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Der oder der - oder doch die ganz andere? Zwei Wochen vor der Bundestagswahl ist es richtig spannend.

© Arne Dedert/dpa

SPD und Union vor der Wahl: Nicht inhaltlich anspruchsvoll, aber immerhin ein Kampf

SPD und Union duellieren sich, jetzt gerade über einen einzelnen Satz. Was daran verkorkst ist - und warum es trotzdem Thriller-Qualitäten hat. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christian Tretbar

Na klar, es ist ein Tiefpunkt in diesem Wahlkampf, wie sich Union und SPD über diesen einen Satz von Armin Laschet duellieren. „In all den Entscheidungen der Nachkriegsgeschichte standen Sozialdemokraten immer auf der falschen Seite“, sagte Unions-Kanzlerkandidat Laschet auf dem CSU-Parteitag und bringt die SPD damit natürlich in Rage.

Dabei ist so vieles daran verkorkst. Erstens, dass Laschets Zusatz „in der Finanz- und Wirtschaftspolitik“ von der SPD einfach ausgeblendet wird. Ohne diesen Halbsatz lässt sich eben besser wahlkämpfen. Zweitens, dass Laschet genau diesen Halbsatz erst nach einer kleinen und noch nicht mal gut gesetzten Kunstpause gesagt hat. Applaus gab es auf dem Parteitag dafür nicht – den gab es schon vorher für das Strauß-Zitat „Irren ist menschlich, immer irren ist sozialdemokratisch“.

Drittens, dass man nicht genau weiß, ob die halbe Kunstpause Absicht oder Zufall war. War es Absicht, dann war es nicht wirklich gut inszeniert. Und viertens, dass es inhaltlich nicht wirklich geschickt war, denn wenn eines bei der SPD funktioniert, dann der Zusammenhalt angesichts der eigenen historischen Erfolge als älteste Partei Deutschlands.

Nicht dass aus den Umfragen ein Zahlen-Soufflé wird

Diese kleine Episode zeigt aber auch, wie angespannt beide Lager sind. Die Union versucht verzweifelt, den entstandenen Rückstand irgendwie noch aufzuholen – ihr sind fast alle Mittel recht. Und die SPD kontert, will ihre Leute mobilisieren, denn es sind noch zwei Wochen und eines will man auf jeden Fall vermeiden: das trügerische Gefühl, schon gewonnen zu haben. Noch traut die SPD den Umfrage-Erfolgen nicht. Zu Recht. Im Finanzministerium von Olaf Scholz gab es in dieser Woche eine Durchsuchung – sie richtete sich gegen Mitarbeiter einer Einheit zur Bekämpfung von Geldwäsche. Aber was, wenn das aus Sicht mancher Wähler an Scholz hängen bleibt? Nicht dass aus den Umfragen ein Zahlen-Soufflé wird.

Aber die Laschet-Episode zeigt auch etwas anderes: Dieser Wahlkampf ist ein echter Kampf. Es geht wirklich um etwas, weil die Politik in Bewegung ist. Die Wählerinnen und Wähler schauen diesmal gespannt zu – einem Thriller, in dem sie am Ende selbst die Hauptrolle spielen werden. Und auch wenn Olaf Scholz versucht, in Merkel-Manier das Wahlpublikum in den politischen Schlaf zu wiegen: Es ist kein Vergleich zum Original.

Für Laschet kann es noch Hoffnung geben

Dass es überhaupt wieder zwei Lager gibt, hätte vor Wochen auch kaum einer erwartet, und wenn, dann ein schwarzes und grünes, aber kein schwarzes und rotes. Es ist sicherlich keine inhaltlich anspruchsvolle Auseinandersetzung, aber es ist immerhin eine. Wir sehen einen wirklichen Kampf, und eben auch einen mit harten Bandagen.

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Für Laschet geht es weiterhin nur darum, seine eigenen Leute zu mobilisieren. Schafft er das, kann er sich wieder Hoffnung machen. Die eigenen Leute lockt man in einem Wahlkampf nicht mit differenzierter Rhetorik aus der Reserve. Und Laschets eigene Leute sind sehr reserviert ihm und seinem Wahlkampf gegenüber.

Lesen Sie mehr bei Tagesspiegel Plus: Unionskanzlerkandidat im Interview - "Was macht das mit Ihnen, als Depp hingestellt zu werden, Herr Laschet?"

Immerhin kann man ihm nicht vorwerfen, auf den letzten Metern nicht alles versucht zu haben. Aber er weiß wohl selbst am besten: Schafft er es am Ende nicht, doch noch vor der SPD zu landen, wird ihm dieses Engagement am Ende keiner mehr danken.

Für Laschet geht es also um alles oder nichts. Und da sind Halbsätze am Ende nicht ganz so wichtig.

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