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Ein Mann schiebt eine Frau im Rollstuhl (Symbolbild).

© imago/Westend61

Pflegegeld als Lohnersatz: Priens Vorschlag ist naheliegend und wegweisend

Das von Familienministerin Prien in Aussicht gestellte Pflegegeld als Lohnersatz könnte Millionen Menschen entlasten. Diese neue Sozialleistung sollte schnellstmöglich eingeführt werden.

Rainer Woratschka
Ein Kommentar von Rainer Woratschka

Stand:

Man könnte die sozialpolitisch gebotene Idee auch als Sparmanöver verkaufen. In Deutschland werden 4,9 Millionen Menschen zu Hause gepflegt – das sind 86 Prozent aller Pflegebedürftigen. Ohne die vielen Angehörigen, die sich um betroffene Ehepartner, Eltern, Geschwister oder Kinder kümmern, würde unser Pflegesystem zusammenbrechen.

Das wäre niemals zu finanzieren, auch die personellen Kapazitäten würden nicht annähernd reichen. Bekanntlich fehlt es jetzt schon dramatisch an Fachkräften. Die demografische Entwicklung wird diese Probleme weiter verstärken.

In dieser Situation hilft nur eines: Die Angehörigenpflege muss ganz dringend aufgewertet werden. Sie benötigt mehr Anerkennung und vor allem stärkere Unterstützung. Viele, die sie leisten, gehen nämlich über kurz oder lang auf dem Zahnfleisch. Das hängt nicht nur mit der pflegerischen Herausforderung zusammen.

Den Rest gibt den zu Hause Pflegenden – meist sind es Frauen – nicht selten die Doppelbelastung. Sie kommen finanziell kaum über die Runden, müssten eigentlich weiter ihrem bezahlten Job nachgehen, was im Regelfall kaum möglich ist. Manche versuchen es dennoch, zumindest in Teilzeit. Das Ergebnis ist dann oft vollständige Zermürbung.

Vor diesem Hintergrund ist der Vorschlag von Familienministerin Karin Prien so naheliegend wie wegweisend. Die CDU-Politikerin drängt auf ein Pflegegeld als echten Lohnersatz für pflegende Angehörige.

Das wäre etwas ganz anderes als die bisher gewährte Leistung der Pflegeversicherung unter gleichem Namen, die im Vergleich dazu wie ein Almosen wirkt. 347 Euro bei Pflegegrad zwei sind es derzeit, 599 Euro für Pflegegrad drei. Außerdem steht sie formell gar nicht den Pflegenden zu, sondern den Pflegebedürftigen.

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Und das sogenannte Pflegeunterstützungsgeld, immerhin 90 Prozent des ausgefallenen Nettoverdienstes, ist nur auf Notsituationen von bis zu zehn Tagen begrenzt.

Wichtige Maßnahme auch für die Wirtschaft

Wie das eingeforderte Familienpflegegeld aussehen müsste, haben Sozialverbände bereits deutlich gemacht. Es sollte sich am Elterngeld orientieren, was bedeuten würde: 65 Prozent des letzten Nettoeinkommens, mit fester Ober- und Untergrenze – etwa ebenfalls zwischen 300 und 1800 Euro im Monat. Gerecht wäre das.

Familienministerin Karin Prien will das Pflegegeld erst dann etablieren, wenn sich Deutschlands wirtschaftliche Situation verbessert hat.

© AFP/TOBIAS SCHWARZ

Die Ministerin bleibt zwar noch vage, bringt aber bereits eine soziale Staffelung ins Spiel. Und setzt als Bedingung, dass sich erst mal die wirtschaftliche Lage bessern müsse.

Tatsächlich sind Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen Situation von pflegenden Angehörigen keineswegs ein Luxus, den man sich nur in besseren Zeiten leisten kann. Das Gegenteil ist richtig: Wenn Politik und Gesellschaft das Pflegeproblem nicht in den Begriff bekommen, schlägt das auch auf die Wirtschaft.

Die Unternehmer sind bei den beständig steigenden Pflegebeiträgen bekanntlich mit im Boot. Weniger Angehörigenpflege würde die Ausgaben der Pflegekassen weiter in die Höhe treiben. Und ausgebrannte Pflegende sind auch ein nicht unerheblicher Kostenfaktor fürs Gesundheitssystem.

Finanziell ist bei den Pflegekassen Land unter

Was wir uns für die Angehörigenpflege nicht leisten können, ist ein sozial ungestaffeltes Gießkannenprinzip wie bei der geplanten Erhöhung der Mütterrente. Und auch nicht, dass andere Verbesserungen unterbleiben: Privat Pflegende benötigen nicht nur Lohnersatzleistungen und Rentenpunkte, sondern auch Auszeiten und mehr alltagstaugliche Unterstützung.

Die Pflegebudgets etwa müssen deutlich flexibler, die Angebote für Verhinderungspflege (zu Hause) und Kurzzeitpflege (stationär) endlich zusammengeführt werden.

Klar ist zudem: Am Erfordernis einer zügigen Großreform würde der angedachte Lohnersatz nichts ändern. Bei den Pflegekassen ist finanziell Land unter wie noch nie. Mit Blick darauf ist es ein Unding, dass ihnen der Bund noch nicht mal verauslagte Corona-Ausgaben in Milliardenhöhe zurückgezahlt hat.

Auf die Beine können Kranken- und Pflegeversicherung nur kommen, wenn ihnen ihre vielen versicherungsfremden Leistungen endlich verlässlich aus Steuern bezahlt werden. Doch für diese Großbaustelle ist eine andere Ministerin zuständig.

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