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Die Idee der Kindergrundsicherung war, alle Transferleistungen für Kinder zusammenzufassen.

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Paus’ gescheitertes Großprojekt: Bei der Kindergrundsicherung gibt es neue Probleme

Aus der Kindergrundsicherung wird nichts mehr, aber zwei Rest-Projekte sind übrig. Doch auch hier gibt es Probleme. Der Familienministerin droht das nächste Fiasko.

Stand:

Offiziell ist noch alles drin: Über die Kindergrundsicherung wird weiter verhandelt, heißt es aus der Koalition. Doch intern ist klar, dass das eigentliche Großprojekt, der komplette Umbau der sozialen Sicherung für Kinder, nicht kommt.

Die Idee war, alle Transferleistungen für Kinder zusammenzufassen. Doch insbesondere für die Kinder, die vom Bürgergeld leben, gibt es wohl keinen praktikablen Weg, sie einzeln zu versorgen, statt wie bisher die Familie als Ganzes vom Jobcenter finanzieren zu lassen. Die Grünen setzen auf weitere Verhandlungen, bei SPD und FDP aber hält man die Grundidee von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) für politisch irreversibel tot.

Zwei Teil-Projekte sollen gerettet werden

Doch wie lässt sich ein solches Scheitern der einst angedachten Mega-Reform verkaufen? Da gibt es schon einen Plan. Zwei Teil-Projekte, die mit dem ursprünglichen Kerngedanken immerhin zu tun haben, will die Ampel-Koalition nach der Sommerpause als Einstieg in die Kindergrundsicherung präsentieren.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) konnte die Koalitionspartner mit ihrem Entwurf zur Kindergrundsicherung nicht überzeugen.

© Michael Kappeler/dpa

Doch es zeigt sich: Auch da lauern gewaltige Probleme. Gut möglich, dass nicht einmal diese Minimal-Lösung etwas für arme Kinder und deren Eltern verbessern wird.

Da ist zum einen der Kindergrundsicherungscheck. Es hat nicht geklappt, alle Leistungen zusammenzufassen. Stattdessen soll der Staat wenigstens alle Familien, denen innerhalb des bestehenden Systems mehr Geld zusteht, als sie bisher in Anspruch nehmen, aktiv auf ihren Anspruch hinweisen. Es geht dabei vor allem um den Kinderzuschlag (KiZ) für Familien, die knapp oberhalb von Bürgergeld-Niveau verdienen.

Von der Holschuld der Familien zur Bringschuld des Staates, mit diesem Slogan wirbt Paus, und diese Grundidee will sie retten. Schon bisher können Familien mit dem KiZ-Lotsen der Bundesagentur für Arbeit online prüfen, ob sie Anspruch hätten. Dafür geben sie alle relevanten Daten ein, darunter Einkommen und zu zahlende Miete.

Wer zahlt wie viel Miete? Der Staat weiß das nicht

Da soll der Kindergrundsicherungscheck anknüpfen. Der Staat soll von sich aus Familien informieren, dass ihnen Geld zusteht. Im Familienministerium würde man den Check gern zunächst für Neugeborene einführen und dann aufwachsen lassen.

Das Problem dabei: Der Staat hat keine Ahnung, wer wie viel Miete zahlt. Schwer vorstellbar, wie eine Behörde ohne Mitwirkung der Familien von sich aus feststellen soll, wer einen Anspruch hat.

Und auch bei den Einnahmen ist es schwierig. Wie viel abhängig Beschäftigte verdienen, das erfährt der Staat zwar ohne großen Zeitverzug. Bei Selbstständigen aber gibt es Probleme: Sie haben zwei Jahre Zeit, ihre Steuererklärung abzugeben. Viel zu lang, wenn es um die Frage geht, ob eine Familie jetzt gerade Hilfe vom Staat braucht oder nicht.

Womöglich steigt der Verwaltungsaufwand immens

Beide Probleme zusammen machen es mehr als schwierig, zu prognostizieren, welchen Familien Geld zusteht. Was könnte die Lösung sein? Eine Idee wäre, sehr viele Familien zu informieren, dass sie womöglich einen Anspruch haben könnten, ohne echte Treffsicherheit. Dann würden so manche, die sich über diese Nachricht freuen und flugs ihre Unterlagen einreichen, am Ende doch enttäuscht werden müssen, ihr Antrag würde abgelehnt. Je ernster man das Versprechen einer Bringschuld nimmt, desto mehr Familien müssten aufgeschreckt werden, die am Ende doch kein Geld bekommen. Enormer Aufwand für die Verwaltung könnte die Folge sein.

Und das, obwohl sich argumentieren lässt, dass es den neuen Check nicht braucht. Denn der KiZ-Lotse, bei dem Familien selbst online ihre Daten eingeben können, existiert ja längst. Nach Auskunft der Bundesagentur für Arbeit nutzen pro Monat um die 400.000 Familien den Lotsen. Von denen, die danach tatsächlich einen Antrag stellen, bekommen um die 80 Prozent einen positiven Bescheid.

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Millionen Kinder beziehen schon heute Kinderzuschlag.

Außerdem ist die Zahl der Kinder, die den Zuschlag beziehen, in den vergangenen anderthalb Jahren ohnehin bereits massiv gestiegen, von 800.000 auf derzeit 1,24 Millionen. Fachleute halten nicht nur Inflation und Einkommensnöte für die Ursache, sondern auch die breite Debatte über die Kindergrundsicherung.

Und dann ist da eine zweite Idee: das Kinderchancen-Portal. Familien sollen bundesweit über ein Online-Portal Angebote von der Hausaufgabenhilfe bis zum Fußballtraining aussuchen und buchen können, Bezahlung und staatlicher Zuschuss sollen im Hintergrund automatisiert abgewickelt werden. Das ist der Teil des Gesamtprojekts, der vor allem der FDP am Herzen liegt.

Allerdings: Wie und ob das umgesetzt werden kann, ist unklar. Es gibt jede Menge Stellen, die beteiligt wären: Vereine, Schulen, kommunale Dienstleister, Behörden. Die eine Stelle aber, die ihnen allen zu sagen hätte, dass und wie sie ein Portal zu bedienen haben, die gibt es nicht.

Und so steht hinter den beiden Teil-Projekten, die die Koalition über die Ziellinie bringen will, jeweils ein großes Fragezeichen. Gut ein Jahr hat Ministerin Paus noch, um zu retten, was zu retten ist.

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