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Gläubige Muslime im Gebetsraum eine Moschee.

© picture alliance / dpa

Pläne der Bundesregierung: Lassen sich Geldflüsse an radikale Moscheen kontrollieren?

Moscheen in Deutschland erhalten immer wieder Geld aus Golfstaaten – Experten halten das für ein Sicherheitsrisiko.

Moscheen in Deutschland, das sind meist keine prunkvollen, hellen Gebäude mit Turm und Halbmond. Das sind viel öfter kleine Räume, Hinterhofmoscheen, in denen die Gläubigen dicht an dicht gedrängt beten. Geld ist knapp bei den islamischen Gemeinden in Deutschland. Und das wird zunehmend auch zu einem Sicherheitsrisiko. Denn die Finanzschwierigkeiten öffnen die Tür für Staaten, die mit Geld die Verbreitung einer fundamentalistischen Auslegung des Islams fördern wollen.

Die Bundesregierung will jetzt den Geldfluss vor allem aus Golfstaaten an radikale Moscheegemeinden in Deutschland kontrollieren. Das Auswärtige Amt bestätigte am Freitag einen entsprechenden Bericht von NDR, WDR und „Süddeutscher Zeitung“. Laut dem Rechercheverbund hat das Auswärtige Amt Saudi-Arabien, Kuweit, Katar und andere Staaten darum gebeten, beabsichtigte Spenden oder Zuwendungen an religiöse Einrichtungen in Deutschland zu melden. Absender und Empfänger von Geldern sollen unter Beteiligung der Geheimdienste überprüft werden. Wenn ein als radikal geltendes Gotteshaus die Zuwendung erhalten soll, könne das Auswärtige Amt dem Golfstaat mitteilen, dass die Geldzahlung nicht willkommen sei.

Hintergrund ist laut dem Rechercheverbund, dass sich Missionierungsorganisationen aus den Golfstaaten zunehmend mit Salafisten in Europa und Deutschland vernetzen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz ging in seinem Bericht für 2017 von insgesamt 10 800 Salafisten in Deutschland aus. „Das Gefährdungspotenzial durch salafistische Gewalt bleibt unverändert hoch“, hieß es. Ziel der Salafisten ist die vollständige Umgestaltung von Staat, Rechtsordnung und Gesellschaft nach ihrem Regelwerk – und letztlich die Errichtung eines „Gottesstaates“.

Mansour: "Wir brauchen einen deutschen, demokratischen Islam"

Doch ein Verbot von Zahlungen aus dem Ausland und im Speziellen den Golfstaaten ist nach aktueller Gesetzeslage nicht möglich. „Wenn es darum geht, Zahlungen offenzulegen, sind wir auf die Kooperation dieser Staaten angewiesen“, sagte Unionsfraktionsvize Thorsten Frei dem Tagesspiegel. Er wolle aber auch eine Gesetzesänderung nicht ausschließen.

Über die Weihnachtsfeiertage hat es außerdem eine Debatte um eine Moschee-Steuer gegeben. Die Logik: Wenn der Staat für die Moscheegemeinden in Deutschland von gläubigen Muslimen Steuern eintreibt, sind diese finanziell unabhängiger vom Ausland. Derzeit, so schätzt der Zentralrat der Muslime in Deutschland, gibt es in der Bundesrepublik 2500 Moscheen, etwa 900 seien auch direkt als solche erkennbar. In Berlin gibt es knapp 100. Politiker verschiedener Parteien sprachen sich für eine Moschee-Steuer aus. Voraussetzung dafür wäre aber, dass die Moscheen die Anforderungen an eine Körperschaft des öffentlichen Rechts erfüllen. Als erste muslimische Gemeinde bekam die Ahmadiyya-Gemeinde in Hessen diesen Status zugesprochen. Viele andere erfüllen ihn wegen ihrer losen Organisationsform nicht.

Der Islamismus-Experte und Psychologe Ahmad Mansour bezweifelt ohnehin, dass dies der richtige Ansatzpunkt ist. „Bevor wir dafür sorgen, dass die muslimischen Gemeinden in Deutschland wirtschaftlich unabhängig vom Ausland sind, müssen sie ideologisch unabhängig werden“, sagte er dem Tagesspiegel. „Wir brauchen einen deutschen, demokratischen Islam.“ Viele Islamvereine in Deutschland hätten derzeit ein Islamverständnis, das „klar oder subtil“ im Widerspruch zum Grundgesetz stehe. Zum Beispiel was Gleichberechtigung von Mann und Frau betreffe. „Dieses Islamverständnis lehnt die Art und Weise ab, wie wir hier in Deutschland leben, und sieht sie als sündhaftes Verhalten“, sagt er. Erst wenn diese Probleme gelöst seien, sei es sinnvoll, über Finanzierung nachzudenken.

Bundesregierung befürchtet, dass Flüchtlinge radikalisiert werden

Wie NDR, WDR und SZ berichten, handelt es sich bei der finanziellen Unterstützung aus dem Ausland nicht immer um Überweisungen oder die Finanzierung von Moscheebauten. Zum Teil seien in Moscheen auch Männer mit Bargeld unterwegs, die dort eine Spende geben, wo ihnen die Predigt gefällt. Unionsfraktionsvize Frei berichtet auch von „Wanderpredigern“ aus dem arabischen Raum, die mit Touristenvisum nach Deutschland kommen, aber kein Deutsch sprechen. „Sie predigen an der Lebenswirklichkeit der Muslime in Deutschland vorbei und legen eine Geisteshaltung zugrunde, wie sie in arabischen Ländern üblich ist. Das sorgt für Parallelgesellschaften.“ Die Bundesregierung befürchtet zudem, dass Flüchtlinge radikalisiert werden. Das hält auch Mansour für eine reale Gefahr. „Flüchtlinge sind oft traumatisiert, labil und suchen Halt und Orientierung. Deswegen sind Salafisten so scharf darauf, diese Leute zu erreichen.“ Laut SZ, NDR und WDR gab es bereits 2015 Berichte über Salafisten, die vor Flüchtlingsheimen Geld und Hilfe anboten.

Der FDP-Innenpolitiker Benjamin Strasser fordert außerdem, dass bei radikalen Moscheen schneller gehandelt wird. Die Berliner Fussilet-Moschee, die der Attentäter Anis Amri regelmäßig besucht habe, sei sehr lange offen gewesen, „obwohl den Sicherheitsbehörden bekannt war, wer sich dort alles bewegt hat“.

Die Ditib-Zentralmoschee in Köln. Ditib untersteht der türkischen Religionsbehörde.
Die Ditib-Zentralmoschee in Köln. Ditib untersteht der türkischen Religionsbehörde.

© Rolf Vennenbernd/dpa

Unionsfraktionsvize Frei betont aber, dass man nicht nur die Golfstaaten im Blick haben sollte. „Es gibt auch die massive Gefahr, dass versucht wird, über den Hebel der Religion politische Ideologie zu verbreiten.“ Abschreckendes Beispiel sei die Türkei. 900 Moscheen in Deutschland haben sich unter dem Dach des Moscheeverbandes Ditib zusammengeschlossen, der direkt der türkischen Religionsbehörde unterstellt ist. „Das läuft allen Integrationsbemühen zuwider.“

Mansour berichtet, er bekomme häufig Anrufe von Flüchtlingshelfern, die wissen wollten, in welche Moscheen Geflüchtete in Berlin gehen können. „Und ich kann eigentlich keine mit gutem Gewissen empfehlen, sondern nur wählen zwischen schlimm und schlimmer.“

Er sieht nun Verantwortung auf beiden Seiten: Nicht nur die Politik müsse dafür sorgen, dass Moscheen vom Ausland unabhängig sein können – die Muslime in Deutschland müssten das auch wollen.

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