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Paartherapie erfolgreich abgeschlossen: So will die schwarz-rote Koalition in den Herbst gehen
Viele konkrete Neuerungen hat die Koalitionsklausur in Würzburg nicht gebracht. Nur atmosphärisch soll es so gut gelaufen sein, dass künftig wieder etwas geht – das freilich bleibt abzuwarten.
Stand:
Zwei Tage haben die Fraktionsvorstände von Union und SPD in Würzburg getagt. Was kam dabei heraus?
Die Aussprache
Schon vor dem Treffen hatte SPD-Fraktionschef Matthias Miersch klargestellt, dass es eine schonungslose Fehleranalyse geben werde. Entsprechend freute er sich zum Abschluss, dass „sehr offen und sehr ehrlich“ über das Scheitern der Richterwahl gesprochen worden sei. Amtskollege Jens Spahn von der Union zeigte sich demütig: „Ich bedauere, was passiert ist in der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause.“ Nun sagte Miersch an den „lieben Jens“ gerichtet, dass wieder Vertrauen gewachsen sei: „Ich habe ein gutes Gefühl.“
CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann wollte gar einen „Geist von Würzburg“ als Geist der Gemeinsamkeit ausgemacht haben. Dass Schwarz-Rot „zum Erfolg verpflichtet ist“, wie Spahn sagte, bläuten den Fraktionsvorständen auch Nato-Generalsekretär Mark Rutte und die Wirtschaftswissenschaftlerin Nicola Fuchs-Schündeln ein.
Mehr reden
Besser soll es nun vor allem dadurch werden, dass man mehr miteinander spricht. So wurde vereinbart, dass es Treffen der geschäftsführenden Fraktionsvorstände künftig alle drei Monate geben soll. Schließlich ist man im Rückblick zur Erkenntnis gelangt, dass nach der Regierungsübernahme die Zeit fehlte, sich kennenzulernen – zumal es gerade bei der Union viele ganz neue Abgeordnete gibt.
Über die wird in Würzburg hinter vorgehaltener Hand als Risikofaktor geredet – schlicht und ergreifend, weil auch die eigene Fraktionsführung sie noch nicht recht einschätzen kann. Auch deshalb sind in den nächsten Wochen Events wie eine gemeinsame Grillparty geplant. Die Begeisterung bei den einfachen SPD-Abgeordneten, die in Würzburg nicht dabei waren, ist angesichts der Ereignisse des Sommers überschaubar.
Richterwahl
Offiziell spielte in Würzburg gar keine Rolle, wie es mit den abgesetzten Verfassungsrichterwahlen weitergehen soll. Inoffiziell aber wurde klar, dass man intern schon weit zueinander gefunden hat. Im Laufe des September soll die Wahl im Bundestag nachgeholt werden – dabei will die SPD nur einen Ersatz für Frauke Brosius-Gersdorf nominieren. Sie ist sich mit der Union einig, dass die bisherigen Kandidaten Günter Spinner und Ann-Katrin Kaufhold im Rennen bleiben.
Das Beschlusspapier
Im Beschlusspapier von Würzburg werden im Wesentlichen Vorhaben, die im Koalitionsvertrag verabredet oder sogar schon umgesetzt sind, noch einmal aufgezählt, vom Sondervermögen für die Infrastruktur bis zur Erhöhung der Pendlerpauschale. Das ohnehin Verabredete wurde also noch einmal als Arbeitsprogramm bekräftigt.
Das Problem ist nur, dass die Koalition viele Streitfragen im Koalitionsvertrag einfach ausgeklammert und an Kommissionen ausgelagert hat. Diese Strategie der Konfliktvermeidung hat ein natürliches Ablaufdatum. Außerdem fehlt es an Geld. Der Bundeshaushalt 2027 werde eine Herkulesaufgabe, sagte in Würzburg SPD-Fraktionschef Matthias Miersch. Die Fraktionsspitzen argumentierten, grob zusammengefasst, bis dahin sei ja noch Zeit.
Sozialreformen
Auch in Würzburg beschwor die Unionsseite den „Herbst der Reformen“. Der nächste konkrete Schritt: Bald ist mit einem Gesetzentwurf für die Bürgergeldreform zu rechnen. Gut vorstellbar, dass der Union nicht weit genug geht, was Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) vorschlägt. Der neu gefundene „Geist von Würzburg“ könnte schon dann wieder auf eine harte Probe gestellt werden. „Ich bin kein Beziehungsexperte“, sagt Spahn über sich. Womöglich wird sich das ändern müssen.
In Sachen Rente herrscht offenbar schon jetzt Misstrauen. Im Würzburg-Papier steht: „Im Bundestag wird das gesamte Rentenpaket gleichzeitig beschlossen.“ Das heißt im Klartext: Man traut einander nicht so weit über den Weg, dass man jenen Teil, der dem Koalitionspartner wichtig ist, zuerst beschließen würde, sobald er fertig ist. Denn dann könnte ja das, was man selbst unbedingt will, plötzlich wieder zur Disposition stehen.
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