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Der FDP-Vize Wolfgang Kubicki.

© IMAGO/Fotostand

Update

Reaktion auf Corona-Bericht: Kubicki fordert Entlassung von RKI-Chef Wieler – Lauterbach widerspricht

Die FDP sieht sich in ihrer Kritik an den Corona-Maßnahmen bestätigt. RKI-Chef Lothar Wieler sei vor allem für das Datenchaos verantwortlich.

FDP-Vize Wolfgang Kubicki hat als Konsequenz aus dem Corona-Evaluierungsbericht die Absetzung von RKI-Präsident Lothar Wieler gefordert. Es sei "unausweichlich", dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) den Präsidenten des Robert-Koch-Instituts "als Verantwortlichen dieser Misere entlässt", sagte Kubicki der "Welt am Sonntag" laut Vorabmeldung. Im RKI sei ein "personeller Neuanfang" nötig.

Das von der FDP angeprangerte Datenchaos werde mit dem Bericht nun offiziell benannt. Mitglieder des Sachverständigenausschusses hatten schwierige Grundvoraussetzungen ihrer Arbeit beklagt. Ein zentrales Problem sei gewesen, dass es nicht gelungen sei, seit dem Beginn der Pandemie eine ausreichende Datenerhebung in Deutschland zu etablieren.

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Die FDP sehe sich nun durch den Bericht "in der seit Beginn der Pandemie geäußerten Kritik bestätigt", sagte Kubicki weiter. Die Maßnahmen seien größtenteils unverhältnismäßig und undemokratisch gewesen und "entbehrten zu häufig jeder wissenschaftlichen Grundlage", sagte der stellvertretende Parteivorsitzende. Die FDP-Fraktion werde nun zügig darüber beraten, was dieser "erschütternde Bericht" für die weitere infektionsrechtliche Diskussion bedeute.

Auch der FDP-Politiker Frank Schäffler forderte den Rücktritt Wielers. Der Bericht müsse zu personellen "Konsequenzen an der Spitze des RKI führen", sagte er der Zeitung und fügte hinzu: "Herr Wieler ist offensichtlich nicht in der Lage, die Situation zu verbessern." Der Bericht offenbare eklatante Mängel bei der "Datenlage und der wissenschaftlichen Begleitung der Pandemie". Es sei ein Skandal, dass auf dieser "mangelhaften Basis" dann "teilweise sinnlose Grundrechtseinschränkungen beschlossen" worden seien, so Schäffler.

Widerspruch von Lauterbach und Göring-Eckardt

Lauterbach sagte am Freitag in Berlin, Kritik an der mangelnden Verfügbarkeit von Daten sei korrekt. Er blicke aber nach vorn und nicht nach hinten. An benötigten besseren Daten werde gearbeitet. Der Minister wies zugleich Kritik an Wieler zurück. Dieser habe die Arbeit immer gut gemacht und genieße sein „vollstes Vertrauen“.

Widerspruch bekam Kubicki auch von seiner grünen Amtskollegin Katrin Göring-Eckardt. Sie schickte auf Twitter einen offensichtlich älteren Kommentar von sich noch einmal, versehen mit dem Zusatz „Galt damals und gilt heute: #DankeWieler“. In der ursprünglichen Nachricht hatte sie geschrieben: „Lothar #Wieler hat in der Pandemie unfassbar viel geleistet. Seine Expertise, die Fachlichkeit, die Standhaftigkeit bei Angriffen vom Wissenschaftsfeinden verdient Respekt.“

Die Sachverständigenkommission zur Evaluierung der Corona-Maßnahmen hatte am Freitag ihren Bericht vorgelegt. Demnach hatten die bisher eingeleiteten Corona-Maßnahmen aber durchaus eine Wirkung.

Corona-Einzelmaßnahmen kaum zu beurteilen

Dem Bonner Virologen Hendrik Streeck zufolge seien die Wirkungen und Nebenwirkungen einzelner bisheriger Schutzmaßnahmen kaum für sich genommen zu beurteilen. Es seien Maßnahmenbündel gleichzeitig ergriffen worden, die man nicht auseinanderrechnen könne, sagte Streeck am Freitag in Berlin. Er äußerte sich als Mitglied der Sachverständigenkommission. Das Gremium lege daher keine Tabelle vor, was richtig und falsch sei.

Generell könne man sagen: "Jede Maßnahme hat ihre Zeit", sagte Streeck. So sei es gerade zu Beginn sinnvoll, eine Verbreitung in der Bevölkerung zu reduzieren, sagte er mit Blick auf Schließungen und Lockdown-Maßnahmen. Je längere dies dauere, desto geringer seien aber Effekte. Bei Zugangsregeln nur für Geimpfte, Genesene oder Getestete (3G/2G) seien Effekte von Virus-Varianten und Impfstoffen abhängig.

Generell verpuffe Ansteckungsschutz sehr schnell wieder, machte er deutlich. Daher sollte man mit tagesaktuellen Tests arbeiten.

Streek kritisiert unzureichende Datenlage

Streeck betonte: „Masken wirken. Das muss man deutlich sagen.“ Wichtig sei aber, dass Menschen Masken auch tragen wollten. Im Bericht heißt es, eine schlecht sitzende und nicht eng anliegende Maske habe „einen verminderten bis keinen Effekt“.

Auch Streeck kritisierte eine unzureichende Datengrundlage. "Wir haben eine schlechte Datenlage", sagte etwa der Virologe Hendrik Streeck bei der gemeinsamen Pressekonferenz zur Vorstellung des Evaluationsberichts. Der Wirtschaftswissenschaftler Christoph Schmidt mahnte, die Politik müsse, wenn sie später eine Evaluation wünsche, möglichst von Anfang an Kriterien dafür festlegen und die Erhebung der entsprechenden Daten organisieren.

Kommissionsmitglied Jutta Allmendinger mahnte eine Auseinandersetzung der Politik mit dem Evaluationsbericht an, auch wenn die Datenlage wie offen erklärt nicht optimal sei. Es sei eine Frage des Respekts, dass man die Arbeit des Gremiums ernst nehme, sagte die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB). (AFP, dpa)

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