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Leiter des Robert Koch-Insitutes: Lothar Wieler

© Michael Kappeler/Pool via REUTERS

Personalnot inmitten der Pandemie: Dem Robert Koch-Institut fehlen wichtige Mitarbeiter

Zur Nachverfolgung der Infektionsketten braucht das RKI fast 68 neue Stellen in der IT-Abteilung. Doch die große Koalition bewilligt nur vier.

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Es ist in der Coronakrise zu einer der wichtigsten deutschen Behörden aufgestiegen: das Robert Koch-Institut (RKI). Die Hoffnungen, die Politiker und Bürger im Kampf gegen die Pandemie auf die Berliner Forschungseinrichtung setzen, sind enorm.

Die Regierungschefs von Bund und Ländern verlassen sich bei ihren Entscheidungen über die Maßnahmen gegen das Virus auf die Zahlen und Expertisen der rund 1.300 RKI-Mitarbeiter. Viele Bürger vertrauen auf deren Empfehlungen für den Gesundheitsschutz, auf die Abstands- und Hygieneregeln.

Doch ausgerechnet mitten in der Pandemie, in einer Zeit hoher Inkfektions- und Todeszahlen, verweigert die große Koalition dem RKI die nötigen Mittel zur Bekämpfung des Coronavirus. Zumindest lässt sich so eine Entscheidung des Haushaltsausschusses im Bundestag von Ende November deuten. Gerade einmal vier zusätzliche Stellen für die IT-Abteilung des Instituts hat der Haushaltsausschuss bewilligt.

Die Abgeordneten seien damit einem Wunsch der Bundesregierung nachgekommen, heißt es in der „Welt am Sonntag“, die zuerst darüber berichtet hat. Das RKI hat demnach insgesamt 68 neue IT-Stellen gefordert.

Lothar Wieler (l), Präsident des Robert Koch-Instituts, mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und dem Chef des Bundeskanzleramts, Helge Braun (CDU).
Lothar Wieler (l), Präsident des Robert Koch-Instituts, mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und dem Chef des Bundeskanzleramts, Helge Braun (CDU).

© imago images/photothek

Nicht nur in der Opposition sorgt die Entscheidung der Bundestag-Haushälter für Unverständnis – und teils für erheblichen Unmut. „Es ist abenteuerlich, dass die Bundesregierung die Digitalisierung des Gesundheitswesens erst verschlafen hat und selbst jetzt noch dem RKI die nötigen IT-Experten verweigert“, sagt Michael Theurer, Vizechef der FDP-Fraktion im Bundestag. Das bremse die Bekämpfung der Pandemie und verlängere damit den Lockdown. „Bundesgesundheitsminister Spahn und Bundesfinanzminister Scholz sollten diesen Fehler schleunigst korrigieren“, fordert Theurer.

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Gesundheitsministerium: Das Parlament entscheidet

Im Bundesgesundheitsministerium verweist man auf das Haushaltsrecht des Bundestages. „Er entscheidet und setzt Prioritäten“, heißt es. Das Gesundheitsministerium habe sich „wiederholt dafür eingesetzt, die IT-Ausstattung des RKI zu stärken“. Wo keine dauerhaften Stellen geschaffen werden konnten, habe man durch „erhebliche Finanzmittel“ externe Mitarbeiter beauftragt.

Der Mediziner und SPD-Politiker Karl Lauterbach fordert indes, die IT-Abteilung im RKI so schnell wie möglich auszubauen. „Das RKI benötigt die IT-Stellen dringend, um wichtige Software-Projekte umzusetzen“, sagt er. „Es müssen digitale Schnittstellen für den Austausch zwischen dem RKI und den Gesundheitsämtern auf Landes- und Kreisebene programmiert werden.“

Auch müsse die Corona-Warn-App weiterentwickelt werden. Die IT-Stellen werden also gebraucht, um die Nachverfolgung der Infektionsketten wieder zu ermöglichen.

(Der Epidemiologe und SPD-Politiker Karl Lauterbach (l.) im Gespräch mit CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn.
(Der Epidemiologe und SPD-Politiker Karl Lauterbach (l.) im Gespräch mit CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn.

© imago images/Political-Moments

Mängel in den digitalen Meldeketten für Neuinfektionen sind schon länger ein Problem. Im Mai hatte der Bund 50 Millionen Euro für die technische Modernisierung der bundesweit 375 Gesundheitsämter bereitgestellt. Wie auch in anderen Bereichen in- und außerhalb des Gesundheitswesens konnte die Finanzspritze den teils jahrelangen Reformstau allerdings kaum wettmachen.

[Mehr zum Thema: Was uns die Gesundheit (nicht) wert ist - Lesen Sie hier einen Kommentar.]

Noch immer werden viele der von den Laboren gemeldeten Corona-Infektionen zuerst auf Papier dokumentiert und dann per Fax weitergegeben. Eine zentrale Auswertung der Testergebnisse in Echtzeit oder schnelle Korrekturen sind so nicht möglich.

Grüne fordern 500 Millionen Euro Digitalbudget

Schleppend ist bislang auch der Ausbau der Meldesoftware „Sormas“ verlaufen. Das Programm wurde in Deutschland entwickelt und ist seit 2017 bereits in anderen Ländern bei der Bekämpfung von Epidemien eingesetzt worden, etwa in Nigeria oder Nepal. Seit März wird es auch in Deutschland verwendet, bis Jahresende sollen nach Wunsch der Bundesregierung 90 Prozent der Gesundheitsämter an „Sormas“ angeschlossen sein. Für die Weiterentwicklung des Programms brauche es auch neue IT-Stellen im RKI, sagt Lauterbach.

Die Haushaltspolitikerin Anja Hajduk, Vizefraktionschefin der Grünen, hält eine Aufstockung der IT-Stellen für überfällig. „Wir fordern seit Monaten, dass die Bundesregierung die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung in der Corona-Pandemie dringend vorantreiben muss“, sagt sie. Ein „ressortübergreifendes Digitalbudget von 500 Millionen Euro“ wünscht sie sich.

Dazu sollte es eine „Technologie Task Force“ geben, um Ministerien und anderen Behörden bei der Digitalisierung zu helfen, sagt Hajduk. „Die Bundesregierung hat diese Forderungen jedoch bisher abgelehnt.“

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