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Jens Spahn

© IMAGO/Eventpress

Update

Grüne fordern Untersuchungsausschuss: Dokument soll Spahn und Emix entlasten

Einem Bericht zufolge waren Qualitätsmängel des Schweizer Lieferanten Emix geringer als im Sudhof-Bericht wiedergegeben. Bei dieser Darstellung gibt es jedoch viele Fragen.

Stand:

In der Debatte um Maskenkäufe der Bundesregierung in der frühen Phase der Corona-Pandemie sind neue Unterlagen aufgetaucht, die Ex-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) entlasten sollen. Nun bekannt gewordene Details weisen laut „FAZ“ darauf hin, dass die Zusammenarbeit der Bundesregierung mit dem Schweizer Unternehmen Emix deutlich unkomplizierter und günstiger für den Steuerzahler verlief, als bislang angenommen.

Nach neuen Vorwürfen gegen Spahn fordern die Grünen indes einen Untersuchungsausschuss. Zudem gibt es nach Bekanntwerden des ungeschwärzten Berichts zu dem Masken-Einkauf in der Corona-Pandemie Vorwürfe gegen Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU). „Wer sich selbst nichts vorzuwerfen oder zu verbergen hat, würde längst selbst einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss fordern oder eben Verantwortung übernehmen“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen, Janosch Dahmen, zur Nachrichtenagentur Reuters.

Die „FAZ“ berichtet, ein Papier des Gesundheitsministeriums an den Haushaltsausschuss vom 3. März 2021 würde Spahn in der Causa Emix entlasten. Das Papier, das bereits seit einigen Jahren öffentlich ist, liegt dem Tagesspiegel vor.

Im kürzlich veröffentlichen, ungeschwärzten Bericht der damaligen Aufklärungsbeauftragten, Margaretha Sudhof (SPD), heißt es zu einem Vergleich, den das Gesundheitsministerium (BMG) im Mai 2020 mit Emix abschloss, es erschließe sich nicht, inwiefern dieser die Interessen des Bundes angemessen abbilde.

Sudhof kritisiert den hohen Preis pro Maske, den das BMG der kleinen Schweizer Firma zu einem Zeitpunkt einräumte, als sich der Weltmarkt für Masken zu beruhigen begann. Die Sonderermittlerin erläutert zudem, dass Spahns Ministerium Emix im Streit über die Zahl der defekten Masken entgegenkam.

Eine der niedrigsten Ausfallquoten im Bereich der Direktbeschaffungen des Bundes

Aus dem internen Bericht des Gesundheitsministeriums

In dem Bericht des Gesundheitsministeriums an den Haushaltsausschuss aus dem März 2021 wird die Zusammenarbeit mit Emix hingegen sehr gelobt. Dort heißt es, Emix sei die erste Firma gewesen, die im Rahmen von direkten Aufträgen an den Bund habe liefern können. Emix habe im März und April 2020 sechs Angebote gemacht, aus denen letztlich vier Verträge für Einmalhandschuhe und Masken hervorgingen.

Emix wird in dem Bericht ausdrücklich als zuverlässiger Partner bezeichnet. Eine Qualitätskontrolle habe ergeben, dass Emix eines von wenigen Unternehmen gewesen sei, das in der Frühphase der Pandemie große Mengen an Schutzausrüstung „verlässlich, kurzfristig, termingerecht und in solider Qualität liefern konnten“. 

Konkret sei es um 210 Millionen OP-Masken zu einem Stückpreis von 0,60 Euro pro Stück, 150 Millionen FFP2- oder KN95-Masken zum Durchschnittspreis von 5,58 Euro und 44 Millionen Einmalhandschuhe à 9 Cent gegangen. Das, so der Bericht, seien marktübliche Preise.

Laut dem Ministerium verlief die Zusammenarbeit mit Emix anfangs sehr gut, später sei dann die Qualität der gelieferten Masken gesunken. Dennoch – so betont der Bericht – habe sich Emix auch bei Beanstandungen kooperativ gezeigt. Die Firma habe „nach Mängelrügen fehlerhafte Ware verzugslos und komplikationslos ausgetauscht“.

Die Quote mangelhafter Ware lag dem Bericht zufolge bei 14,7 Prozent bei 109 Millionen gelieferten FFP2-Masken und bei 13,2 Prozent von 77 Millionen OP-Masken - allerdings nachdem Emix teils mangelhafte Ware ersetzt hatte. Das Ministerium bezeichnet diese Zahlen als „eine der niedrigsten Ausfallquoten im Bereich der Direktbeschaffungen des Bundes“.

Dem steht die Darstellung im Sudhof-Bericht entgegen, in dem von Ausfallraten zwischen 40 und 48 Prozent die Rede ist. Die „FAZ“ sieht in dem BMG-Bericht deshalb nun ein Indiz, dass die Geschäftsbeziehung mit Emix für den Bund vorteilhafter war als von Sudhof dargestellt. Tatsächlich erklären sich die unterschiedlichen Angaben zur Mangel-Quote aber wohl durch eine unterschiedliche Betrachtungsweise.

Sudhof bezieht sich in ihren Bericht auf eine TÜV-Nord-Untersuchung der ursprünglichen Emix-Ware. Laut dem Sudhof-Bericht vertrat Emix hingegen die Ansicht, dass nur 20 Prozent der FFP2-Masken und 32 Prozent der OP-Masken schadhaft seien.

Sudhof zufolge entschied das BMG schließlich, die von Emix angegebene Mängel-Quote zur Grundlage des Vergleichs zu nehmen. Zudem wurde vereinbart, dass Emix schadhafte Ware ersetzen sollte, was die Mängel-Quote weiter reduzierte. Dass Sudhof den Vergleich als nicht unbedingt vorteilhaft für den Steuerzahler einordnete, dürfte auch damit zusammenhängen, dass das BMG Emix in der strittigen Frage der Ausfallquote entgegenkam. Zudem wundert sich Sudhof, dass das BMG bei den Vergleichsverhandlungen nicht den Preis pro Maske drückte, nachdem die Maskenpreise gesunken waren.

Insofern steht der Bericht des Gesundheitsministeriums an den Haushaltsausschuss nur in einem scheinbaren Widerspruch zum Sudhof-Bericht. Tatsächlich erwähnt Sudhof den Bericht des BMG auch mehrmals in ihrer Untersuchung. Sie hält dessen Darlegung der Fehlerquote bei den Emix-Masken aber offensichtlich für wenig plausibel.

Spahn hat sich indes in einem Interview mit der „Bild“ verteidigt. „Ich habe nichts zu verbergen“, sagte er. Gleichwohl räumt er ein, nicht zu jeder Zeit eine lückenlose Übersicht bei den Beschaffungen gehabt zu haben. „Ja, eine Unübersichtlichkeit war da, ohne Zweifel. Warum? Weil wir ja die Erfahrung immer wieder machen mussten im Gesundheitsministerium, dass Lieferungen zugesagt sind, aber nicht kommen“, so Spahn. 

Den Vorwurf, er habe gelogen, der insbesondere von den Grünen erhoben wurde, wies er zurück: „Eins weiß ich sicher: Vermerke, die mich erreicht haben, habe ich, soweit ich das erinnere, immer auch gezeichnet.“ Es habe aber Warnungen gegeben, die ihn nicht erreicht hätten. „Und jetzt werden die beiden Dinge vermengt, sozusagen die eine Antwort, die sich auf das Innenministerium bezog, mit dem, was das eigene Haus angeht. Und das meine ich mit konstruierten Vorwürfen“, sagte Spahn.  

Die Grünen griff Spahn hart an. Dieses Geraune bis hin zu Fast-Verleumdungen, auch dieser konstruierte Vorwurf von Lügen wundere ihn. „Das kenne ich sonst nur von der AfD“, sagte Spahn.

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