Walter.“ (dpa)

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