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08.09.2022, Berlin: Christian Lindner (FDP), Bundesgefinanzminister, sprcht im Deutschen Bundestag während der Fortsetzung der Haushaltswoche in der Debatte um Finanzen. Foto: Wolfgang Kumm/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

© dpa / Wolfgang Kumm/dpa

„Niemand wird frieren, niemand hungern“: Christian Lindner macht eine Zusage

Der Finanzminister will die Inflation ohne neue Schulden bekämpfen. Wie sich das dritte Entlastungspaket verteilt, ist nun auch klar

Christian Lindner nennt es eine Zusage, ein politisches Versprechen: „Aufgrund finanzieller Sorgen wird in diesem Land und in diesem Winter niemand frieren und niemand hungern müssen.“ So gesagt am Donnerstagnachmittag im Bundestag. Den Haushalt für 2022 wird der Bundesfinanzminister dafür nicht mehr anfassen, jedenfalls gibt es keine bekannten Planungen für einen Nachtragsetat. Höhere Einnahmen und geringere Ausgaben im ersten Halbjahr haben Spielraum ergeben für einige weitere Entlastungsmaßnahmen.

Aber reicht, was im Etat 2023 geplant ist, der jetzt im Parlament beraten wird. In der „Süddeutschen Zeitung“ hatte Lindner angedeutet, als „ultima ratio“ könne die Schuldenbremse im kommenden Jahr doch gelockert werden. In seiner kurzen Rede im Plenum wiederholt er diese Aussage nicht. Sondern betont seine bisherige Linie. „Inflation bekämpft man nicht mit immer neuen Staatsschulden“, sagte er. Priorität im Regierungshandeln aber habe die Bekämpfung der Inflation. Sie sei ein „Verarmungsprogramm für die Familien in der Mitte der Gesellschaft“. Der Zinsschritt der Europäischen Zentralbank vom Donnerstag passt in seine Linie. Er zeige, dass sich Europa „ökonomisch in einer außerordentlich herausfordernden Lage“ befinde.

Inflation ist das Verarmungsprogramm für die Familien in der Mitte der Gesellschaft

Christian Lindner, Bundesfinanzminister

65 Milliarden Euro – so umfangreich soll das dritte Entlastungspaket sein, das im Winter und im kommenden Jahr Wirkung entfalten soll. Mittlerweile ist auch klar, wie sich die Summe aufteilt – nicht nur auf die Einzelmaßnahmen, sondern auch auf Bund und Länder. Mit denen hatte sich Lindner vorige Woche angelegt, als er auf ihre im Vergleich zum Bund seiner Meinung nach bessere Haushaltslage verwies. Defizit beim Bund, Überschüsse insgesamt bei den Ländern – eine Mitfinanzierung der Entlastungsmaßnahmen ist damit aus Sicht Lindners unproblematisch.

Treffen mit den Länderchefs

In den Ländern sieht man es etwas anders, einige Ministerpräsidenten haben schon beim Kanzler angeklopft, der nordrhein-westfälische Regierungschef Hendrik Wüst (CDU) droht sogar mit Widerstand im Bundesrat. Am 16. September soll nun ein Gespräch der Ministerpräsidenten mit Olaf Scholz stattfinden. Danach könnte das Paket auch noch etwas größer ausfallen. Denn die Union, das machte Wüst deutlich, will noch zusätzliche Hilfen für den Mittelstand durchsetzen.

Tatsächlich ist die Mitfinanzierung des dritten Pakets über die Länderetats erheblich, denn es sind zu einem großen Teil steuerliche Maßnahmen oder es berührt bestehende Mischfinanzierungen. Insgesamt müssen die Landesregierungen nach einer Auflistung aus Lindners Ressort für 2023 mit einer Kostenbeteiligung in Höhe von etwa 18 Milliarden Euro rechnen. Vier Milliarden Euro zum Beispiel soll die Wohngeldreform kosten, mit der der Empfängerkreis von 700000 auf zwei Millionen Berechtigte ausgeweitet werden soll – plus dauerhaftem Heizkostenzuschuss. Davon tragen die Länder die Hälfte.

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst will beim Entlasten mitreden.
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst will beim Entlasten mitreden.

© IMAGO/Fotostand / IMAGO/Fotostand / Reuhl

Auf 4,4 Milliarden Euro bemisst sich der Anteil der Länder beim Inflationsausgleichsgesetz, mit dem der Einkommensteuertarif an die Preissteigerungen angepasst wird. Höheres Kindergeld und die Anhebung des Kinderzuschlags machen gut eine Milliarde für die Länder aus.

Die Maßnahmen im laufenden Jahr schultert der Bund alleine. Der größte Brocken wird die Einmalzahlung an die Rentner sein – 300 Euro pro Person. Pensionäre bekommen sie auch. Das macht zusammen sechs Milliarden Euro aus. Die Studierenden müssen noch warten, die Einmalzahlung an sie in Höhe von 200 Euro ist für 2023 vorgesehen. Die Summe von 700 Millionen Euro übernimmt ebenfalls der Bund. Das gilt auch für die Erhöhung des Regelsatzes beim neuen Bürgergeld von 450 auf 500 Euro. Das kostet drei Milliarden Euro.

Größter Posten: Inflationsausgleich

Die größte Einzelsumme im Paket entfällt auf den Inflationsausgleich bei der Einkommensteuer – Lindner will ihn trotz aller Kritik, dass auch Besserverdiener davon stark profitieren, in Gänze umsetzen. Gut zehn Milliarden Euro macht das aus, nimmt man Kindergeld und Kinderzuschlag hinzu, sind es 12,4 Milliarden. Bei Geringverdienern wirkt sich dies als direkte Hilfe aus. Bei höheren Einkommen kann die Steuererleichterung – geht sie in den Konsum – einerseits konjunkturfördernd wirken, aber eben auch zu Preissteigerungen beitragen.

Interessant ist, was in der Tabelle aus dem Hause Lindner zur einmaligen Inflationsprämie steht. Bis zu einer Höhe von 3000 Euro können Arbeitgeber im kommenden Jahr pro Arbeitnehmer ausschütten, ohne dass Steuern und Sozialversicherungsbeiträge darauf anfallen. Das soll den Staat 1,2 Milliarden Euro kosten, denn das Finanzministerium geht von fünf Millionen „Begünstigten“ aus. Erwerbstätig sind in Deutschland derzeit alles in allem etwa 45 Millionen Menschen.

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