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Der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden bei der wohl wichtigsten Rede seines Lebens.

© imago images/ZUMA Wire

Rede zum Abschluss des Parteitags: Biden will das „dunkle amerikanische Zeitalter beenden“

Der Präsidentschaftskandidat der US-Demokraten zeigt bei seiner „Acceptance Speech“, was ihn von Amtsinhaber Trump unterscheidet. Dessen Namen nennt er nicht.

Leicht ist diese Aufgabe wahrlich nicht. Nach drei Tagen, an denen ein paar der größten Redner der amerikanischen Politik-Landschaft ihr Bestes gaben, soll nun Joe Biden beim virtuellen Parteitag der US-Demokraten das letzte Wort haben. Der Joe Biden, dem so mancher Beobachter nicht zutraut, mehrere Sätze am Stück fehlerfrei vom Teleprompter abzulesen.

Diese Skeptiker, so viel lässt sich nach 25 Minuten Live-Ansprache von seinem Wohnort Wilmington (Delaware) aus sagen, hat der 77-Jährige am Donnerstagabend (Ortszeit) eines Besseren belehrt. Joe Biden hat die wohl wichtigste Rede seines Lebens abgeliefert - und sein Plädoyer dafür gehalten, warum er am 3. November die Präsidentschaftswahl gewinnen will. Ja, man kann sagen: Er hat die Aufgabe bestanden.

Joe Biden ist nicht der größte Redner aller Zeiten. Das würde er selbst wohl auch nicht behaupten, spricht er doch inzwischen ganz offen über sein Stottern in jungen Jahren. Aber er ist ein Politiker mit Herzblut und Empathie, der sich nicht scheut, sich seine Gefühle anmerken zu lassen.

Die stärkste Wirkung erzeugt er daher auch an diesem Abend, wenn er über die Tragödien in seinem Leben spricht und darüber, wie er sie durchgestanden hat: Als junger Senator hat Biden seine erste Frau und eine Tochter bei einem Autounfall verloren, 2015 dann als Vizepräsident seinen an einem Hirntumor erkrankten Sohn Beau. Dass er darüber nicht verzweifelt ist, ist fast schon ein Wunder. Und für viele ein Mut machendes Beispiel.

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Biden stellt die Charakterfrage

Das ist die zentrale Botschaft seiner Rede, mit der er die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten seiner Partei annimmt: seine charakterliche Stärke, die Hoffnung, die sich mit seiner Wahl verknüpft - und mit der Abwahl Donald Trumps. Joe Biden braucht den Namen des Präsidenten nicht zu erwähnen, und er tut es auch kein einziges Mal.

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Wenn er davon spricht, dass er im Falle seiner Wahl ein „Verbündeter des Lichts“ statt der Dunkelheit sein und dass man gemeinsam das „dunkle amerikanische Zeitalter“ beenden werde, weiß jeder, was er meint, beziehungsweise wen er für die düstere Gegenwart verantwortlich macht, in der es so viel Ärger, Angst und Uneinigkeit gebe.

Um die Attacken haben sich andere gekümmert

Der ehemalige Vize des ersten schwarzen Präsidenten Barack Obama hält an diesem Abend weniger eine Wahlkampfrede, als fast schon eine staatsmännische Ansprache. Um die Attacken auf Trump haben sich in den vergangenen Tagen andere gekümmert, allen voran Obama und dessen Ehefrau Michelle. Sie haben das Bild einer existenziellen Bedrohung gezeichnet, sollte der Republikaner im November wiedergewählt werden. Nicht weniger als die amerikanische Demokratie stehe auf dem Spiel, hat Barack Obama am Mittwoch erklärt.

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Biden kann sich daher weitgehend auf eine tröstende Botschaft konzentrieren: Dass eine Wendung zum Besseren auch in den schwierigsten Zeiten möglich ist - wenn man die Hoffnung nicht verliert und die richtigen Maßnahmen ergreift.

Aber zuerst greift auch er den Amtsinhaber an. „Der Präsident übernimmt keine Verantwortung, weigert sich zu führen, gibt anderen die Schuld, schmeichelt sich bei Diktatoren ein und schürt die Flammen des Hasses und der Spaltung.“ Mit Blick auf die zunehmende Polarisierung der Gesellschaft sagt Biden: „Wir sind so viel besser als das.“

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Vier Krisen gleichzeitig – „ein perfekter Sturm“

Biden verspricht, das Land zu einen und im Falle einer Wahl auch für die arbeiten zu wollen, die ihn dann nicht gewählt hätten. „Das ist die Aufgabe eines Präsidenten“, keine Zeit sei dagegen für reine Parteipolitik. Die USA seien mit einem der schwierigsten Momente ihrer Geschichte konfrontiert: mit vier Krisen gleichzeitig, „einem perfekten Sturm“.

Damit meint er „die schlimmste Pandemie in mehr als 100 Jahren“, die „schwerste Wirtschaftskrise seit der Großen Depression“, sowie die Rassismus-Debatte und den Klimawandel. „Sind wir dafür gewappnet? Ich glaube, ja. Wir müssen es sein.“

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Um die Dimension der Herausforderungen aufzuzeigen, erinnert der Demokrat an den früheren Präsidenten Franklin Roosevelt, der in seinem Wahlkampf 1932 den „New Deal“ versprach: jenes Maßnahmenpaket aus Wirtschafts- und Sozialreformen, mit denen die USA zwischen 1933 und 1938 auf die Weltwirtschaftskrise reagierten.

Biden will schon „am ersten Tag“ seiner Amtszeit einen Plan zur Eindämmung der Pandemie vorstellen. Dazu gehört eine landesweite Maskenpflicht, um die Ausbreitung des Virus zu stoppen. Denn: Gelinge das nicht, könne sich auch die Wirtschaft nicht erholen. Das habe „dieser Präsident“ immer noch nicht verstanden.

Joe Biden mit seiner Frau Jill und Kamala Harris - demonstrativ Maske tragend: Biden versprach einen anderen Umgang mit der Corona-Pandemie als dem von Amtsinhaber Trump.
Joe Biden mit seiner Frau Jill und Kamala Harris - demonstrativ Maske tragend: Biden versprach einen anderen Umgang mit der Corona-Pandemie als dem von Amtsinhaber Trump.

© AFP

„Es geht um das, wofür Amerika steht“

Biden mahnt, die anstehende Wahl sei eine der wichtigsten überhaupt. Bei ihr gehe es um Charakter, Mitgefühl, Anstand, Wissenschaft und die Demokratie. Es gehe darum, so Biden, „welche Nation wir sein wollen“, darum, für was Amerika stehe.

Die Alternativen seien klar, die Amerikaner sollten „diesen Präsidenten“ einfach nur nach den Fakten beurteilen. Er zählt auf: Fünf Millionen mit dem Virus infizierte Amerikaner und mehr als 170.000, die an den Folgen bereits gestorben seien, mehr als in jedem anderen Land. Mehr als 50 Millionen Menschen, die sich in diesem Jahr bereits arbeitslos gemeldet hätten und über zehn Millionen, die bis Ende des Jahres deswegen ihre Krankenversicherung verlören. Sowie fast sechs Millionen kleine Firmen, die pleite gegangen seien.

Der Präsident hoffe auf ein Wunder, sagt Biden, aber da habe er Neuigkeiten für ihn: Das Warten auf ein Wunder sei vergeblich. „Unser derzeitiger Präsident hat bei seiner wichtigsten Aufgabe gegenüber der Nation versagt. Er hat uns nicht beschützt. Er hat Amerika nicht beschützt. Das ist unverzeihlich.“

„Unser derzeitiger Präsident hat bei seiner wichtigsten Aufgabe gegenüber der Nation versagt. Er hat uns nicht beschützt", sagte Biden über Trump, ohne dessen Namen zu nennen.
„Unser derzeitiger Präsident hat bei seiner wichtigsten Aufgabe gegenüber der Nation versagt. Er hat uns nicht beschützt", sagte Biden über Trump, ohne dessen Namen zu nennen.

© AFP

Biden verspricht Millionen neuer Jobs

Seine eigenen Wahlversprechen reißt der demokratische Kandidat kurz an: Er werde die Wirtschaft wieder ankurbeln und dabei Millionen neue Jobs schaffen. Außerdem werde sich Amerika unter ihm der „existenziellen Bedrohung“ des Klimawandels stellen. Nötige Investitionen könnten finanziert werden, indem die von Trump durchgesetzten Steuersenkungen für Vermögende rückgängig gemacht würden.

Biden will außerdem den Gesundheitssektor und das Sozialversicherungssystem stärken. Und verspricht, den „strukturellen Rassismus“ in den USA ein für allemal loszuwerden. Seit dem Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz im Mai kommt es in vielen Städten immer wieder zu Protesten. Auch das war wohl mit ein Grund dafür, warum sich Biden für die kalifornische Senatorin Kamala Harris - die erste Afroamerikanerin in dieser Position - als „Running Mate“ entschieden hat.

Reicht das bis zur Wahl?

Der erste fast ausschließlich virtuell inszenierte Parteitag der Demokraten ist damit vorbei – und wenn es die wichtigste Aufgabe einer solchen Veranstaltung ist, die Partei hinter ihrem Kandidaten zu versammeln und für die Wahl zu mobilisieren, dann hat das allem Anschein nach erstmal geklappt. Trotz der Abwesenheit von applaudierendem Publikum und Beiträgen, die bereits zuvor aufgezeichnet wurden, haben viele Redner es geschafft, Emotionen zu wecken. Und darum geht es im Wahlkampf.

Wird das nachhaltig sein, werden Geschlossenheit und Euphorie bis zur Wahl in 75 Tagen anhalten und Joe Biden bei seinem dritten Anlauf ins Oval Office verhelfen? Das wird sich erst noch zeigen.

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Biden ist nach 47 Jahren im politischen Geschäft wahrlich kein Unbekannter. Genauso wenig wie Trump. Die Strategie der Demokraten, dennoch vier Tage lang vor allem über die Vorzüge des eigenen Kandidaten und die Gefährlichkeit des Gegners zu sprechen, kann man als riskant empfinden. Aber die derzeitige Stimmung vieler Amerikaner lässt sich eben auch mit einem Satz zusammenfassen: Alles, nur keine weiteren vier Jahre Trump.

Warum eine zweite Amtszeit dieses Präsidenten aus ihrer Sicht ein Desaster wäre, das haben die Demokraten in den vergangenen vier Tagen klar gemacht. In der kommenden Woche wollen nun die Republikaner bei ihrem Nominierungsparteitag zeigen, dass auch sie wissen, wie man die Anhänger in Zeiten einer Pandemie erreicht. Trumps Antwort auf Biden ist für den Donnerstag geplant.

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