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Verhalten optimistisch: Angela Merkel mit dem Report der Wirtschaftsweisen in der Hand.

© REUTERS/Michele Tantussi

Planlos in den Winter: „Pobacken zusammenkneifen“ – das reicht nicht als Corona-Strategie

Die Politik bereitet die Bürger auf eine Verlängerung des Shutdowns vor. Aber noch immer ist nicht klar, wie es danach weitergeht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Benjamin Reuter

Immerhin steht jetzt das Ziel - die Kanzlerin hat es in einem Bürgerdialog formuliert: Der aktuelle Shutdown endet, wenn die Inzidenz wieder unter 50 pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen gerutscht ist. Ob das für ganz Deutschland oder einzelne Landkreise gilt - nur rund 20 liegen derzeit unter der Schwelle - wurde nicht klar.

Aber man kann davon ausgehen, dass Angela Merkel in ihrer Funktion als Regierungschefin ganz Deutschland meint. Der aktuelle Wert am Freitag: 157. Dass der Shutdown am 1. Dezember zu Ende ist, ist also eher unwahrscheinlich.

Worüber Angela Merkel erneut nicht sprach und was immer noch offen ist: Wie geht es nach dem Shutdown, wann auch immer er endet, weiter?

RKI-Chef Lothar Wieler jedenfalls meint schlicht, wir müssten „noch ein paar Monate die Pobacken zusammenkneifen“. Wieler, immerhin Leiter einer Bundesbehörde und neben Spahn derzeit wohl Deutschlands wichtigster Gesundheitsmanager, hat damit wohl eher unfreiwillig den aktuellen Stand der Planung der Politik bis ins Frühjahr formuliert.

Man kann angesichts der Äußerung durchaus fragen: „Pobacken zusammenkneifen“ - ist das jetzt wirklich die deutsche Corona-Strategie? Und: Reicht das?

Kritik kommt auch an den Regierungsparteien

Die Opposition wirft der Großen Koalition schon seit ein paar Wochen völlige Planlosigkeit vor. Selbst aus den Regierungsparteien kommt inzwischen Kritik. Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann beklagt jetzt, seinen Parteifreunden in der Regierung fehle die klare Langzeitstrategie, um durch die Krise zu kommen.

[Mehr zum Thema: Fünf große Corona-Baustellen – das sind die Sommerversäumnisse der Politik]

Woran es hakt, ist schon länger klar. Die Schulen sind nicht auf das digitale Lernen vorbereitet, die Corona-App bleibt hinter ihren Möglichkeiten zurück. Und die Gesundheitsämter arbeiten unzureichend: Sie übermitteln positive Testdaten zu langsam - häufig mit Kuli und Fax statt digitalisiert. Zudem sind auch Wochen nach Inkrafttreten der neuen Testverordnung Schnelltests noch nicht großflächig verfügbar.

Immerhin: Die Planungen für die Impfstoffverteilung laufen

Eine US-Studie hat jetzt Restaurants, Fitness-Studios, Cafés und Hotels als Pandemietreiber ausgemacht. Vor diesem Hintergrund stellt sich auch hierzulande die Frage, wie sich diese Orte wirklich corona-sicher betreiben lassen? Reichen die aktuellen Hygiene-Konzepte?

Zwar könnte man einwenden, dass die Planungen für die Verteilung eines Impfstoffes jetzt immerhin angelaufen sind. Das lässt hoffen, dass alles rundläuft, wenn die ersten Dosen ausgeliefert werden.

Doch es wird noch viele Monate dauern, bis ein Großteil der Bevölkerung tatsächlich geimpft ist. Deshalb ersetzt der Impfstoff noch lange nicht die dringend notwendige Mittelfriststrategie. Es gibt ja noch nicht einmal eine richtige öffentliche Debatte darüber.

Stattdessen versucht sich die Regierung mit viel Geld Zeit zu erkaufen. Betroffene Branchen bekommen im November einen weitgehenden Ausgleich für den Umsatzverlust. Laut Finanzminister Olaf Scholz könnte der Bund wohl auch noch weitere Monate so ein Programm stemmen. Das ist zwar schön zu wissen. Besser wäre, wenn die Ausgaben gar nicht nötig wären.

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