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631 Milliarden Euro innerhalb von drei Jahren: Hält Merz’ Investitionsoffensive, was sie verspricht?
Im Kanzleramt haben die Manager von Siemens, Deutscher Bank und Co. Milliarden-Investitionen in Deutschland angekündigt. Friedrich Merz wertet das als Erfolg für seine Wirtschaftswende. Zurecht?
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Es ist ein Heimspiel für den Bundeskanzler. In einer Traube von weit über zwei Dutzend Firmenchefs – es sind bis auf Commerzbank-Vorständin Bettina Orlopp nur Männer – schreitet Friedrich Merz am Montag durch das Kanzleramt. „So groß war der Andrang lange nicht“, sagt eine Mitarbeiterin an der Pforte. Gruppenfoto, Selfies, Statement mit den CEOs von Siemens und Deutscher Bank. Umgeben von Unternehmern fühlt sich der frühere Multi-Aufsichtsratschef sichtbar wohl.
Nach dem G7-, Nato- und EU-Gipfel in Kananaskis, Den Haag und Brüssel hat Friedrich Merz dieses Mal nach Deutschland geladen – zum „Investitionsgipfel“ nach Berlin. Am Montagmittag sind zahlreiche Unternehmensvertreter von Dax-Konzernen, Mittelstand und Start-ups ins Kanzleramt gekommen, um den Bundeskanzler, seinen Vize Lars Klingbeil (SPD) sowie Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) über ihre Investitionspläne zu informieren.
Über 631 Milliarden Euro wollen die Firmen in den nächsten drei Jahren in Deutschland investieren. Für den Kanzler ist es eine perfekte Gelegenheit, die ersten Erfolge seiner proklamierten Wirtschaftswende zu zelebrieren.
Merz sieht Stimmungswechsel
„Wir stehen vor einer der größten Investitionsoffensiven, die wir seit Jahrzehnten in Deutschland gesehen haben“, sagte der Bundeskanzler nach dem Treffen. Merz spricht zwar nur wenige Minuten. Doch seine Botschaft ist klar: Es hat sich etwas getan, seit er und seine Regierung im Amt sind. Er ist zufrieden, die Wirtschaftselite im Kanzleramt versammelt zu haben. „Das ist ein sehr kraftvolles Signal dafür, dass wir einen Stimmungswechsel haben“, sagte Merz.
Gute Nachrichten über den hiesigen Standort hatten in den letzten Jahren eher Seltenheitscharakter. Die Infrastruktur verfällt, Fachkräfte werden älter und rarer. Hohe Sozialabgaben, lange Verfahren, lästige Bürokratie – die Beschwerdeliste der Firmen ist lang. In der Industrie stehen die Zeichen auch deswegen eher auf Deindustrialisierung. Die ausländischen Direktinvestitionen in Deutschland sanken letztes Jahr auf den niedrigsten Stand seit 2011.
Seit einigen Wochen scheint sich das Blatt allerdings tatsächlich zu wenden. Wirtschaftsforscher heben ihre Prognosen. Große institutionelle Anleger schichten ihre Positionen aus den USA nach Deutschland um. Dazu liefert Schwarz-Rot, was die Ampel nicht vermochte: Gesetze für die Infrastruktur-Milliarden sind auf dem Weg, eine Steuerreform sogar schon verabschiedet. Aber geht das alles nur auf das Konto der neuen Koalition?
Lob von Unternehmern
„Die Bundesregierung hat einen wesentlichen Anteil daran, dass sich das Investitionsumfeld tatsächlich verbessert, sowohl kurzfristig als auch längerfristig“, sagte der Ökonom Sebastian Dullien dem Tagesspiegel. Durch das Sondervermögen Infrastruktur könnte sich aus seiner Sicht zum einen die Wirtschaftsleistung um fünf Prozent erhöhen. Zum anderen würden dadurch auch private Investitionen schon im zweiten Halbjahr attraktiver. „Wichtig ist dabei auch, dass das Programm Planungssicherheit schafft“, sagt Dullien.
Das tut es auch aus Sicht der Unternehmen. Die Chefs von Deutscher Bank und Siemens, Christian Sewing und Roland Busch, sind voll des Lobes für Merz und seine Regierung. Man habe einen ausgezeichneten Austausch, die Regierung mache Tempo und zeige Entschlossenheit. „Die Chancen waren selten größer“, sagte Sewing.
Ihnen allen geht es mit der Initiative auch um Psychologie. An die Menschen und Investoren will man ein Signal senden: Der deutsche Standort lebt und bietet verlässliche Rahmenbedingungen. Gleichzeitig verstehen die Manager die Zusagen auch als Vertrauensvorschuss an die neue Regierung.
„Unser Gespräch stimmt mich zuversichtlich, dass die Regierung mutige Strukturreformen angeht“, sagte Siemens-Manager Busch. Für die Freisetzung der Mittel fordert er weniger Regulierung sowie schnelle Genehmigungsverfahren.
Opposition spricht von „PR-Show“
Andere blicken nüchterner auf die ersten zwei Monate der neuen Regierung. „Insgesamt zeigt die wirtschaftspolitische Bilanz der neuen Bundesregierung Licht und Schatten“, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest am Montag. Die kreditfinanzierten Investitionen in Sicherheitspolitik und Infrastruktur sieht auch er positiv. Kritisch bewertet er geplante Maßnahmen wie die Frühstart-Rente sowie die Senkung der Gastro-Mehrwertsteuer.
In der Opposition blickt man deutlich weniger wohlwollend auf Merz und seine Ankündigungen. Die Parteivorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen bezeichnete den „Investitionsgipfel“ als „PR-Show im Kanzleramt“. „Viele Investitionen sind keine neuen Zusagen, sondern schon seit langem von den Unternehmen eingeplant“, sagte Franziska Brantner dem Tagesspiegel: „Wer das jetzt als Erfolg der Regierung Merz verkauft, betreibt Etikettenschwindel.“
Sie wirft Merz sowie Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) vor, weiter auf fossile Technologien zu setzen, statt zielgerichtet in neue, saubere Technologien zu investieren. Brantner fordert stattdessen unter anderem Strukturreformen, um eine neue Innovations- und Gründungsdynamik zu entfachen.
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