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Merz und Söder und Merz geben sich einig wie selten.

© Reuters/Liesa Johannssen

Wahlprogramme vorgestellt: Merz poltert gegen Grüne, Habeck kritisiert „Voodoo-Politik“ der Union

Am Tag nach der Vertrauensfrage bringen sich die Parteien inhaltlich in Stellung. CSU-Chef Söder verunglimpft den Kanzler. Grünen-Kanzlerkandidat Habeck wirft der Union vor, „das Land zu veräppeln“.

Stand:

Die Spitzen von CDU und CSU haben ihr gemeinsames Programm für die vorgezogene Bundestagswahl im Februar beschlossen. Bei der Vorstellung des 79-seitigen Entwurfs haben Unions-Kanzlerkandidat und CDU-Chef Friedrich Merz und der CSU-Vorsitzende Markus Söder haben Kritik zurückgewiesen, die vielen Entlastungsversprechen seien nicht finanziert. Zugleich grenzten sie sich deutlich von den Grünen ab.

Die Ausgaben für Flüchtlinge beliefen sich auf 50 Milliarden Euro und für das Bürgergeld auf weitere 50 Milliarden Euro, argumentierten Merz und Söder. „Das sind alleine schon einmal 100 Milliarden Euro - die sich natürlich nicht alle einsparen lassen“, sagte Merz. „Aber da ist ein beachtlicher Teil da, den man einsparen kann, wenn man die Zahl der Bürgergeldempfänger drastisch reduziert.“

Zudem deutete Merz die Möglichkeit neuer Schulden an. Bislang gebe es weder einen Nachtragshaushalt 2024 noch einen Bundeshaushalt für das Jahr 2025. „Für beide Haushaltsjahre, 2024 und 2025, erlaubt die Schuldenbremse, so wie sie heute im Grundgesetz steht, neue zusätzliche Kredite von jeweils rund 50 Milliarden Euro“, sagte er.

© Tagesspiegel

„Wenn man das ausschöpfen würde - ich sage das bewusst im Konjunktiv - wenn man das ausschöpfen würde, dann hätte man allein dadurch zusätzlich 100 Milliarden Euro Spielraum für den Bundeshaushalt.“ Und das „unter Fortbestand der unveränderten Schuldenbremse“. Er sehe hier Spielräume genug im bestehenden System, erklärte Merz.

„Scholz ist der peinlichste Bundeskanzler, den unser Land je hatte“

Der CSU-Chef nutzte den Termin auch zu einer persönlichen Verbalattacke auf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). „Olaf Scholz ist kein Vorbild mehr für die Demokratie und ist der peinlichste Bundeskanzler, den unser Land je hatte“, sagte Söder.

Söder bezog sich dabei auf ein TV-Interview von Scholz am Montagabend, in dem dieser Merz die Verbreitung von Unwahrheiten vorgeworfen hatte.

„Ist das sittliche Reife, abends in einer Fernsehsendung Namen versuchen zu verunglimpfen? Ist das das Vorbild, das wir unseren Kindern erzählen würden, wie sie mit anderen in der Schule umgehen sollen, ist das die Toleranz?“, sagte Söder nun und fügte hinzu: „Es ist ein Zeichen von Hilflosigkeit, aber auch von Respektlosigkeit, solche Fouls zu machen.“

Wir wollen nicht den vorhandenen kleinen Kuchen besser verteilen, sondern wir wollen gemeinsam einen größeren Kuchen für alle herstellen.

Friedrich Merz, Unions-Kanzlerkandidat

Darüber hinaus erklärte Merz, dass sich die Grünen immer weiter von einer Kooperationsfähigkeit mit der Union entfernten. „Die Grünen rücken jetzt offenbar stramm nach links“, sagte der Unions-Kanzlerkandidat.

Die Partei würde noch stärker auf hohe Steuern und hohe Schulden setzen und damit die Fehler ihrer Regierungszeit noch verstärken. „Diese Wirtschaftspolitik werden wir nicht fortsetzen. Die Grünen entfernen sich von jeder Kooperationsmöglichkeit“, fügte Merz hinzu.

Friedrich Merz und Markus Söder bei der Vorstellung des gemeinsamen Wahlprogramms von CDU und CSU für die Bundestagswahl 2025.

© dpa/Michael Kappeler

Stattdessen wolle die Union die Wirtschaftspolitik „nicht auf neue Schulden, hohe Steuern und viel Umverteilung“ aufbauen, sondern auf Leistungsbereitschaft und Wettbewerbsfähigkeit. „Wir wollen nicht den vorhandenen kleinen Kuchen besser verteilen, sondern wir wollen gemeinsam einen größeren Kuchen für alle herstellen“, so Merz.

Habeck wirft Union „Veräppelung“ des Landes vor

Kurz zuvor hatten auch die Grünen ihr 80 Seiten umfassendes Wahlprogramm vorgestellt, das ein Bundesparteitag am 26. Januar beschließen soll. Auch Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck schaltete bei der Präsentation in Berlin in den Angriffsmodus.

Deutschland muss sich noch einmal neu erfinden.

Robert Habeck, Grünen-Kanzlerkandidat

Habeck warf CDU und CSU vor, deren Finanzierungspläne für mehr Investitionen gingen an der Wirklichkeit vorbei. „Deswegen wird die Union spätestens am 24. Februar merken, dass ihre ganzen Ansagen Voodoo-Politik sind“, sagte er mit Blick auf die vorgezogene Bundestagswahl am 23. Februar.

Robert Habeck bei der Vorstellung des Wahlprogrammentwurfs der Grünen.

© dpa/Kay Nietfeld

Deutschland habe in den vergangenen 15 Jahren an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Die Investitions- und Innovationskraft müsse daher deutlich erhöht werden. „Wir müssen unsere Infrastruktur auf Vordermann bringen“, forderte Habeck. „Das setzt eine Reform der Schuldenbremse voraus.“ Ohne Kredite werde es nicht gehen.

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Den Investitionsbedarf in die Infrastruktur bezifferte Habeck auf eine mittlere dreistellige Milliardenzahl über die nächsten zehn Jahre. „Die Union behauptet, das rechnet sich alles durch Wachstum“, sagte Habeck. Deren Steuersenkungspläne beliefen sich auf 40 bis 50 Milliarden Euro. Es sei aber nicht möglich, „das Wachstum im gleichen Jahr zu erzielen, wie die Steuersenkungen erfolgen“, warf Habeck der Union vor. „Das heißt, man muss es vorfinanzieren.“

Es sei völlig illusorisch, das erforderliche Geld nur durch Einsparungen im Haushalt zu erwirtschaften, sagte Habeck. „Wer das sagt, veräppelt das Land.“ Die Grünen wollen daher Investitionen vom Schuldendeckel im Grundgesetz ausnehmen.

Zudem warb Habeck darum, Lehren aus der Zeit der gescheiterten Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP zu ziehen. Das Scheitern der „Regierung Scholz“ reiche über inhaltliche Differenzen hinaus. Es müsse eine Aufgabe sein, über den Stil in der Politik nachzudenken.

„Wer eine Regierung anführen will, muss in der Lage sein, unterschiedliche Interessen zusammenzubringen“, sagte Habeck. Darüber werde der Erfolg der Zukunft entschieden.

Man müsse nicht nur überzeugt von sich selbst zu sein, sondern auch die politischen Mitbewerber in eine Situation bringen, dass man bereit sei, für die gemeinsame Sache die „Selbstherrlichkeit“ zurückzustellen. (dpa, AFP, Reuters)

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