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Hält nicht viel vom Maskentragen: US-Präsident Donald Trump bei einem Coronavirus-Briefing Mitte Mai.

© Evan Vucci/dpa

Panik im Weißen Haus: Die Pandemie erreicht Trump-Land

Alle Krisen konnten US-Präsident Trump nichts anhaben. Das könnte sich nun ändern: Dramatische Pandemie-Zahlen kommen aus dem republikanisch dominierten Süden. 

Die Corona-Pandemie ist im republikanischen Teil Amerikas angekommen und bedroht damit ernsthaft die Wiederwahlchancen von US-Präsident Donald Trump. Nachdem das Virus im Frühjahr vor allem in den Städten und dichtbesiedelten Küstengebieten im Nordosten und Westen des Landes wütete, in denen meist Demokraten regieren, steigen die Fallzahlen nun besonders in den republikanischen Hochburgen Florida, Texas und Arizona an.

Krankenhäuser warnen, dem Ansturm der Patienten bald nicht mehr gewachsen zu sein. Lockerungen werden zurückgenommen, Bars, Fitnessclubs, Kinos und Strände wieder geschlossen – und das ausgerechnet vor dem Feiertagswochenende rund um den 4. Juli. 

Auch in den ländlichen Gebieten von Mississippi, South Carolina, Louisiana, Missouri, Georgia und Arkansas steigen die Zahlen rasant, alles Staaten, die Trump 2016 gewonnen hatte.

Zwar werden auch im demokratisch regierten Kalifornien wieder mehr Neuinfektionen registriert. Dafür stagnieren aber die Fallzahlen in den zu Beginn der Krise besonders betroffenen Ostküstenstaaten New York, New Jersey und Connecticut. Hier müssen sich Besucher aus härter betroffenen Gegenden nach ihrer Ankunft nun in eine zweiwöchige Quarantäne begeben.

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Die EU nimmt Amerikaner von den Einreiselockerungen aus

Alles in allem ist das Bild, das die USA im Umgang mit der Krise abgeben, so verheerend, dass die EU Amerikaner von den nun anstehenden Lockerungen im Reiseverkehr ausnimmt – wie die Bürger Russlands und Brasiliens. Mehr als 2,6 Millionen bestätigte Infektionen gibt es in den USA bereits, über 126.000 Menschen sind an den Folgen des Virus gestorben – beides traurige Rekorde.

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Besonders dramatisch: Die Zahl der Fälle hat sich in den vergangenen zwei Wochen um 65 Prozent erhöht. Derzeit werden täglich mehr als 40.000 Neuinfektionen bestätigt, mehr als während des ersten Höhepunkts der Pandemie im April.

Fauci warnt: Zahl der täglichen Neuinfektionen kann auf 100.000 ansteigen

Am Dienstag warnte Amerikas Topimmunologe Anthony Fauci bei einer Anhörung im Senat, die Zahl der Neuinfektionen könne sogar auf 100.000 ansteigen, falls der Anstieg in den betroffenen Bundesstaaten nicht unter Kontrolle gebracht werden könne. „Ich wäre nicht überrascht, wenn wir 100.000 pro Tag erreichen, wenn sich das nicht umkehrt. Deswegen bin ich sehr besorgt“, sagte der Leiter des Nationalen Instituts für Allergien und Infektionskrankheiten. „Wir bewegen uns in die falsche Richtung.“

Die Pandemie könne derzeit nur eingedämmt werden, wenn die Menschen in der Öffentlichkeit konsequent Masken trügen und auf ihren Sicherheitsabstand achteten. Wenn sich die Menschen nicht daran halten würden, „werden wir weiter große Probleme haben“, warnte Fauci.

Trump behauptet, der Anstieg gehe auf mehr Tests zurück

Der Argumentation von Trump, der Anstieg sei rein auf eine Ausweitung der Tests zurückzuführen, widersprechen Experten. Denn viele Städte verzeichnen auch mehr Einlieferungen in Krankenhäuser als noch vor wenigen Wochen.

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Neu ist, dass sich gerade mehr Jüngere anstecken – in überfüllten Bars, an vollen Stränden und möglicherweise bei den Anti-Rassismus-Protesten –, bei denen die Gefahr einer ernsthaften Erkrankung als deutlich geringer eingestuft wird. So ist das Durchschnittsalter der positiv Getesteten in Florida laut Gouverneur Ron DeSantis von 65 Jahren Mitte März auf 35 Jahre gefallen.

Vizepräsident Pence fordert inzwischen zum Maskentragen auf

Das könnte der Grund dafür sein, dass die Zahl der täglichen Todesfälle in den vergangenen Wochen um 23 Prozent abgenommen hat. In den USA sterben derzeit zwischen 600 und 650 Menschen am Tag an den Virus-Folgen. Gesundheitsexperten warnen aber, die Todesfälle würden den bestätigten Infektionen mit rund zweiwöchiger Verspätung hinterherhinken.

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Wie ernst die Lage auch im Umfeld des Präsidenten eingeschätzt wird, zeigen Äußerungen vom Wochenende. Gesundheitsminister Alex Azar erklärte, das Zeitfenster schließe sich, in dem die USA die Pandemie noch unter Kontrolle kriegen könnten. 

Und Mike Pence, Trumps treu ergebener Vizepräsident, forderte zum Maskentragen in der Öffentlichkeit auf und zeigte sich bei einem Event in Dallas selbst mit einer – im Gegensatz zum Präsidenten, der Oppositionspolitiker verhöhnt, die darauf pochen, dass dies eine notwendige Schutzmaßnahme sei.

US-Medien sprechen von „Panik“ im Weißen Haus

Von „Panik“ im Weißen Haus berichtet die Nachrichtenseite „Axios“. Und davon, dass Trump mit seinen Twitter-Aktivitäten alles noch schlimmer mache. Der zeitweilige Optimismus, dass die Wirtschaft schon bald wieder boomen werde, habe durch die dramatische Entwicklung der vergangenen zwei Wochen einen schweren Dämpfer erlitten.

Genauso wie Hoffnungen, dass Trump mit der Wiederaufnahme seiner Rallyes ein Wahlkampf-Comeback feiern könne. Bei der Premiere in Tulsa vor zehn Tagen wollten statt der angekündigten „mehr als eine Million“ nur 6200 Fans seinen Auftritt miterleben. Die meist älteren Anhänger Trumps haben vor dem Virus offenbar mehr Angst als gedacht.

Trump liegt in den Umfragen deutlich hinter Biden

Diese Wähler, so die Befürchtung, könnten ihm seinen fahrlässigen Umgang mit der Krise übel nehmen. Dazu kommen Warnungen vor einer schweren Rezession - und bereits mehr als 47 Millionen Menschen, die ihren Job verloren haben.

Umfragen belegen das Problem des Präsidenten. Weniger als fünf Monate vor der Wahl führt Trumps designierter Herausforderer Joe Biden im Durchschnitt der landesweiten Erhebungen von „RealClearPolitics“ deutlich – selbst in Trumps Lieblingssender Fox News liegt er zwölf Prozentpunkte vor dem Amtsinhaber.

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